Herbert Günther, 1947 in Göttingen geboren. Kindheit und Jugend auf dem Land. Auf Umwegen zum Bücher-menschen geworden. Buchhandelslehre, sieben Jahre Lektor im Otto Maier Verlag in Ravensburg, sieben Jahre Leiter einer Kinderbuchhandlung in Göttingen. Drehbücher für Kinderfilme im ZDF („Neues aus Uhlenbusch“); 1986 – 1988 Lektor im Boje Verlag in Erlangen. Seit 1988 Schriftsteller. Seitdem auch zahlreiche Übersetzungen von Kinder- u. Jugendbüchern zusammen mit meiner Frau Ulli Günther. Friedrich Bödecker Preis; Katholischer Kinder- u. Jugendbuchpreis.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Herbert Günther: „Wer Angst hat, der bleibt da“ heißt der erste Satz in meinem letzten Roman für Jugendliche u. Erwachsene („Zeit der großen Worte“, Gerstenberg Verlag) Die Angst vor der „Konkurrenz“ sollte niemanden lähmen. Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen, denen ich mich verbunden fühle, da ist das Gemeinsame viel größer als die mögliche Konkurrenz im Regal der Buchhandlungen. Wenn ich ein neues Buch in Angriff nehme, denke ich darüber nach, wie ich mich am besten verständlich machen kann, ohne in die Knie zu gehen oder mich anzubiedern.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Herbert Günther: Bestsellerlisten und Bücherrankings sind Sache der Rezensenten, Journalisten, nicht der Autoren. Als Autor sich davon abhängig machen, ist der Anfang vom Ende der Literatur, jedenfalls der, die den Namen verdient. Freiheit und Unabhängigkeit als Voraussetzung fürs Schreiben sind wichtiger denn je.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Herbert Günther: Zweifel und „Durchhänger“ gehören dazu. Ein „Geheimrezept“ dagegen habe ich nicht. Aber Gespräche können Knoten lösen, vielleicht ein Gang in den Wald, Abstand gewinnen, sich Zeit lassen, sich vom Termindruck befreien.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Herbert Günther: Das Marketing überlasse ich lieber weitgehend dem Verlag. Da gibt es kompetente Leute, die das viel besser verstehen als ich. Ich habe eine Homepage, beantworte manchmal Interviewfragen wie diese. Ich beantworte gern und wenn es irgend geht alle Fragen von Kindern und Jugendlichen ausführlich, aber es gibt eine Schamschwelle des Sich-anbietens, die leicht zum Sich-anbiedern werden kann, über die ich mich nicht so gerne drängen lassen möchte. Auch wenn sich das inzwischen oft vermischt: Zwischen Werbung und Literatur ist ein wesensmäßiger Unterschied.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Herbert Günther: Siehe vorige Frage. Ich finde, Büchermachen ist etwas Dialogisches. Ohne kompetente Lektorin/Lektor, ohne seriösen Verlag, der die Freiheit hat, ja oder nein zu sagen, kann und will ich mir das Büchermachen nicht vorstellen. Was ich jungen Autoren rate? Lesen, lesen und nochmal lesen. Und Erfahrungen sammeln, dem Mut zum Risiko nicht ausweichen, reden, neugierig sein, lebendig sen.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Herbert Günther: Wenn man das immer so genau wüsste… Von vielen wahrscheinlich seit ich angefangen habe, richtig zu lesen. Am Ende ist aber doch entscheidend, dass man zum Eigenen findet.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Herbert Günther: Eine gute Frage, die man an FAZ, Spiegel, ZEIT usw. richten müsste.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Herbert Günther: Fehler muss man machen. Fehler macht man auch noch als „alter Hase“. Und was sind in diesem Sinn Fehler? Im Unterschied zur Wissenschaft ist die Frage nach richtig oder falsch in der Literatur müßig.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Herbert Günther: Probieren, riskieren, darüber reden (mit vertrauten Menschen, meiner Frau z.B., mit Lektoren, einsichtig sein, wenn es daneben geht, neu versuchen. Alles aber muss man nicht schreiben können oder wollen, Gewaltverherrlichung z.B. oder Spektakel um des Spektakels willen.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Herbert Günther: Ich erwarte von mir und anderen Autoren, dass wir unserem Gewissen folgen.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Herbert Günther: Wenn ich nicht gerade Interviewfragen beantworte, Mails oder andere Post beantworte, zu Lesungen unterwegs bin, versuche ich in der Zeit von morgens ca. 9 Uhr 30 bis abends ca. 19 Uhr 30 zu recherchieren, zu schreiben, das geht je nach Stimmung länger oder kürzer.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Herbert Günther: Meine kluge Großmutter hat mir den Rat hinterlassen: „Über ungelegte Eier soll man nicht gackern.“ Meine Erfahrung sagt mir, dass sie Recht hatte.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.