Interview mit Verena Liebers
Geb. am 31.05.1961 in Berlin-Wilmersdorf als zweite von drei Schwestern, Studium der Biologie und Promotion in München, lebt und arbeitet seit 1990 als Wissenschaftlerin, Journalistin und Künstlerin in Bochum, leitet die Theatergruppe „VIGLis Wanderbühne“.
Diverse Buchveröffentlichungen (Romane, Kurzgeschichten) und Auszeichnungen, u.a. 1. Preis Dorstener Lyrik-Wettbewerb 2003, Stadtschreiberstipendium der Stadt Otterndorf 2005, 1. Preis des Schreibwettbewerbs Aktion Mensch 2012, Stipendium Soltauer Künstlerwohnung 2012.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Nein! Ich schreibe ja nicht gegen eine Konkurrenz an sondern ich schreibe eine Geschichte auf, die interessant ist und die in dieser Form nur ich so erzählen kann. Wenn mir die Geschichte entgleitet und ich das Gefühl bekomme „wieso sollte ich das aufschreiben?“ landet der Text in der Schublade. Manchmal bedarf es einiger Anläufe bis ich weiß, was ich gut erzählen kann. Ein gutes Buch wird nicht dadurch schlecht, dass es andere gute Bücher gibt! Ein gutes Buch wird nicht unbedingt ein Verkaufsschlager (das hängt mehr von den Vermarktungsmöglichkeiten ab), aber es wird immer irgendwo seine Leser finden. Wenn ich denke wie sehr ich manches Buch liebe, dann bin ich der Ansicht, wenn ich auch nur einen einzigen Leser derart glücklich machen kann, wie ich es mit manchem Buch bin, dann hat sich das Schreiben gelohnt!
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Auch wenn nicht immer nachvollziehbar ist, wie diese Listen entstehen, finde ich es nicht verkehrt. Es gibt sehr viele Bücher und sicher nie eine wirklich gerechte Bewertung, weil Geschmack auch verschieden ist. Aber solche Listen sind eine Diskussionsgrundlage. Meine Buchauswahl wird davon allerdings nicht beeinflusst.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Ich laufe eine Runde um den Block und: Ich habe immer mehrere Schreibprojekte parallel in Arbeit, wenn mir zu einem nichts einfällt, mache ich mit einem anderen weiter.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Ungefähr einen Nachmittag pro Woche. Da ich selbst viele Informationen via Internet recherchiere, lege ich auch Wert darauf, dort mit den eigenen Texten präsent zu sein. Aber es darf die eigentliche Schreibarbeit nicht zu sehr blockieren, ich habe deshalb auch Unterstützung bei der Website-Gestaltung.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Mund-zu-Mund-Propaganda ist in jedem Fall unschlagbar! Wer meint, dass er nur eine Rundmail versenden muss und schon stehen die Fans Schlange, liegt verkehrt. In der Regel ist ein Mix aus Facebook, Mail, Flyer, und persönlicher Kommunikation erfolgversprechend.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Beeinflusst bin ich generell von meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung und meinem wissenschaftlich-medizinischen Umfeld. Autoren, die mir wichtig sind, sind u.a. Erich Kästner, Bernhard Schlink, Rilke, Morgenstern, Fallada, aber auch Reinhold Messner……und immer das Buch, das ich gerade lese.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Es besteht ein gewisser Druck, dass zu bekannten Büchern auch Stellung bezogen werden soll. Rezensionen zu bekannten Autoren lassen sich oft gut verkaufen. Wer dagegen einen Newcomer liest und dann vielleicht auch noch enttäuscht ist, wird es schwer haben, seine Rezension zu platzieren. Es herrscht da der übliche marktwirtschaftliche Wettbewerb. Ein Buch zu lesen ist doch auch zeitfordernd und nicht so lukrativ wie andere Textarbeit. Zudem hat die Entwicklung von „book on demand“ dazu geführt, dass die Masse der auch qualitativ gar nicht guten Bücher sehr zugenommen hat. Ein bisschen mehr Selbstkritik wäre da für Autoren ratsam. Zudem könnten Texte in Literaturzeitschriften mehr als bisher für Agenten und Verlage als Auswahlkriterium verwendet werden.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Mein Weg zum Verlag führte über einen Preisgewinn: Der Verlag kam auf mich zu nachdem ich einen Literaturwettbewerb gewonnen hatte. Grundsätzlich halte ich es für ein kluges Vorgehen bei vielen Wettbewerben mit zu machen. Die Übung schadet niemanden und zugleich merkt man dabei selber, was einem mehr und weniger liegt. Auch wenn man nicht gewinnt, profitiert man. Ansonsten empfehle ich genau zu überlegen, welcher Verlag zu den eigenen Texten passt und vor Einsendung des Manuskripts telefonisch abzuklären, ob ein Exposee überhaupt geprüft wird.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Es gibt kein bestimmtes Thema, das mir schwer fällt. Aber ich merke sehr schnell, wenn ich noch nicht ausreichend recherchiert habe. Auch wenn meine Geschichten erfunden sind, ist viel Wissen nötig, zum Beispiel um Berufe zu beschreiben oder bestimmte Krankheiten. Auch Orte müssen sehr genau visualisiert werden. Wenn ein Haus an einer Stelle drei Eingangsstufen hat und an einer anderen fünf, das halte ich für einen groben Fehler.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Literatur ist immer auch ein „als-ob“, ein „Möglichkeitsraum“, der es ermöglicht Szenarien durchzuspielen, einzelne Rollen in einer Verstrickung zu beleuchten. Ich erwarte eine wache Aufmerksamkeit für das Zeitgeschehen, aber Autoren sind keine Politiker. Es muss möglich sein, heiße Eisen anzufassen, einfach um sie sichtbar zu machen. Gerade darin liegt eine Chance der Literatur, dass wir zurück treten können und unabhängig von persönlichen Ressentiments, eine Situation verstehen.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Um Gedichte aufzuschreiben, habe ich immer einen Zettel in der Hosentasche, denn manchmal weht mich ein Gedanke an und wenn ich ihn dann nicht gleicht notiere, ist er fort. Ansonsten schreibe ich regelmäßig am Abend, wenn ich Zeit habe zusätzlich am Morgen. Außerdem schreibe ich sehr gerne beim Zug fahren.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Ich schreibe einen Roman über unterschiedliche Aspekte des Laufsports. Es gibt so viele verschiedene Menschen und auch jeweils eine ganz unterschiedliche Motivation zum Laufen. Außerdem wird eine Rollstuhlfahrerin in dem Roman vorkommen und damit noch eine zusätzliche Perspektive auf die (Läufer)welt.
Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Verena Liebers im www
Als Autoren wollen wir ja an unseren Texten gemessen werden. Wenn es uns aber gelingt, auf dem Nebenweg eines Interviews, in so klugen und informativen Antworten, wie hier gebracht, mit den literarischen Texten Schritt zu halten, dann haben wir doppelt gewonnen.