Matthias Matting, geboren 1966, ist Journalist und einer der erfolgreichsten deutschen Self-Publishing-Autoren. Für sein eBook „Reise nach Fukushima“ erhielt der Physiker den 2011 erstmals ausgeschriebenen Buchpreis „derneuebuchpreis.de“ in der Kategorie
Sachbuch. Er hat über 40 Bücher im Self-Publishing veröffentlicht und ist Autor des offiziellen Amazon-Bestsellers 2011. Zuletzt erschien von ihm der Roman „Beisha – Getötet“. Auf selfpublisherbibel.de gibt Matting seine Erfahrungen als eBook-Autor weiter. Im Moment schreibt er „Die neue Biographie des Sonnensystems“, die noch im Juni erscheinen wird.
FaBü: Wenn es um Indieautoren und eBooks geht, wird der Öffentlichkeit hierzulande ein schizophrenes Bild geboten: Einerseits präsentieren bekannte Medienhäuser wie DER SPIEGEL die Tellerwäscher-zum-Millionär-Storys von Selfpublishern wie Amanda Hocking, die erfolgreicher sind als viele Verlagsautoren. Andererseits nehmen just dieselben Medien solche Autoren in den Bestsellerrankings nicht wahr. Warum diese Ignoranz?
Matthias Matting: Es gibt einfach kein seriös erstelltes Bestsellerranking für eBooks. Die einzigen eBook-Charts, die Medien wie Spiegel oder FOCUS beziehen können, berücksichtigen erstens Titel unter drei Euro nicht und zählen zweitens Verkäufe bei Amazon nicht. Ich arbeite bei selfpublisherbibel.de gerade daran, das zu ändern.
Beste Bücher: Muss man nicht vielleicht auch die Genres wenigstens zum Teil mit verantwortlich machen? Leicht verdauliche Unterhaltungsliteratur, z. B. aus dem Fantasybereich, liegt bei eBooks im Trend. Sie genießt aber auch nicht dasselbe Ansehen, wie Romane, die gesellschaftliche Themen verarbeiten. Von Liebesromanen ganz zu schweigen.
Matthias Matting: Die Bestsellerlisten fragen nicht nach dem Genre. „Shades of Gray“ genießt auch kein besonderes Ansehen, ist aber natürlich überall berücksichtigt. Nein, die Genres sind nicht das Problem, sondern das Verfahren, nach dem die Listen zusammengestellt werden.
FaBü: Ein Thema, das Indieautoren ebenso wie die ganze eBook-Branche umtreibt, ist der Preis. Also wenn Du an die 99-Cent-eBooks denkst, oder an die Kindle-Tages-Deals: Wie beurteilst Du das?
Matthias Matting: Ich sehe das positiv. Die Buchpreisbindung verhindert in Deutschland eh schon viele interessante Experimente, zum Beispiel dass Leser den Preis eines Buchs selbst festlegen können, je nachdem, was es ihnen wert ist. Der Preis ist eines der Marketinginstrumente, das Verlage wie auch Self Publisher gern nutzen. Da ist es schade, dass Amazon die Kindle-Deals z.B. nur Verlagen anbietet.
FaBü: Wenn wir mal eine provokant zugespitzte Kritik äußern dürfen: Wenn eBook-Autoren ihre ohnehin nicht-stofflichen Produkte zu Preisen aus dem 1-€-Shop anbieten, sollten sie sich vielleicht nicht wundern, wenn z. B. der SPIEGEL nicht bereit ist, diese mit gebundenen 25 €-Werken von Jonathan Franzen & Co. in ein Ranking zu stellen!
Matthias Matting: Natürlich nicht. Der Spiegel gibt Taschenbüchern für 10 Euro ja auch ein eigenes Ranking, ebenso wie er ein eigenes eBook-Ranking führt (als eBook kostet Franzen übrigens auch keine 25 Euro). Man darf sich aber schon wundern, warum die Verkaufszahlen der beiden Anbieter mit zusammen 75 Prozent Marktanteil, Amazon und Apple, in den eBook-Charts keine Rolle spielen.
FaBü: Wie wird nach Deiner Einschätzung der eBook-Trend – im Verein mit den von Verlagen emanzipierten Indieautoren – die Verlagswelt beeinflussen?
Matthias Matting: Die Rolle der Verlage wird sich ändern. Sie werden wieder zum Dienstleister der Autoren, wie sie es früher auch schon sehr erfolgreich waren. Sie sind aber keine Torwächter mehr vor den heiligen Hallen der Literatur. Wenn ein Autor am liebsten schreibt, nichts anderes, sucht er sich einen Verlag, der ihm den Rest der Arbeit abnimmt und dafür einen Honoraranteil bekommt. Wenn der Autor Spaß an Marketing, Layout, Covergestaltung usw. hat, dann braucht er keinen Verlag. Die nötigen Dienstleister, Lektoren usw., kann sich auch jeder Autor leisten, zumal sie ja auch von den Verlagen oft outgesourced wurden.
FaBü: Immerhin waren die Verlage für die Qualitätskontrolle gut. Auch wenn bei denen sicher vieles nicht durch die Firewall kam, was wohl veröffentlichungswürdig war und umgekehrt Werke gefördert wurden, die besser nie das Tageslicht gesehen hätten. Über das Selfpublishing wird natürlich jetzt auch viel, viel Unsinn publiziert. Brauchen wir Qualitätsstandards und wie könnten die aussehen?
Matthias Matting: Nein, Verlage boten noch nie die Gewährleistung einer Qualitätskontrolle. Das liegt schon daran, dass die Beurteilung von Qualität im Auge des Betrachters liegt. Wenn absehbar ist, dass sich ein Titel gut verkauft, wird kaum ein Verlag ihn aus Qualitätsgründen ablehnen (siehe Shades of Gray). Auch die rein handwerkliche Qualität hat in den letzten Jahren aus Kostenspar-Gründen gelitten. Qualitätsstandards zu fordern würde bedeuten, die Leser für unmündig zu halten, für unfähig, gute und schlechte Bücher zu unterscheiden. Leser sind aber ziemlich klug.
FaBü: Kommen wir zur letzten Frage. Im Web gibt es manchmal eine Diskussion, die wir ziemlich abstrus finden: Der Kampf Papierbuch gegen eBook. Viele hängen sich z. B. dieses „i pledge to read the printed word“-Button auf ihren Blog. Wir finden das eBook ist längst etabliert, aber weniger als Alternative, denn als Ergänzung. So wie Taschenbücher die gebundenen Ausgaben ergänzt haben. Wie siehst Du das? Geht mit dem eBook das traditionelle Buch unter?
Matthias Matting: Natürlich ist das eBook eine Alternative zum gedruckten Buch. Wenn ich mich für eine Version entschieden habe, werde ich höchst selten noch die andere Version kaufen. Es wäre deshalb eine gute Idee, wenn der Verlag eBook und Print im Paket verkaufen würde. Es wird aber immer Genres geben, die sich für Print besser eignen als als eBook (Bildbände, Kochbücher…). Und es wird Menschen geben, die lieber Papier in der Hand halten als einen eReader. Es gibt auch immer noch einen Markt für Schallplatten! Aber die CD hat ebenso durch MP3 einen Einbruch erlitten wie das Papierbuch durch das eBook. Das muss die Verlage aber nicht stören. Man kann mit eBooks genauso gut verdienen wie mit Papierbüchern. Dramatisch ist das jedoch für die Buchhändler. Dazu gab es gerade neue Zahlen von der GfK: Während der Umsatzanteil des eBooks bei Buchhändlern 2012 bei einem halben Prozent lag, hatten eBooks im Gesamtmarkt einen Anteil von 9,5 Prozent. eBooks lassen sich im Buchladen einfach nicht gut verkaufen.