Interview mit Ursula Schröder
Ursula Schröder, Jahrgang 1957. Zeugnisse: Abitur, Staatsexamen I und II für Englisch und Geschichte, Trauschein, Industriekauffrau vor der SIHK Hagen, 3 Mutterpässe (1985, 1987 und 1990), jährliche Steuererklärung als Freiberufliche Werbe- und PR-Texterin, 10 Verlagsverträge über Romanveröffentlichungen, davon einer noch nicht erschienen.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Nur, wenn ich auf der Buchmesse diese Mengen sehe. Aber weil für mich Schreiben in erster Linie eine Möglichkeit ist, etwas Kreatives zu tun, versuche ich mich von solchen Gedanken fernzuhalten.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Mir tut es auch nicht gut, Bestsellerlisten zu studieren und mich zu fragen: „Was haben die, das ich nicht habe?“ – auch wenn ich gestehen muss, dass das manchmal passiert. Aber Erfolg ist nun mal nicht planbar, sonst würden Verlage ja nur noch erfolgreiche Bücher veröffentlichen. Es bleibt natürlich der Gedanke, dass man erst mal Fußballer oder Skandalnudel werden sollte, bevor man ein Buch schreibt, weil es sich dann einfacher verkauft. Aber auch das erklärt nicht den Erfolg mancher Autoren, die plötzlich in aller Munde sind.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Letztlich hilft nur Weitermachen. Wenn ich an einem Manuskript arbeite, lese ich grundsätzlich keine Romane anderer Autoren, das verunsichert mich nur. Aber gelegentlich schaue ich mir meine eigenen Bücher an, damit ich mir sagen kann: das hast du geschafft, das kannst du also. Und so eine Fähigkeit ist ja nicht plötzlich weg. Ich denke, mit jedem neuen Projekt beginnt man quasi einen neuen Marathon – man weiß, dass man’s kann, aber es ist trotzdem schwer. Gar nicht mehr zu laufen wäre da ja auch nicht die Lösung.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Zu wenig. Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Werbetexterin brauche ich viel Zeit für einige ehrenamtliche Engagements, und Schreiben ist ja auch ein Zeitfresser. Ich habe zwar ein Blog, aber ich füttere es zu selten. Dazu kommt, dass Schriftsteller häufig eher introvertierte Menschen sind (dazu zähle ich mich auch), denen es nicht unbedingt ein Bedürfnis ist, sich ständig der Welt zu präsentieren.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Mein Tipp an Neulinge lautet eher: bevor du über Marketing nachdenkst, beschäftige dich mit deinem Manuskript. Mach es richtig gut. Schau kritisch drüber nach dem Motto „Perfekt ist, wenn man nichts mehr weglassen kann“. Such dir unabhängige Erst-Leser und höre ihnen zu, wenn sie dich in Frage stellen.
Ich werde manchmal gebeten, mir Sachen anzusehen, und die Hälfte davon ist unfertig und steckt voller Fehler. (Das trifft übrigens auch auf manche Ebooks zu, die im Self-Publishing veröffentlicht wurden). Im Englischen spricht man hier von „instant gratification“: ich habe eine Idee, die muss sofort (sprich: nächste Woche) veröffentlicht sein, da hab ich keine Lust auf Korrekturschleifen oder Beta-Leser, die mich kritisieren, und wer achtet schon auf Rechtschreibung? Das ist nicht meine Vorstellung vom Schreiben. Aber wenn das Werk endlich gut ist (und das währt nicht nur im Sprichwort nun mal lange), dann wird sich auch ein Verlag finden, und da sind die Profis, die das Marketing übernehmen.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Es gibt viele Schriftsteller aus unterschiedlichen Genres und Epochen, die mich beindruckt haben, von Fontane über Fitzgerald bis Grass oder Herta Müller. Aber für mich habe ich nun mal entschieden, dass ich heitere Unterhaltungsromane schreiben möchte. Mein Super-Vorbild ist da natürlich Jane Austen, deren Erzählkunst und versteckten Humor ich bewundere. Barbara Noacks „Zürcher Verlobung“ fällt mir ein, auch wenn die Geschichte heute nicht mehr so funktionieren würde. Marian Keyes kann auf großartige Weise ernste Themen witzig verpacken, ebenso Jennifer Crusie, auch wenn ich ihre Hinwendung zu paranormalen Geschichten nicht nachvollziehen kann. Und wenn ich schlechte Laune habe, dann heitere ich mich mit Autoren wie Mark Twain auf. Ich liebe Schriftsteller, die lustig sein können, ohne klischeehaft oder platt zu schreiben. Denen eifere ich nach. (Meine Leser müssen entscheiden, ob es mir gelingt.)
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Das wüsste ich auch gern. Vermutlich hört auch nur einer dem anderen zu und greift das auf. Ich lebe auf dem Land, da weiß ich nicht, wie solche intellektuellen Vernetzungen passieren. Neulich hat mir jemand das Youtube-Video von Julia Engelmann empfohlen, ihr Auftritt auf diesem Poetry-Slam. Das gewinnt dann eine gewisse Eigendynamik: Millionen von Klicks, Einladung zu Talkshows, jetzt hat sie ein Buch veröffentlicht. Aber gezielt nachmachen lässt sich das nicht.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Einfach anfangen. Hart arbeiten. Es erst anderen zu lesen geben, wenn die erste Fassung fertig ist, wenn der Verlauf der Geschichte steht. Und vielleicht noch: viel lesen, um zu sehen, wie andere schreiben. Aber es dann nicht kopieren wollen.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Tja, Sex-Szenen … Bei mir kommen selten welche vor. Meistens höre ich vorher auf, weil ich finde, dass meine Leser schon selbst wissen, was dann passiert. Es sei denn, der Verlauf der Szene ist so wichtig für die Story, dass man alles beschreiben muss. Das sind dann meistens aber nicht die weichgezeichneten Romantikmomente aus dem ZDF-Herzkino, sondern eher Augenblicke, in denen etwas völlig danebengeht, etwas Unerwartetes, Dramatisches.
Probleme habe ich aber auch an anderen Stellen, nämlich immer dann, wenn ich irgendwas nicht aus persönlicher Anschauung kenne. Da kann dann leicht was danebengehen. Ein Paradebeispiel fand ich in einem Mittelalter-Epos, wo eine Burg belagert wird und die Leute Kartoffeln essen – die gab es damals in Europa noch gar nicht! Deshalb halte ich mich möglichst an den Grundsatz „Write what you know“. Deshalb spielen meine Geschichten in der Jetztzeit und im Sauerland statt in schottischen Burgen im 13. Jahrhundert.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Auch hier würde ich in erster Linie erwarten: „Write what you know“. Wer ein anderes Land, eine fremde Kultur nur als Hintergrund für eine eigentlich europäische Geschichte verwendet, wird dem nicht gerecht. Es muss schon persönliche Erfahrung daraus sprechen, die Eigenarten der Menschen und der Region sollten lebendig werden, dann versteht man sicher auch ihr Denken besser.
Vermutlich geht es bei der Frage aber eher um die Positionierung des Autors. Die kommt auf seinen Mut an und die Bereitschaft, dafür auch Konflikte einzugehen. Wie gefährlich das sein kann, sieht man ja an den Ereignissen rund um das Thema Karikatur. Aber tatsächlich schreibt doch jeder Autor aus seiner persönlichen Sicht, es ist nur nicht immer so umstritten.
Meine eigene Erfahrung stammt von einem anderen Feld. Zusammen mit dem christlichen Brunnen-Verlag habe ich zwei Romane veröffentlicht, die versucht haben, die althergebrachte Sexualethik zu hinterfragen, indem die Personen sich eher so verhalten, wie ich es tatsächlich im Rahmen von Kirchen und Gemeinden erlebe. Das wurde aber durch viele christliche Buchhändler boykottiert. Letztlich ist mir nichts Schlimmeres passiert als dass die Projekte nicht so erfolgreich waren wie erhofft, aber ich habe gemerkt, dass mir dieser Gegenwind mehr ausgemacht hat als erwartet. Insofern muss man sich fragen, ob man zu so etwas bereit ist. Trotzdem finde ich, dass man (be)schreiben können sollte, was man persönlich vertritt.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Zwischen Job, Ehrenämtern in einer Freikirche und einem Sozialen Bürgerzentrum, Haushalt und Buchprojekten kommt immer der dran, der am lautesten schreit. Mein erstes Buch ist zum Beispiel innerhalb von zwei Monaten entstanden, da kann man sich vorstellen, dass in dieser Zeit nicht viel anderes Platz hatte. Andererseits braucht eine Idee aber auch oft Zeit zum „Gären“, bevor ich mich ans konkrete Schreiben machen. Deshalb kann man bei mir nicht von Struktur sprechen. Eher von einem Wunder, dass nicht manchmal alles drüber und drunter geht.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Augenblicklich habe ich mehrere Ideen in der Pipeline, aber tatsächlich mit einer Lektorin abgesprochen ist das Projekt einer Frau Anfang Fünfzig, die plötzlich mit einem jungen Asylbewerber aus dem Nahen Osten zu tun bekommt, der weder mit dem westlichen Denken noch mit seiner konkreten Situation als Emigrant ohne schützende Familie zurechtkommt. Aber da befinde ich mich noch in der Planungsphase – mal sehen, was daraus wird.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Ursula Schröder im www
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