© Yvonne Berardi

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Joachim Zelter, in Freiburg geboren, studierte und lehrte Literatur in Tübingen und Yale. Seit 1997 Schrift-steller. Sein Buch »Wiedersehen« erschien in diesem Monat. »Der Ministerpräsident« wurde 2010 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen – u.a. das Landesstipendium Baden-Württemberg, das Esslinger Bahnwärterstipendium und der Thaddäus-Troll-Preis. Überdies Hörspiele und Theaterstücke, die an deutschen Bühnen gespielt werden.

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Nein. Meine Bücher laufen außer Konkurrenz.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Ich ignoriere sie.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Es gibt kein Rezept. Das Schreiben ist ein Geschenk, ein Ausnahmezustand – und keine Regel.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Arnold Stadler, Martin von Arndt, Thomas Bernhard, Oscar Wilde.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Wenn ich das wüsste, dann wäre ich selbst ein „Verdächtiger“.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Fehler sind unvermeidlich. Sie können sich im Nachhinein sogar als Glücksgriff oder Kunstgriff erweisen. Der größte Fehler wäre es, Angst vor Fehlern zu haben. Literatur ist meist dann belanglos oder mittelmäßig, wenn man ihr in jeder Zeile diese Fehlerangst anmerkt. Viel zu viele Bücher sind heutzutage Fehlervermeidungsbücher. Nach allen Regeln der Kunst lektoriert. Und kein einziger Fehler. Ich lege diese Bücher schon nach wenigen Seiten zur Seite. Oscar Wilde hat einmal gesagt: Wenn man jung bleiben will, dann sollte man unbedingt Fehler machen. Am besten sogar alle Fehler der Vergangenheit noch einmal wiederholen. Ein Hoch auf die Fehler.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Ich tue mich mit Plots schwer. Sie langweilen mich. Ich empfinde sie als Anmaßung.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Literatur sollte sich von keinerlei Tabus maßregeln lassen, und schon gar nicht von religiösen oder politischen Vorgaben oder Tabubereichen. Sie sollte grundsätzlich bereit sein, Grenzen zu überschreiten, nicht nur politische, sondern auch literarische und ästhetische Grenzen. Gute Literatur ist ein ständiger Norm- und Formbruch, ein existentielles Risiko, ein Ritt auf der Rasierklinge. Wenn man nachts nicht mehr schlafen kann, oder sich tags nicht mehr auf die Straße getraut. Das zeugt wenigstens noch von Lebendigkeit, sei es nun die Lebendigkeit des Autors oder die seiner Bücher.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich schreibe wie ein Segler segelt. Wenn der Wind da ist, setze ich sämtliche Segel.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Es ist eine Neufassung meines ersten Romans: „Briefe aus Amerika“ aus dem Jahr 1998. Der Roman ist in vielerlei Hinsicht unsäglich schlecht, und dann wieder brillant, teils von Kapitel zu Kapitel wechselnd. Das schreit nach einer Auseinandersetzung.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


Joachim Zelter im www

 www.joachimzelter.de


 

Zum Autor

Autor der Romane »Briefe aus Amerika« (1998), »Die Würde des Lügens« (2000), »Die Lieb-Haberin« (2002), »Das Gesicht: Roman eines Schriftstellers« (2003), »Schule der Arbeitslosen« (2006), »How are you, Mister Angst?« (2008), »Der Ministerpräsident« (2010), »untertan« (2012) und der Novelle »Einen Blick werfen« (2013).