Interview mit Angelika Lauriel

 

© Winfried Hoffmann

© Winfried Hoffmann

Angelika Lauriel hat Übersetzen und Dolmetschen Englisch/Französisch in Saarbrücken studiert und ist Diplomübersetzerin. Sie schreibt Kinder- und Jugendbücher sowie zeitgenössische Romane für Erwachsene und wird seit 2010 von diversen Verlagen verlegt. Ihre Romane spielen oft, aber nicht immer, im Saarland und sind oft, aber nicht immer, Krimis. Humor, Fantasie und gut gezeichnete Charaktere sind ihr wichtig.

 Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Ich bin mir dessen bewusst, habe aber aufgehört, darüber nachzudenken. Schreiben ist ein persönliches Bedürfnis, ein „Ich kann nicht anders“. Über die Konkurrenz nachzudenken, insbesondere seit den unendlichen Möglichkeiten, die es mit e-Book und Selfpublishing jetzt gibt, würde mich nur ausbremsen. Aber da, wie gesagt, das Schreiben nicht nur ein Job für mich ist, bringt es nichts, sich verrückt zu machen. Mein Ziel besteht darin, Qualität zu liefern und langfristig meine Fangemeinde zu vergrößern.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Ich sehe sie als wichtige Möglichkeit, sich schnell zu orientieren. Jede Leserin muss dann selbst entscheiden, ob sie die Bücher dieser Listen mag oder nicht. Kritisch sehe ich vielmehr, wenn im stationären Buchhandel fast nur diese Titel zu finden sind. Das Angebot in den Buchhandlungen gleicht sich seit vielen Jahren immer mehr an. Wozu brauche ich noch einen Buchhändler, wenn er mir eh nur das empfiehlt, was ich auf allen Portalen finden kann? Da kommt mir inzwischen die persönliche Beratung, das ganz eigene Urteil der Buchhändler zu kurz. Natürlich gilt das nicht pauschal – es gibt sie immer noch, die Buchhandlungen, in denen man persönlich beraten wird und die Kunden nicht mit den gängigen Spitzentiteln oder den Bestsellertiteln abgespeist werden. Ich kenne einige engagierte BuchhändlerInnen. Aber leider auch viele der anderen Sorte.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Tür zum Büro abschließen, damit niemand stören kann, Internet ausgeschaltet lassen und dann einfach schreiben. So komme ich immer in den Schreibfluss hinein. Voraussetzung ist allerdings, dass ich mindestens zwei Stunden Zeit habe. Sonst lohnt es sich nicht, sich warmzuschreiben, weil ich dann gerade aufhören muss, wenn ich wieder „drin“ bin. Selbstzweifel muss man aussitzen oder mit Hilfe lieber KollegInnen auflösen, die einem den Kopf wieder geraderücken.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Viel zu viel. Vor allem um die Erscheinungstermine herum kommt es oft und immer wieder vor, dass mir die Zeit zum eigentlichen Schreiben einfach so unter den Fingern weg schmilzt. Das kann sehr frustrierend sein. Die Zeiten im Internet (Facebook und Twitter, dort Fanpage und normale Seite, Pflege der Homepage, Organisieren und Begleiten von Leserunden, Erstellen von Veranstaltungen, Entwerfen von Einladungen, Pressetexten, Akquirieren von Lesungen, Anschreiben von potentiellen Zielgruppen, Informieren von Buchhändlern, Bibliotheken und Schulen, da ich auch Schullesungen halte, Verschicken persönlicher Einladungen zu Lesungen oder anderen Events …) können gut und gerne die gesamte Schreibzeit auffressen, und das mehrere Tage oder Wochen hintereinander. Das ist einerseits wahnsinnig interessant, weil der Austausch mit den LeserInnen bereichernd und spannend ist, ebenso wie der Austausch mit AutorenkollegInnen, andererseits frustriert mich nach einiger Zeit das Fehlen des Schreibens. Schreiben ist ein bisschen wie Atmen oder wie das Salz im Essen. Es geht mir schlecht, wenn ich nicht wirklich dazu komme.
Prozentual gesehen gibt es Zeiten, in denen ich 100% nur rund ums Buch aktiv bin, aber nur selten Zeiten, in denen ich 100% schreibe. Es hält sich unterm Strich vermutlich die Waage, mit leichtem Überhang Richtung Schreiben (hoffe ich jedenfalls, sonst müsste ich das nochmal überdenken …)

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Das ist schwer zu sagen. Ich lege den Fokus auf meine Homepage und auf Facebook. Ansonsten finde ich Lesungen sehr wichtig, aber die sind nur sinnvoll, wenn sie entsprechend beworben werden, sodass genügend ZuhörerInnen kommen. Außerdem sollte man als Autor wirklich gut lesen können, sonst geht der Schuss nach hinten los. Im Übrigen ist anzustreben, in den Buchhandlungen auszuliegen. Das ist eigentlich die Arbeit der Verlage, die aber nicht immer zureichend stattfindet. Da hat der einzelne Autor leider wenig Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Punktuell bringt das nicht viel.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

In meiner Jungend haben mich einige Autoren sehr beeindruckt. Dazu gehören Hans Bemmann, J.R.R. Tolkien, Hermann Hesse, John Irving, Michael Ende, auch Simone de Beauvoir. Das ist ein buntes Sammelsurium. Heute inspirieren mich Bücher, die tiefer gehen als der Mainstream. Bücher, in denen ich auf authentische Charaktere treffe, in denen Emotionen ohne Kitsch vermittelt werden, Bücher, die nachhallen. Sie wecken den Wunsch, das auch zu erreichen. Um nur zwei aktuelle Namen zu nennen: Nina George, Markus Zusak. Meine Ideen entstehen aber völlig unabhängig von anderen Büchern. Ich möchte nicht nachahmen, was gerade gut läuft, auch wenn viele Verlage (und auch viele SPler) gern auf Nachahmer-Themen setzen. In Büchern, die ich gut finde, hinterfrage ich, wodurch das Besondere entstanden ist, ich sehe mir auch das Handwerk an und denke darüber nach, ob und wie ich das selbst anwende oder anwenden könnte.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Das. weiß. ich. nicht. Die Flut von Neuveröffentlichungen ist riesig. Ich weiß nicht, wie es gelingen soll, da zu sondieren. Wir wollen auch nicht verleugnen, dass es – gerade unter SPlern – sehr viel schlecht geschriebenes und schlecht lektoriertes Material gibt. Wer das nicht eingesteht, lügt sich selbst in die Tasche. Daher ist es noch schwerer, die guten Stoffe herauszupicken.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Ich würde mich mit mehr Geduld wappnen, und vor den allerersten Versuchen, Stoffe an den Verlag zu bringen, in den gängigen, guten Autorenforen mitlesen, um zu lernen. Schreibratgeber haben auch ihren Vorteil und helfen, Anfängerfehler zu vermeiden. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass Schreiben nur zu einem relativ geringen Prozentsatz aus Talent besteht und zu einem weit größeren aus Handwerk. Wer das Handwerk nicht lernt, kann Virtuosität in der Kunst nicht erreichen. Und das bedeutet auch: Üben, üben, üben. Es heißt, ein/e AutorIn macht ca. alle 1.000 geschriebene Seiten einen Schritt nach vorn. Nach meiner Erfahrung ist das durchaus reell. Ich hatte das Glück, dass mir eine Autorin den Tipp, mich bei einem Autorenforum zu bewerben, sehr früh gegeben hat. Ich habe es auch kaum selbst versucht, mich bei Verlagen zu bewerben, sondern bin sehr früh den Weg über eine Literaturagentur gegangen. (Der übrigens auch kein leichter ist. Es kann genauso schwer sein, eine Agentur zu finden, wie einen Verlag.)

Wenn es Absagen hagelt, sollte man dringend das eigene Schreiben hinterfragen. Meistens gibt es einen guten Grund dafür. Den gilt es herauszufinden und daran zu arbeiten. Kritikfähigkeit ist oberstes Gebot. Und bitte: NIEMALS einen Text einem Verleger anbieten, der nicht längere Zeit abgehangen hat und von Testlesern gegengelesen wurde. Am besten von Testlesern, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Das Lob der Oma, die Begeisterung des Bruders sind wunderbar fürs Selbstbewusstsein, geben aber keine zuverlässiges Urteil über das eigene Werk.

Wenn ein/e AutorIn also für das erste, hoffnungsvolle Werk nur Absagen bekommen hat, dann MUSS er/sie einen Profi ranlassen oder selbst mit Hilfe von Leuten, die etwas davon verstehen, den Text überarbeiten, bevor er/sie es im Eigenverlag versucht. Niemals ein Buch herausgeben, das nicht lektoriert worden ist.  Und nur mal so nebenbei bemerkt: Meine beiden allerersten Werke schlafen, neben vielen, die danach noch entstanden sind, einen Dornröschenschlaf auf der Festplatte. Ich kenne kaum ernstzunehmende AutorInnen, bei denen das nicht so wäre. Einfach die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Buch Nr. 1 ein Lernstück ist und nicht für den Markt taugt. Natürlich kann es auch einfach der falsche Zeitpunkt sein, dann kann man nach Jahren das gute Stück wieder überarbeiten (mit den Erfahrungen, die man inzwischen gesammelt hat) und es neu auf den Weg schicken.

Das habe ich übrigens mit meinem in Kürze erscheinenden Kinderbuch „Phantanimal. Die Suche nach dem Magischen Buch“ getan. Phanta war mein viertes oder fünftes Projekt, ich habe es 2009/10 geschrieben. Seitdem ist das gesamte Manuskript zunächst in meiner damaligen Literaturagentur lektoriert worden, und ich selbst habe es auch danach noch in Abständen mindestens drei Mal komplett überarbeitet. Darin steckten Anfängerfehler, die ich mit dem Abstand sofort sehen konnte. Es ist ein ganz anderes Buch geworden, als es damals war. Nur die Grundideen, der Hauptplot und die Charaktere sind geblieben. Und heute ist mir klar: Phantanimal hat diese Zeit gebraucht, um zu reifen. Und auch dieses Mal hat das Lektorat dem Buch noch den letzten Schliff gegeben. Man ist dem eigenen Werk gegenüber irgendwann betriebsblind. Und natürlich sehen professionelle Augen eines guten Lektors (in meinem Fall war das Philipp Bobrowski) auch kleinere Lücken, die einem Autor so „durchrutschen“, weil er seine Geschichte in- und auswendig kennt. Ein gutes Lektorat kann die Autorin dazu anregen, aus einer guten Geschichte eine wirklich runde Sache zu machen. Das habe ich auch bei meinem Roman „Frostgras“ erlebt, bei dem die Lektorin mich bat, den Schluss aus einer neuen Perspektive zu erzählen. Es war der beste Rat, den sie mir geben konnte.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Ich denke, dass ich keine extremen Gewaltszenen schreiben könnte, und generell Szenen, in denen Menschen missbraucht werden.
Außerdem liegt es mir fern, Schlachten zu erzählen. Tatsächlich lese ich Passagen über Schlachten auch nicht gerne und habe sie damals in der „Herr der Ringe“-Trilogie beim dritten und vierten Lesen einfach überblättert.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Dazu kann ich mich nicht wirklich äußern. Ich selbst meide solche Themen, fühle mich ihnen nicht gewachsen. Von einem Autor, der solche Stoffe schreibt, erwarte ich bestmögliche Recherche und Offenheit. Ich weiß nicht, ob das überhaupt möglich ist. Beim Lesen höre ich auf mein eigenes Gefühl. Ich würde mich davor hüten, Meinungen und Einschätzungen einfach zu übernehmen, ohne sie zu überprüfen.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich „arbeite“, grob gesehen, zwischen acht und etwa vierzehn Uhr, und nachmittags oft nochmal zwischen fünfzehn und siebzehn Uhr. Dazu zählen aber auch alle anderen Aufgaben, die ich oben erwähnte. Außerdem habe ich eine fünfköpfige Familie. Wäsche, Besorgungen und diverse andere Dinge müssen zwischendurch mitlaufen. Von daher kann ich es nicht genau eingrenzen. Für gewöhnlich vermeide ich es, abends am PC zu sitzen, weil die Familie auch ihre Rechte hat. Außerdem kann ich nicht schlafen, wenn ich zu lange am PC arbeite.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Nichts. Das wird man sehen, wenn es erscheint.  Meine gerade erschienen Bücher (Februar 2015 und März 2015) sind zum einen ein humorvoller Familienroman (Meine Schwiegereltern, das Chaos und die Liebe, Bookshouse Verlag) und zum anderen ein märchenhafter Fantasyroman für Kids ab 10/11 Jahren bis 99. Man kann „Phantanimal. Die Suche nach dem Magischen Buch“ (Ulrich-Burger-Verlag) aber auch noch lesen, wenn man älter ist.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

Ich habe zu danken.


Angelika Lauriel im www


Weitere Hintergründe zur Autorin

Die Autorin ist Mitglied im renommierten Autorenforum „Montségur“, im Kinderbuchforum „Schreibwelt“, bei den „Mörderische Schwestern e.V.“ und in der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautorinnen und –autoren „DeLiA“.
In ihrer Freizeit spielt sie Theater in einer deutsch-französischen Theatergruppe in Saarbrücken und singt in einem Kammerchor. Sonst kümmert sie sich um ihre fünfköpfige Familie und die Französische Bulldogge Banou.