Harald Grill, geboren am 20.7.51 in Hengersberg/ Niederbayern, lebt seit 1978 mit seiner Familie in Wald/Landkreis Cham, 1973 bis 1988 Pädagogischer Assistent, seit 1988 Freier Schriftsteller,
1989/ 1990 Drehbuchwerkstatt Hochschule für Film und Fernsehen in München, 2000/ 2001 Projekt „Zweimal heimgehen“ – zwei Spaziergänge, einmal vom Nordkap und danach von Syrakus zu Fuß nach Regensburg. 2011 Literaturtage der Stadt Landshut zu den Werken von Harald Grill.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Harald Grill: Nein, denn wahrscheinlich wäre das beim Schreiben eher hinderlich.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Harald Grill: Ich nehme sie kaum zur Kenntnis.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Harald Grill: Wär schön, wenn ich eines hätte. Aber irgendwie bin ich beim Schreiben so motiviert, dass ich keins brauche, weil ich Blockaden (relativ) schnell überwinde. Allerdings: Ich bin ein sehr sehr langsamer „Schreiber“, brauche für einen Roman mindestens 8 Jahre und für einen Gedichtband mindestens fünf. Aber das muss bei mir so sein, mir macht das nichts aus, denn ich lebe sowieso mehr von meinen Lesereisen, als von den Buchhonoraren. Bei den büchern sage ich mir, besser Longseller als Bestseller.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Harald Grill: Wahrscheinlich zu wenig. Bei mir sind es die Lesereisen und die Korrespondenz. Ich beantworte möglichst jedes Mail oder jeden Brief…
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Harald Grill: Hab leider keinen Tipp. Gute Texte schreiben und dann mit viel Glück die richtigen Leute treffen.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Harald Grill: Peter Bichsel, Reiner Kunze, Elisabeth Borchers, Albert von Schirnding, Mirjam Pressler, Franz Hohler, Wulf Kirsten und viele mehr.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Harald Grill: Keine Ahnung. Es gibt halt Seilschaften, die gut zusammen funktionieren. Was soll ich mir darüber Gedanken machen. Verlorene Zeit.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Harald Grill: Anfängerfehler war bei mir vielleicht der: Ich dachte, es geht alles wie von selbst. Überall offene Türen. Auch wenn ich mich nicht beklagen kann, das hat sich im Laufe von 25 Jahren freiberuflicher Tätigkeit geändert…
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Harald Grill: Gewisse Hemmungen gibt es bei mir, wenn ich über Menschen schreiben, die ich persönlich kenne oder gekannt habe. Da versuche ich mich im Versteckspiel, denn ich will niemanden bloßstellen. Mir geht es um die Hintergründe der Geschichte(n)
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Harald Grill: So offen wie nur möglich. Immer im Rahmen der Wahrheit. Ich bin nicht bereit politische Zugeständnisse zu machen.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Harald Grill: Wenn ich nicht auf Lese- oder Recherchereise bin, schreibe ich jeden Vormittag.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Harald Grill: Ich habe vor drei Jahren ein vierteiliges Roman-Projekt über das Gehen (in jeglichem Sinn des Wortes: durch Leben, in der Sprache, in der Landschaft…) Zurzeit bereite ich eine dreimonatige Recherche-Reise in die westliche Schwarzmeer-Region vor. Ich möchte darüber ein dreiteiliges Radio-Feature über den Umgang mit Minderheiten schreiben. Darauf aufbauend ein Buch.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Preise und weitere Hintergründe zum Autor
Mitglied der Neuen Gesellschaft für Literatur, Erlangen (NGL), des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) und des PEN-Zentrums der BRD. Seit 1995 im Vorstand der Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft.
Friedrich-Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1992)
Marieluise-Fleißer-Preis (2003)
Kulturpreis Oberpfälzer Jura (2006)
Kulturpreis der Oberpfalz (2006)
Stipendium im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia Bamberg (2012/13)