Interview mit Wolfgang Brunner
Wolfgang Brunner wurde am 13. Dezember 1964 im bayrischen Freising geboren und verbrachte Kindheit und Jugend in München. 2001 zog er für 10 Jahre nach Berlin und lebt heute mit seiner Familie in Hamminkeln am Niederrhein. Schon in früher Kindheit beschäftigte sich Brunner mit Literatur und Sprache. Das Aufeinandertreffen mit dem bekannten Schriftsteller Michael Ende, dem Erschaffer der „Unendlichen Geschichte“, kann ohne weiteres als Auslöser für Brunners Entschluß, selbst Autor zu werden, gewertet werden.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Wolfgang Brunner: Solche Gedanken suchten mich heim, als ich an meinem Debüt schrieb und nicht wusste, was auf mich zukam. Da habe ich mir sicherlich Sorgen gemacht, ob mein Roman in der Fülle von Neuerscheinungen überhaupt auffallen wird. Aber je mehr Bücher ich geschrieben habe, desto weniger denke ich über Erfolg oder Misserfolg nach. Genaugenommen ist das alles ja nicht wirklich ein Konkurrenzdenken, zumindest nicht aus meiner Sicht, denn jedes gute Buch hat seine Berechtigung. Das ist im Musikgeschäft nicht anders. Da muss sich auch jeder behaupten und eine eigene Fangemeinde um sich scharen. Ich bin ziemlich sicher, dass meine Bücher, würde ich bei jedem neuen Projekt darüber nachdenken, wie ich die Aufmerksamkeit der LeserInnen gewinnen könnte, bei weitem nicht so gelingen würden, wie ich es im Sinn habe.
Das Schreiben an sich ist „meine“ Sache, erst wenn der Roman dann publiziert wird, mache ich mir Gedanken um die LeserInnen.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Wolfgang Brunner: Meine Meinung darüber kann man in meinem Horror-Roman „Nachtzug“ nachlesen. Dort unterhält sich mein Protagonist, ein Schriftsteller, mit der Mitarbeiterin einer Buchhandlung über genau dieses Thema. Ich selbst halte von diesen „gemachten“ und „inszenierten“ Bestsellerlisten nichts. Oft habe ich mich in der Vergangenheit, wie wahrscheinlich viele Menschen, von derartigen Listen beeinflussen lassen und ein grottenschlechtes Buch in der Hand gehalten, das ich nach spätestens der Hälfte abgebrochen habe. Sicherlich landen auch hin und wieder gute Bücher auf diesen Listen, aber die wirklich guten findet man meist leider in solchen Mainstream-Auswertungen nicht. Das soll keinesfalls bedeuten, dass ich jene „Bestseller“-Bücher nicht lese und auch ganz gut finde, aber ich bin dann eher der untypische Mainstream-Leser, der nicht die tausendste „abgekupferte“ Dystopie-, Vampir- oder „Was immer gerade in ist“-Geschichte verschlingt, ohne auf Qualität zu achten.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Wolfgang Brunner: Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Autoren, die eher selten mit Schreibblockaden zu kämpfen haben. Dann schon mehr mit Selbstzweifeln bzw. Arbeitsüberlastung. ;-) Mein Geheimrezept ist meine Muse respektive meine Lebensgefährtin, die mich in allen Belangen, was meine Schreiberei betrifft, uneingeschränkt unterstützt. So einen Menschen in seiner Nähe zu haben, ist unglaublich wichtig, hilfreich und vor allem motivierend. An unzähligen Abenden im Jahr diskutieren wir über meine Projekte, redigieren Manuskripte, überlegen uns Plots für Buchtrailer und so weiter…
Wolfgang Brunner: Außerdem gibt es dann noch einen weiteren, enorm gewichtigen Aspekt: Musik! Musik ist Inspiration pur für mich und rettet mich in der Regel aus sämtlichen, oben erwähnten Durchhänger-Problemen. Auf meiner Homepage kann man sogar nachlesen, wie mich Musik bei meinen Romanen inspiriert, denn zu jedem Projekt stelle ich mir einen eigenen Soundtrack aus diversen Songs zusammen, die ich in Zusammenhang mit meinem geplanten Plot bringe. Diese Zusammenstellung höre ich dann während des gesamten Schreibvorganges und schließe so Schreibblockaden in den meisten Fällen aus.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Wolfgang Brunner: Mittlerweile ist eine Internetpräsenz in der Tat äußerst wichtig, wobei ich Lesungen, bei denen die LeserInnen den Autor persönlich kennenlernen können, nicht unterschätzen würde. Persönlich ist immer noch besser als Internetkontakt. Aber um zur eigentlichen Frage zu kommen: Die „Backoffice“-Arbeiten nehmen einen sehr hohen Anteil an meiner schriftstellerischen Tätigkeit in Anspruch. Zum einen soll die Homepage natürlich immer auf dem aktuellsten Stand sein und nicht „verlottern“, zum anderen gilt es aber auch, Kontakte zu LeserInnen und/oder solchen, die es noch werden sollen, via Facebook und Twitter zu pflegen. Das alles braucht seine Zeit, ist aber nötig, wobei es den Schriftsteller von seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich Bücher zu schreiben, immer mehr abhält. Ein paar Dinge kann ich delegieren, aber der Großteil bleibt an mir hängen. Aber, wenn ich ehrlich bin, machen auch diese Arbeiten meistens Spaß.
Wolfgang Brunner: Außerdem versuche ich seit einiger Zeit, meine Lesungen etwas außergewöhnlicher als sonst zu gestalten: Im Oktober fanden zum Beispiel zwei Lesungen in Verbindung mit einem Konzert der Mannheimer Art Rock Band „Alias Eye“ statt. Diese Kombination aus Lesung und Konzert wurde Ende Februar 2015 dann in den Solinger Güterhallen sozusagen „perfektioniert“. Die Elektronikband „Pyramid Peak“ vertonte meinen Roman „Der Schmetterlingsmann“ und gemeinsam führten wir eine Art „Hörspiel“-Event auf. Die Planung solcher Ereignisse ist natürlich sehr zeitintensiv, macht aber auch ungeheuer Freude.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Wolfgang Brunner: Da bin ich eher altmodisch und setze noch immer auf die gute, alte Mundpropaganda. Dieses „Schneeball“-System ist meiner Meinung nach noch immer der ehrlichste Weg, um einen Bekanntheitsgrad zu erlangen, der darauf beruht, dass die Menschen, die einen an Freunde und Bekannte (oder auch im Internet) weiterempfehlen, dies mit gutem Gewissen tun, weil sie die Arbeit des Autors eben schätzen. Aufdringliche Emails, Postings haben da für mich eher einen faden Beigeschmack, weil sie zu sehr nach „Bettelei“ aussehen. Gut Ding will Weile haben, daher würde ich als Neuling genauso Marketing betreiben, wie ich es zu meiner Anfangszeit getan habe: ehrliche Meinungen sammeln und sich in Geduld üben, auch wenn es schwerfällt. Und Lesungen abhalten, wann und wo es nur geht, denn nur so erreicht man die Menschen und kann sie mit seinen Geschichten persönlich überzeugen. Auch wenn dieser Marketing-Weg ein langer ist, so lohnt er sich am Ende.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Wolfgang Brunner: Diese Frage wird sehr oft gestellt und in meiner Liste finden sich Autoren, die auch viele andere Schriftsteller inspiriert haben: Michael Ende, J.R.R. Tolkien, Dan Simmons, Samuel R. Delany, Tad Williams, Clive Barker, Richard Adams, Stephen King, Iain Banks … Diese Liste ließe sich fast ins Endlose fortsetzen, denn genau genommen, inspiriert fast jedes Buch und lässt eine eigene Idee entstehen, die einen nicht mehr loslässt. Von einer echten Beeinflussung, was mein Autorendasein und meinen Schreibstil betrifft, würde ich an den ersten drei Stellen Michael Ende, J.R.R. Tolkien und Iain Banks nennen. Durch die Begegnung mit Ende in den ausgehenden 80er Jahren wurde ich selbst zum Schriftsteller, durch Tolkien wurde meine Fantasie geweckt und durch Banks lernte ich die Wucht und Magie von Worten kennen. Sie sind meine literarischen Väter …
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Wolfgang Brunner: Das ist in der Tat ein großes „Problem“, das ich selbst nicht verstehe. Wer einmal, wie auch immer, durch den Erfolgsraster gefallen ist, hat Feuilleton-mäßig ausgesorgt. Die Zeitungen trauen sich selten an Newcomer und unbekanntere Autoren ran. Das ist aber ein Teufelskreislauf, denn alle fangen irgendwann „klein“ an und landen nicht mit ihrem ersten Roman einen (vielleicht sogar mediengesteuerten) „Bestseller“. Das Leben ist in dieser Hinsicht einfach ungerecht. Die großen Zeitungen könnten zum Beispiel wöchentliche Serien starten, um dort Indie-Autoren vorzustellen. Es gäbe viele Möglichkeit, um das weite Spektrum guter unbekannter Bücher bekannter zu machen, aber die Medien haben sich wahrscheinlich auf die „Größen“ der Branche eingeschossen. Das ist bei den Buchautoren nicht anders wie bei den Musikern oder Schauspielern.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Wolfgang Brunner: Auf keinen Fall etwas überstürzen. Man sollte sein Werk Ernst nehmen und an allen Ecken und Kanten feilen, bis man wirklich selbst damit zufrieden ist. Es nützt nämlich nichts, wenn man voller Stolz sein erstes Buch in Händen hält und bereits wenige Tage später vernichtende Kritiken dafür bekommt, weil vieles unausgereift ist. Sicherlich passieren Fehler in einem Buch, das zeigt uns einer der größten Verlag HEYNE immer wieder, aber sie sollten sich zumindest im Rahmen halten und sich nicht auf jeder Seite tummeln. Das wirft ein sehr schlechtes Bild auf den Autor und das sollte vermieden werden. Der geneigte Leser wird über fehlende Kommasetzungen oder Buchstabenverwechsler hinwegsehen, wenn sie sich in Grenzen halten, denn in erster Linie ist der Inhalt wichtig. Aber Grammatik und Interpunktion ist dennoch bedeutsam und darauf sollte man achten. Ein sehr wichtiger Punkt ist auch der Umgang mit Kritik. Wenn sie berechtigt ist, sollte sie sich zu Herzen genommen werden. Man sollte sich die angesprochenen Punkte durch den Kopf gehen lassen und darüber nachdenken. Oft sieht man die eigenen Fehler ein und sollte dankbar für solch ehrliche Hinweise sein. Schmollen ist da fehl am Platz. Für unberechtigte, unsachliche Kritik sollte man sich eine Elefantenhaut zulegen und sich darauf einstellen, dass es (leider) viele Neider gibt, die einem einen etwaigen Erfolg nicht gönnen.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Wolfgang Brunner: Wer sich meine veröffentlichten Bücher ansieht, wird schnell merken, dass ich mich keinem Genre verschrieben habe, sondern alle möglichen Richtungen bediene. Sex-Szenen habe ich schon geschrieben, da tue ich mich überhaupt nicht schwer, genauso wenig wie bei der Beschreibung von Gefühlen. Ich liebe das Schreiben und fühle mich bei blutigen Horrorszenen genauso wohl wie bei einfühlsamen Liebesbeschreibungen oder dramatischen Vorfällen. Schreiben ist Leben. Und im Leben habe ich in der Regel mit bestimmten Themen oder Situationen auch kein Problem.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Politik ist wie Religion ein rotes Tuch für mich. Aus beiden Themen halte ich mich privat und schriftstellerisch heraus. Das können andere besser. Ich wende mich da lieber für mich wichtigeren Dingen zu und behandle emotionale oder spannende Themen in meinen Büchern. Was Politik und Religion in der Welt anrichten, hat in meinen Geschichten nichts verloren.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Wolfgang Brunner: Ich habe in der Regel feste Schreibzeiten, die in den frühen Morgenstunden stattfinden. Da bin ich am produktivsten und ehrgeizigsten. Wenn ich Zeit habe und der Schreibfluss gerade enorm gut ist, sitze ich auch schon mal 7 bis 9 Stunden durchgehend am Schreibtisch. Das ist aber eher selten. Normalerweise widme ich mich morgens dem Schreiben und den Rest des Tages allen anderen, damit zusammenhängenden Arbeiten wie Redigieren, Marketing etc.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Wolfgang Brunner: Ende Februar erscheint der dritte Teil des Kim Schepper-Zyklus mit dem Titel „Kim Schepper und das Weinen der Zeit“ und meine philosophische Liebeserklärung „Der Schmetterlingsmann“ als Taschenbuch. Im Gegensatz zu meinen Anfängen schreibe ich meistens an mehreren verschiedenen Projekten gleichzeitig. Momentan steht die Veröffentlichung des letzten Teils meiner Cryptanus-Trilogie, in der es um ein Leben nach dem Tod geht, an und danach geht eines meiner älteren Werke aus dem Jahr 2009, ein Horror-Roman mit dem Titel „Die Amduat-Pyramide“, an den Start.
Aktuell schreibe ich an vier Projekten: „Kim Schepper und die Angst der Erde“ ist der fünfte und abschließende Teil meines All-Age-Zyklus, der posthum Michael Ende gewidmet ist. „Scary Monsters“ ist eine trashige, blutige Hommage an die Horrorfilme der 80er Jahre und den fantastischen Schriftsteller Richard Laymon, „Die Wahrscheinlichkeit der Liebe“ bekommt einen leichten Touch von John Irving, den ich übrigens auch sehr verehre. Und „Parr“ ist die Zusammenfassung meiner Cryptanus-Trilogie aus einer völlig anderen Sichtweise. Mir wird es in nächster Zeit nicht an Arbeit mangeln, zumal auch noch fünf weitere, bereits fertiggestellte Rohfassungen auf eine Überarbeitung und Publizierung warten.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Weitere Hintergründe zum Autor
Wolfgang Brunner unterwirft sich, wie auch einst sein literarisches Vorbild, keinem festen Genre und schreibt daher Geschichten in verschiedenen Richtungen. Brunner ist Mitglied im FDA – Freier Deutscher Autorenverband (Schutzverband Deutscher Schriftsteller Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.) Zusammen mit anderen Schriftstellern ist er als Freelancer in der von Ralf Isau gegründeten Agentur für Texterstellung „Phantagon“ tätig.