Rezension von Mona
„Im Auge des Leuchtturms“ ist der neueste Kriminalroman (Stand Juli 2015) der erfolgreichen deutschen Autorin Antonia Michaelis.
Wie in vielen ihrer Bücher spielt sie auch hier mit der Vermischung von Realität und Fiktion und dass sie eine Großmeisterin auf diesem Gebiet ist, beweist sie mal wieder sehr eindrucksvoll mit diesem Buch!
Worum geht es?
Nada Schwarz erhält urplötzlich eine Postkarte. Das Motiv: Ein Leuchtturm. Die Botschaft: Sie solle dringend auf die Insel kommen, die diesen Leuchtturm beherbergt. Absender: Keiner. Völlig überstürzt sucht sie die Insel auf und sieht sich dort mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, die sie tief in ihrem Inneren vergraben hatte. Weder Nada noch der Leser vermag zwischen Realität und Traum zu unterscheiden.
Ich persönlich würde die Geschichte nicht dem Genre Kriminalroman zuordnen, da solche (nach meinem Verständnis) ein Verbrechen und polizeiliche Arbeit in den Mittelpunkt stellen. Hier geht es allerdings nur unterschwellig um ein Verbrechen, wenn es überhaupt so bezeichnet werden kann. Viel mehr ist es ein Roman, der uns den allmählichen Verfall einer Psyche schildert, worunter aber hauptsächlich die Protagonistin selbst leidet, ohne es jedoch selbst zu merken.
Wer Geschichten von Antonia Michaelis kennt, der weiß, dass sie einen sehr eigenen Erzählstil hat. Immer sehr träumerisch, bildlich, geheimnisvoll und wahnsinnig atmosphärisch. Das Setting ist hier eine kaum besiedelte Nordseeinsel. Frau Michaelis lässt einen die salzige Meeresluft schmecken und den kalten Wind im Gesicht spüren, sie entfachte bei mir während des Lesens ein Feuer und ließ mich für diese Insel brennen. Ich bekam unglaubliche Lust in meine Gummistiefel zu schlüpfen und Nada Schwarz auf ihrer Reise zu begleiten. Die Autorin hat also ein unbeschreibliches Talent, zu beschreiben.
Zudem umgibt die Geschichte permanent etwas sehr Geheimnisvolles, obwohl der Leser Nada immer minimal voraus ist und früher hinter des Rätsels Lösung steigt, bleibt es trotzdem immerzu spannend. Vermutlich liegt das daran, dass wir so lebensechte Einblicke in ihre Psyche erhalten und somit mit verarbeiten müssen.
Wie oben schon angedeutet, gibt es hier einen Bruch zwischen Realität und Traumwelt. In ihren Träumen schiebt sich das Unterbewusste, das Verdrängte stückweise an die Oberfläche und Nada muss erst lernen, diese neuen Eindrücke einzuordnen. Gerade weil man nicht sicher sagen kann, was der Realität angehört, wird vor allem die Spannung ununterbrochen konstant gehalten. Das ist wirklich eine von Michaelis’ größten Stärken, eine Stimmung von „nichts ist, wie es scheint“ zu zaubern. Damit begeistert sie mich jedes Mal aufs Neue!
Ein gutes bzw. fantastisches Antonia Michaelis Buch enthält aber mindestens noch eine dritte Komponente und das ist die Psychologie in dem Ganzen.
Wir lernen unsere Protagonistin als unnahbare Person kennen, deren einziger Lebensinhalt die Karriere ist. Eine Person ohne nennenswerte Persönlichkeit wie es auf den ersten Blick scheint. Als wir mit ihr auf die Insel reisen, erhält die perfekte Fassade Stück für Stück Brüche und Nada ist gezwungen, sich und damit den Leser einen Einblick in ihr Innerstes zu gewähren. Die Entwicklung, die sie durchmacht, ist psychologisch so gut durchdacht, dass es mir einfach den sprichwörtlichen Atem verschlägt.
Fazit
Ich kann nicht anders als ins Schwärmen zu geraten und jedem dieses Buch ans Herz legen, der unglaublich geheimnisvolle und psychologisch nahezu perfekt durchdachte Geschichten schätzt.