Carola Huber ist in Hamburg geboren, lebt jetzt aber in ihrer Wahlheimat Bonn. Oder wie wir Hamburger sagen würden: Im freiwilligen Exil. Sie arbeitet als PR-Fachfrau, Coach und Ghostwriterin für ein Karriereportal. Aktuell wird ihr erster Kriminalroman lektoriert, der unter Karla Holm veröffentlicht wird. Im Herbst 2012 ist ihr Buch „Männerbekenntnisse. Wie Männer Beziehungen leben“ erschienen. Wenn sie nicht gerade arbeitet, ist sie sehr gerne in der Natur unterwegs oder reist zu wunderschönen Gegenden wie beispielsweise in die Bodenseeregion. Ganz oben auf ihrer Reiseliste steht Venedig. Irgendwie braucht sie immer Wasser um sich herum…
FaBü: Wenn es um Indieautoren und eBooks geht, wird der Öffentlichkeit hierzulande ein schizophrenes Bild geboten: Einerseits präsentieren bekannte Medienhäuser wie DER SPIEGEL die Tellerwäscher-zum-Millionär-Storys von Selfpublishern wie Amanda Hocking, die erfolgreicher sind als viele Verlagsautoren. Andererseits nehmen just dieselben Medien solche Autoren in den Bestsellerrankings nicht wahr. Warum diese Ignoranz?
Carola Huber: Hm. Wenn es ein Autor schafft, ohne Verlag erfolgreich zu sein, mittels PR und Netzwerk, dann erschließen sich ihm daraus viele weitere, vor allem finanzielle Möglichkeiten. Die Verhandlungsbasis ist dann einfach eine ganz andere! Wenn ich ein No-name bin, muss der Verlag sehr viel in die Werbung stecken. Muss das Buch und den Autor promoten. Auch wenn das Buch gut ist, muss es erst bekannt gemacht werden, damit es im Ranking möglichst auf die ersten zehn Plätze rutscht. Warum sollte eine gewachsene Verlagsstruktur ein großartiges Buch eines Selfpublishers in ihre eigenen Bestsellerrankings aufnehmen, wenn sie nichts daran verdient? Vielleicht macht eine Selfpublisher-Bestsellerliste Sinn…? (oder gibt es die schon, ich habe mich damit noch nicht abschließend befasst, muss ich zugeben…)
FaBü: Muss man nicht vielleicht auch die Genres wenigstens zum Teil mit verantwortlich machen? Leicht verdauliche Unterhaltungsliteratur, z. B. aus dem Fantasybereich, liegt bei eBooks im Trend. Sie genießt aber auch nicht dasselbe Ansehen, wie Romane, die gesellschaftliche Themen verarbeiten. Von Liebesromanen ganz zu schweigen.
Carola Huber: Klar, Fantasy ist sehr beliebt bei Ebooks – die meisten Leser und Leserinnen sind jüngeren Alters, und da werden schnell mal fünf neue Ebooks für 0,99 Euro und fünf für umsonst heruntergeladen. Mit dem Lesestoff kann man dann für eine Woche oder so in komplett andere Welten abtauchen. Der Preis passt zum Budget der Leserschaft.
Ich höre oft, dass Bücher deshalb gerne gekauft werden, weil man etwas fühlen möchte. Und gerade bei emotionalen Themen ist dieser Aspekt nicht unerheblich. Ich selbst habe gerne Bücher auf dem Couchtisch liegen, weil sie schön anzusehen und anzufassen sind. Und das hat gerechtfertigterweise seinen Preis.
FaBü: Du hast es ja jetzt selbst schon angesprochen – ein Thema das Indieautoren ebenso wie die ganze eBook-Branche umtreibt, ist der Preis. Also wenn Du an die 99-Cent-eBooks denkst, oder an die Kindle-Tages-Deals: Wie beurteilst Du das?
Carola Huber: Ja, das ist okay, finde ich. Jeder findet seinen Markt. Es sind immer die Fragen: Was ist der Inhalt des Buches? Was ist meine Zielgruppe – für wen habe ich das Buch geschrieben? Und welches Budget steht meiner Zielgruppe zur Verfügung? Von Veröffentlichungen zum Nuller halte ich nichts. Da fällt mir immer der Spruch ein: „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Ob das nun stimmt oder nicht. Und da stellt sich die Frage: Wie lange habe ich für dieses Buch recherchiert? Wie viele Stunden habe ich dafür aufgebracht? Und wie viel Herzblut hängt daran? Mir würde es wehtun, etwas, das ich geschaffen habe, und Schreiben ist ein Business, komplett zu verschenken. Der Preis, der für ein Werk bezahlt wird, drückt auch Wertschätzung aus.
FaBü: Wenn wir mal eine provokant zugespitzte Kritik äußern dürfen: Wenn eBook-Autoren ihre ohnehin nicht-stofflichen Produkte zu Preisen aus dem 1-€-Shop anbieten, sollten Sie sich vielleicht nicht wundern, wenn z. B. der SPIEGEL nicht bereit ist, diese mit gebundenen 25 €-Werken von Jonathan Franzen & Co. in ein Ranking zu stellen!
Carola Huber: Um alteingesessene Riten aufzuweichen bedarf es viel Zeit und eine Menge von großartigen Erfolgen seitens der Selfpublisher. Möglicherweise passiert es irgendwann einmal, dass ein 1-€-Buch auf dem ersten Platz landet, wer weiß das schon? Ich weiß, dass ist schon sehr fiktiv gesprochen. Ich finde dieses Bild allerdings schöner als zu denken: „Das klappt niemals.“ Obwohl das möglicherweise näher an der Realität ist.
FaBü: Wie wird nach Deiner Einschätzung der eBook-Trend – im Verein mit den von Verlagen emanzipierten Indieautoren – die Verlagswelt beeinflussen?
Carola Huber: Verlage stehen gar nicht so auf Ebooks, das ist meine Einschätzung. Wenn ein Verlag ein Ebook herausbringt, dann mit dem Hintergedanken, die Story und den Autor zu testen. Ob das Buch vom Markt angenommen wird. Wie stark der Autor die Werbetrommel rühren (kann). Bei neuen Autoren wird das sehr häufig so gemacht. Ich denke, die Mehrheit der Verlage veröffentlicht zunächst das haptische Buch.
FaBü: Immerhin sind die Verlage für die Qualitätskontrolle gut. Auch wenn bei denen sicher vieles nicht durch die Firewall kommt, was wohl veröffentlichungswürdig ist und umgekehrt Werke gefördert werden, die besser nie das Tageslicht sehen sollten. Über das Selfpublishing wird natürlich jetzt auch viel, viel Unsinn publiziert. Brauchen wir Qualitätsstandards und wie könnten die aussehen?
Carola Huber: Qualitätsstandards, eine gute Idee! Aber wo fangen wir an? Wer entscheidet darüber? Beliebtes Beispiel: J. K. Rowling. Kein Verlag wollte das Buch. Dann nahm es einer und machte was draus. Ob einer der Verlage, die das erste Buch abgelehnt hatten, es zum gleichen Erfolg hätte führen können, sei dahingestellt. Was ich damit sagen will: Ein Manuskript muss auf einen Lektor treffen, der ein Kribbeln im Bauch verspürt und der instinktiv weiß: Das ist es! Jetzt packen wir instinktives Bauchgefühl in einen Qualitätsstandard. Vielleicht wäre es gut, wenn das gelänge, weil wir immer gerne alles geregelt haben wollen. Aber ich sage: „Wie schön dass das nicht unbedingt funktioniert!“ Bei der Kunst, dem Schreiben, der Musik… da hört es mit den Regeln bis ins Detail auf. Das ist sehr erholsam!
FaBü: Kommen wir zur letzten Frage. Im Web gibt es manchmal eine Diskussion, die wir ziemlich abstrus finden: Der Kampf Papierbuch gegen eBook. Viele hängen sich z. B. dieses „i pledge to read the printed word“-Button auf ihren Blog. Wir finden das eBook ist längst etabliert, aber weniger als Alternative, denn als Ergänzung. So wie Taschenbücher die gebundenen Ausgaben ergänzt haben. Wie siehst Du das? Geht mit dem eBook das traditionelle Buch unter?
Carola Huber: Nein, sicher geht das traditionelle Buch nicht unter. Schmecken, riechen, sehen, hören und fühlen – unsere Sinnesorgane möchten bedient werden! Ein passionierter Leser liebt das Gefühl von Papier in den Händen. Er liebt das Umblättern. Schreibt Notizen ins Buch oder unterstreicht Sätze, die ihn berühren. Knickt Eselsohren hinein und streicht sie wieder hinaus. Fühl-Menschen werden immer ein Buch haben wollen.
FaBü: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg.