Rezension von Mona

„Angst erwächst zu einem großen Teil aus einer Geschichte, die wir uns selbst erzählen, also beschloss ich, mir eine andere Geschichte zu erzählen, als die, die Frauen normalerweise zu hören bekommen.“ (S. 76)

Der große Trip“ dürfte momentan in vielen Köpfen präsent sein, da Cheryl Strayeds autobiographischer Bestseller zu einem Projekt Hollywoods geworden ist und auch bei uns demnächst in den Kinos zu bestaunen sein wird. Als bekennender Fan von Aussteiger-Romanen und ein Gegner der Aussage, es handele sich hierbei um einen „Abklatsch“ von Jon Krakauers „In die Wildnis“ (orig.: „Into the wild), war dieses Buch eine Pflichtlektüre für mich. Und ich wurde nicht enttäuscht…

Cheryl Strayed beschreibt hier eine sehr schwierige Phase ihres Lebens. Während der Geschichte ist sie eine 26-jährige junge Frau, die nach dem Leben greift und es trotzdem nicht zu fassen bekommt. Kurz nach dem Tod ihrer Mutter verliert sie die Kontrolle über sich und ihr Leben, lässt sich von ihrem Mann scheiden und begibt sich auf eine Odyssee voll Drogen und den unterschiedlichsten Sexabenteuern. Völlig den Bezug zum Leben verloren, entschließt sie sich irgendwann den Pacific Crest Trail, einen über 4.000 m langen Fernwanderweg im Westen der USA, zu besiegen.

Vermeintlich gut organisiert und völlig auf sich allein gestellt, stürzt sich Cheryl in dieses Abenteuer, um über ihr Leben zu sinnieren und sich von all ihren Lastern zu befreien.

der große trip buchZunächst einmal zur Hauptfigur, die uns ihre Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt und an sämtlichen Erinnerungsschätzen und Gedanken teilhaben lässt. Direkt zu Beginn wird einem klar: Cheryl hat ihren Platz im Leben noch nicht gefunden. Bis zum frühen Erwachsenenalter hat sie sich den Vorstellungen ihrer Mitmenschen angepasst, um es vermeintlich leicht zu haben. Trotz dieser Gabe zur völligen Angepasstheit, ist sie gleichzeitig in der Lage, zu rebellieren. Was wie ein Widerspruch in sich klingt, widerlegt Cheryl oft genug mit ihrem Verhalten. Familiären Halt kennt sie nur bedingt.

Zwar wachsen sie und ihre Geschwister mit einer liebevollen Mutter auf, haben aber keine richtige Vaterfigur, zu der sie aufblicken können. Als dann die Mutter nach monatelangem Kampf gegen den Krebs stirbt und Cheryl daraufhin ihren Ehemann unzählige Male betrügt, zerbricht das letzte Stückchen Sicherheit, das ihr im Leben Halt gab. Sie stürzt sich in sexuelle Eskapaden mit wildfremden Männern und verfällt den Drogen. Kurz vor dem völligen Zerfall zieht sie dann aber die Reißleine und lässt uns an ihrer persönlichen Pilgerreise zu sich selbst teilhaben.

Cheryl gegenüber war ich bis Mitte des Buches ziemlich zwiegespalten eingestellt. Einerseits verdiente sie sich meine Anerkennung dadurch, dass sie den Mut aufbringt etwas zu tun, wovon andere Frauen vermutlich nur träumen. Andererseits driftet dieser Mut oftmals stark in Naivität ab und es präsentieren sich oft Situationen, in denen ihre geistige Unreife zum Tragen kommt. Doch irgendwann musste ich mir eingestehen, dass sie trotz oder gerade wegen ihrer Naivität ein Sympathieträger ist. Außerdem verzieht sie innerhalb des Buches eine gewaltige Entwicklung, die mich oft stark gerührt und ihr näher gebracht hat.

Alle anderen Charaktere spielen für den Leser eine mehr oder weniger unwichtige Rolle. Die tragendste Rolle hat hierbei am ehesten noch Cheryls Mutter. Ihre Abwesenheit schwingt bis zu einem gewissen Punkt der Geschichte ständig mit und hat mich als Leser tief bewegt.

Zudem begegnen uns auf dem Wanderpfad unterschiedliche Charaktere, die zwar alle ziemlich blass bleiben, trotzdem aber zum positiven Gelingen dieser Pilgerreise beitragen. Gerade diese Begegnungen haben einige wunderschöne Momente gezaubert.

Was den Bestseller neben Cheryls Entwicklung und das Aufeinandertreffen wildfremder Menschen ganz besonders macht sind – natürlich, wunderbare Szenarien aus der Natur und viele Selbsterkenntnisse, die der Leser für sich selbst gewinnen kann. So wie die Protagonistin sich und ihren Platz auf der Welt reflektiert, habe ich als Leser das ebenso getan und einige wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Fazit

Ein Buch, das nicht nur all jenen ans Herz gelegt werden kann, die sich selbst verloren haben, sondern allen, die abenteuerlustig, neugierig und gespannt auf Cheryl sind. Ein fabelhaftes und tief bewegendes Buch, das noch besser wird, je länger man sich damit auseinandersetzt!