Interview mit Renate Schoof
Renate Schoof lebt als freie Schriftstellerin in Göttingen. Nach Studium und neunjähriger Tätigkeit als Lehrerin, wandte sie sich ganz dem Schreiben zu und veröffentlichte seither mehr als 20 Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, zuletzt den Gedichtband „Seelenvögel“, die Erzählungen „In ganz naher Ferne“, das Sachbuch „Geheimnisse des Christentums – Vom verborgenen Wissen alter Bilder“ und den Roman „Blauer Oktober“. Sie erhielt Preise und Auszeichnungen, 2008 war sie Stadtschreiberin in Otterndorf/Niederelbe.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Die Bücher, die ich schreibe, kann ja nur ich schreiben. Das gibt mir Verantwortung für meine Figuren und die Art, wie ich an Themen herangehe. Insofern kann ich die Publikationen anderer vergessen oder auch die ein oder andere davon begrüßen.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Ich habe gehört, dass Buchhändler genau die Titel auf Bestsellerlisten setzen, die sie aufgrund der Verlagswerbung verkaufen möchten.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Gute Geschichten lassen sich ebenso wenig wie die richtigen Worte erzwingen. Ich beginne erst zu schreiben, wenn innere Bilder und Ideen schon da sind. Außerdem behandele ich den schöpferischen Teil meines Wesens – wie immer wir es nennen wollen – mit Respekt.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Mal mehr, mal weniger. Weil ich es selbst nicht mag, wenn jemand werbend auf mich zukommt, lasse ich den Leserinnen und Lesern gern die Freude, meine Bücher zu entdecken. Ich habe eine Homepage und meine Netzwerke und werde oft zu Lesungen eingeladen. In der Werbung vertraue ich auf die Verlage, in denen meine Bücher erschienen sind.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Von Kindheit und Jugend an haben mich Bücher jenseits des Mainstreams angezogen. Bücher, die von und für Außenseiterinnen und Außenseiter(n) geschrieben wurden und oft gesellschaftliche Missstände mit literarischen Mitteln angehen. SchriftstellerInnen die sich dem Zeitgeist entgegenstellen, indem sie unbeirrt ihrer inneren Stimme folgen. Ich mag Romane von Christa Wolf, Irmtraut Morgner, Ingeborg Bachmann, Doris Lessing, von Fjodor Dostojewski und Lion Feuchtwanger, um nur einige wenige zu nennen. Das heißt: Bücher, die ich lese, und Romane, Gedichte und Sachbücher, die ich schreibe, beschäftigen sich mit existenziellen Fragen. Literatur muss für mich hintergründig und notwendig sein. So wie für den russischen Dichter Jewgeni Jewtuschenko ein Gedicht ein „Rettungswagen“ sein konnte, eine Flaschenpost gegen Depression und Hoffnungslosigkeit.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Meines Erachtens geht es gar nicht um Newcomer, Erstlingsromane werden doch ganz gern besprochen. Es geht um neue Gedanken, um Schlüssel mit denen ich als Autorin für mich etwas erschließe, was ich dann Leserinnen und Lesern weitergeben kann.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Sich schreibend ehrlich und ohne Ehrgeiz auszuprobieren und nicht gleich an Veröffentlichung zu denken. Erst einmal in anderen Berufen Erfahrungen sammeln und auch Geld verdienen. Mit dem Veröffentlichen warten, bis das Geschriebene in jeder Beziehung trägt.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Das Schreiben einer Sex-Szene kann eine Herausforderung sein. In meinem Roman „Blauer Oktober“ nehme ich sie gern an, zumal das Buch von Künstlerinnen und Künstlern handelt, die sich 1968 u. a. von sexueller Bevormundung befreit hatten. Schwieriger scheint es mir, glaubwürdig komplizierte, prekäre Verhältnisse von Kindern und Jugendlichen in einem Roman spürbar werden zu lassen, wie ich es zum Beispiel in meinem Roman „Wiedersehen in Berlin“ tue.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Von Menschen, die das Privileg haben, schreibend zur Meinungsbildung anderer beizutragen, erwarte ich Ehrlichkeit, Humanität und Mut. Einen eigenen Standpunkt zu haben und zu vertreten, war schon immer unbequem, manchmal lebensgefährlich. Noch ist es in unserem Land nicht lebensbedrohlich, deshalb sollten Schriftstellerinnen und Schriftsteller dazu beitragen, das Eis offen halten für eine Meinungsfreiheit im Sinne von: Freiheit ist immer Freiheit Andersdenkender. Wenn sich genug, besonders bekannte Autorinnen und Autoren gegen Meinungsdiktate derer, die davon profitieren, wenden, würde es für den einzelnen leichter. Es ist unglaublich, wie viel Hass Journalisten verbreiten, wenn vom Mainstream abweichende Meinungen geäußert werden.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Eine besonders kreative Phase ist für mich der frühe Morgen. Ich schreibe sozusagen in den Tag hinein, oft bis Mittag.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Nach dem mich mein Sachbuch „Geheimnisse des Christentums – Vom verborgenen Wissen alter Bilder“ recht lange beschäftigt hat, arbeite ich wieder an einem Roman.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.