Auch so lässt sich die Elternzeit also nutzen: Dana Graham, multitaskingfähig und hochproduktiv, nutzte die freien (Nacht-)Stunden, um ihre Ideen zu einem Roman zu Papier zu bringen. Oder auf den Computer muss man wohl sagen – sie veröffentlicht höchst erfolgreich eBooks.
1975 wurde Dana geboren und lebt mit ihrer Familie in einer Kleinstadt in Südhessen. Nach Abschluss ihres Pädagogik- und Geschichtsstudiums unterrichtete sie bis zur Geburt des zweiten Kindes an Grund- und Förderschulen. Als Selfpublisher veröffentlichte sie bisher drei Liebesromane: Sie veröffentlichte die historischen Liebesromane „GreystoneSaga; Mit Schwert und Feder“ und „GreystoneSaga; Das rote Band“ sowie „Sophias Krieger“. Im Moment bereitet sie den letzten Teil der GreystoneTrilogie vor und schreibt an einem Buch im Bereich Romantic Fantasy.
Fabelhafte Bücher: Wenn es um Indieautoren und eBooks geht, wird der Öffentlichkeit hierzulande ein schizophrenes Bild geboten: Einerseits präsentieren bekannte Medienhäuser wie DER SPIEGEL die Tellerwäscher-zum-Millionär-Storys von Selfpublishern wie Amanda Hocking, die erfolgreicher sind als viele Verlagsautoren. Andererseits nehmen just dieselben Medien solche Autoren in den Bestsellerrankings nicht wahr. Warum diese Ignoranz?
Dana Graham: Diese verzerrte Darstellung hat meines Erachtens zwei Gründe. Zum einen haftet den Selfpublishern leider immer noch ein schlechtes Image an: Erfolglose Hobbyautoren, die ihre Gedanken unstrukturiert und fehlerhaft zu Papier bringen. Doch das ist ein Klischee, das längst nicht mehr zutrifft. Viele Selbstverleger haben verstanden, dass sie sich professionalisieren müssen, um von den Lesern – aber auch von den Medien – ernst genommen zu werden. Zum anderen ist zu beachten, wie die Bücherrankings ermittelt werden. Die SPIEGEL-Bestsellerliste orientiert sich nach eigenen Angaben an den Verkaufszahlen von 500 stellvertretend ausgesuchten Buchhandlungen – Orte, an denen man selten Werke von Selfpublishern findet. Die flächendeckende Belieferung des stationären Buchhandels mit gedruckten Büchern (bzw. die Auslage ihrer Werke dort) ist noch ein großes Problem für viele Selbstverleger und in Folge die „Nicht-Sichtbarkeit“ für alle Leser, die ihre Literatur jenseits von Amazon & Co. kaufen. Mediale Aufmerksamkeit haben die Selfpublisher dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse erfahren, wo erstmalig ein Wettbewerb für Selbstverleger ausgeschrieben worden ist, über den sogar die Tagesschau berichtete.
Fabelhafte Bücher: Muss man nicht vielleicht auch die Genres wenigstens zum Teil mit verantwortlich machen? Leicht verdauliche Unterhaltungsliteratur, z. B. aus dem Fantasybereich, liegt bei eBooks im Trend. Sie genießt aber auch nicht dasselbe Ansehen, wie Romane, die gesellschaftliche Themen verarbeiten. Von Liebesromanen ganz zu schweigen.
Dana Graham: Das Genre dafür verantwortlich zu machen, dass Selfpublisher in den Rankings und den Medien nicht auftauchen, halte ich für unzutreffend. War es in den letzten Jahren nicht gerade die „leichte Unterhaltungsliteratur“, die für Aufsehen sorgte und die ehrwürdigen Bestsellerlisten durcheinanderwirbelte (Twilight Saga, Harry Potter usw.)? Natürlich weiß ich als Autorin von Liebesromanen, dass ich keine „Weltliteratur“ schreibe, aber das ist auch nicht mein Ziel. Auch wenn viele über solche Liebesschmonzetten abfällig den Kopf schütteln – sie werden dennoch eifrig gekauft. Und beim E-Book muss man nicht einmal mehr verschämt das Cover verdecken …
Fabelhafte Bücher: Ein Thema das Indieautoren ebenso wie die ganze eBook-Branche umtreibt, ist der Preis. Also wenn Du an die 99-Cent-eBooks denkst, oder an die Kindle-Tages-Deals: Wie beurteilst Du das?
Dana Graham: Das ist eine Frage, mit der ich mich täglich beschäftige, denn die Preisgestaltung ist ein wichtiges Marketinginstrument. Ich selbst habe auch meinen Debütroman einmal einen Tag lang kostenlos angeboten. Die Downloadzahlen waren hoch, die Verkäufe in den folgenden Wochen gut und ich habe positives Feedback erhalten. Leider hatte das Ganze einen bitteren Beigeschmack: Ich habe die Arbeit von über einem Jahr einfach verschenkt. Mir persönlich ist es wichtig, meinen Lesern die Qualität zu bieten, die sie von Verlagsbüchern gewohnt sind.
Das bedeutet, ich lasse meine Bücher mehrfach gegenlesen, bevor ich sie in ein professionelles Lektorat gebe. Auch für die Anfertigung von Zeichnungen, Landkarten und teilweise auch des Covers beauftrage ich Fachleute. Alle diese Leistungen muss ich bezahlen, wozu ich gerne bereit – obwohl mir niemand garantiert, dass mein Buch ein Erfolg wird und ich meine Kosten decken kann. Das Wort Verlag leitet sich von „vorlegen“ ab – Geld vorlegen. Als Selfpublisher trage ich das finanzielle Risiko selbst. Ein Buch unter Wert oder gar umsonst anzubieten, schmerzt sehr – manchmal ist es jedoch die einzige Möglichkeit, in der Masse überhaupt wahrgenommen zu werden.
Allerdings steigt dadurch die Gefahr, dass Leser nur noch auf „Schnäppchen“ oder kostenlose Angebote lauern. Dabei finde ich drei oder vier Euro für ein vierhundert Seiten starkes, qualitativ einwandfreies Buch nicht überteuert. Man überlege, wie viel Euro man für eine Tasse Kaffee in einem Café bezahlt. Es wäre schön, wenn unsere schriftstellerische Arbeit über das Bezahlen eines vernünftigen Preises anerkannt werden würde. Außerdem kann ich als Autorin nur so meinen Anspruch an Qualität halten und im besten Fall davon auch leben.
Fabelhafte Bücher: Wenn wir mal eine provokant zugespitzte Kritik äußern dürfen: Wenn eBook-Autoren ihre ohnehin nicht-stofflichen Produkte zu Preisen aus dem 1-€-Shop anbieten, sollten Sie sich vielleicht nicht wundern, wenn z. B. der SPIEGEL nicht bereit ist, diese mit gebundenen 25 €-Werken von Jonathan Franzen & Co. in ein Ranking zu stellen!
Dana Graham: In den SPIEGEL-Rankings werden generell keine E-Books aufgeführt – weder von Verlagen noch von Selfpublishern. Die Liste im SPIEGEL-Magazin bezieht sich auf Hardcover, bei SPIEGEL-online findet man die Liste für Taschenbücher (hier tauchen dann auch die Liebesromane auf!). Interessant wäre eine zusätzliche Liste für E-Books, die sich aus den Zahlen der großen Internetverkaufsplattformen zusammensetzt (Amazon, Thalia, Weltbild, Apple-Store usw.) Zu fragen ist, warum ein solches Ranking bisher nicht existiert, und welche Interessen dahinter stehen, wenn ein Teil der verkauften Literatur einfach ausgeblendet wird – denn E-Books gehören inzwischen zur Realität!
Des Weiteren sollen Bestsellerlisten das Kaufverhalten der Leser abbilden und keine Aussage zur Qualität der Werke geben – das ist die Aufgabe der Buchkritiker. Dumping-Preise werden auch unter Selfpublishern kritisch diskutiert. Die Befürchtung, dass dadurch die Preise langfristig kaputt gemacht werden, ist hoch, ebenso die Sorge, dass billige E-Books in den Augen der Leser mit „Ramsch“ gleichgesetzt werden – und damit dem Ansehen der Selbstverleger schaden.
Fabelhafte Bücher: Wie wird nach Deiner Einschätzung der eBook-Trend – im Verein mit den von Verlagen emanzipierten Indieautoren – die Verlagswelt beeinflussen?
Dana Graham: Das passiert bereits! Viele namhafte Verlage gründen sogenannte „Imprint“-Labels bzw. es entstehen neue Verlage, die ausschließlich E-Books vertreiben. Leser kaufen Titel von Autoren, nicht von Verlagen – auch wenn natürlich jeder Verlag für ein gewisses Programm an Büchern steht. Ich kann ihnen die Buchtitel meiner Lieblingsautoren aufzählen – bei welchem Verlag der jeweilige Roman erschienen ist, nicht. Ich bin mir sicher, viele meiner Leser wissen überhaupt nicht, dass ich „Indie-Autorin“ bin – und es interessiert sie auch nicht. Für sie zählt einzig eine gute Geschichte.
Inzwischen gibt es übrigens immer mehr Autoren, die beide Wege beschreiten: Sie veröffentlichen bei einem Verlag und sind gleichzeitig Selfpublisher – manche unter Pseudonym, manche auch unter ihrem bekannten Namen. Die Entwicklung wird meiner Ansicht nach dahin gehen, dass Verlage ihre E-Book-Sparte ernster nehmen und ausbauen sowie teilweise die Preise für ihre E-Books drastisch senken werden. Damit wären dann Selfpublisherbücher und viele Verlagsbücher preislich erst einmal nicht mehr voneinander zu unterscheiden …
Fabelhafte Bücher: Immerhin waren die Verlage für die Qualitätskontrolle gut. Auch wenn bei denen sicher vieles nicht durch die Firewall kam, was wohl veröffentlichungswürdig war und umgekehrt Werke gefördert wurden, die besser nie das Tageslicht gesehen hätten. Über das Selfpublishing wird natürlich jetzt auch viel, viel Unsinn publiziert. Brauchen wir Qualitätsstandards und wie könnten die aussehen?
Dana Graham: Auch ich bin immer wieder erstaunt, was durch Selfpublishing auf den Markt kommt – und teilweise entsetzt über die Fehlerhaftigkeit, das Niveau und das Layout dieser Werke. Trotzdem verkaufen sich einige dieser Bücher erstaunlich gut. Hier liegt für mich die zentrale Frage: Natürlich schaden schlechte Bücher dem Ruf der Selfpublisher und verärgern Leser. Aber wer hat das recht, über Qualität zu urteilen? Was ich persönlich als abschreckend empfinde, kann jemand anderem glückliche Lesestunden bescheren.
Verlage haben eine Wächterfunktion und geben damit vor, „was“ gelesen wird. Manuskripte, obwohl sie gut sind, werden abgelehnt, weil sie sich nicht einem klassischen Genre zuordnen lassen oder dem neusten Trend entsprechen. Der Selfpublishermarkt ist frei: Jeder darf veröffentlichen, was ihm am Herzen liegt. Natürlich bringt das viel Fragwürdiges hervor – aber sollten wir die Leser nicht selbst beurteilen lassen, was davon sie lesen möchten? Auf Amazon (die Verkaufsplattform, auf der man die meisten Werke von Selfpublishern findet) gibt es beispielsweise sehr ausführliche Leseproben, die man sich kostenlos herunterladen kann. Dazu findet man Rezensionen, und auch die oft vorhandene Autorenhomepage lässt Rückschlüsse auf die Art und den Anspruch des Schaffenden zu. Sich „Indie“-Literatur zuzuwenden, ist spannend: Man bekommt eben nichts Vorselektiertes, sondern muss sich selbst eine Meinung bilden. Dabei entdeckt man Kurioses, Ungewohntes und manchmal kann man nur den Kopf schütteln. Oft findet sich aber auch eine Perle – und ein neuer Lieblingsautor.
Fabelhafte Bücher: Kommen wir zur letzten Frage. Im Web gibt es manchmal eine Diskussion, die wir ziemlich abstrus finden: Der Kampf Papierbuch gegen eBook. Viele hängen sich z. B. dieses „i pledge to read the printed word“-Button auf ihren Blog. Wir finden das eBook ist längst etabliert, aber weniger als Alternative, denn als Ergänzung. So wie Taschenbücher die gebundenen Ausgaben ergänzt haben. Wie siehst Du das? Geht mit dem eBook das traditionelle Buch unter?
Dana Graham: Das E-Book wird das traditionelle Buch genauso wenig verdrängen wie das Fernsehen das Kino. Ich finde diese Diskussion mühsam – jeder hat seine Vorlieben, und die gilt es zu respektieren. Für mich ist das E-Book auf Reisen unersetzlich geworden, weil es mir schwere Koffer erspart, und inzwischen greife ich auch privat immer öfter zu meinem Reader. Bei beruflicher Fachliteratur hingegen ziehe ich ein „Holzbuch“ vor. Ich empfinde es für mich als übersichtlicher und kann damit besser arbeiten.
Zwei positive Aspekte des E-Books möchte ich noch erwähnen. Auf meinen Lesungen habe ich erfahren, dass viele ältere Menschen einen E-Reader erwerben. Die Möglichkeit, die Schrift groß zu stellen, erlaubt ihnen wieder lange zu lesen – und nicht nur mehr auf die geringe Auswahl von Großdrucken angewiesen zu sein oder eine Lupe benutzen zu müssen. Jugendliche – die meist knapp bei Kasse sind – lesen auf ihrem Smartphone. Sie müssen also kein Geld für einen Reader ausgeben und profitieren von (im Vergleich zum Taschenbuch) günstigeren E-Book-Ausgaben. Meine eigenen Romane habe ich bisher als E-Book und als Taschenbuch veröffentlicht, um allen Lesebedürfnissen gerecht zu werden. Und gegenüber den E-Books besitzen die Taschenbücher einen unbestreitbaren Vorteil: Man kann sie einfacher signieren.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg.