Rezension von M. Gröls
Die Jungautorin im Literaturbetrieb
In „Nachkommen“ nimmt die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz den Literaturbetrieb auf’s Korn. Die zwanzigjährige Nelia Fehn, eine Jungautorin mit Modellmaßen, ist die Protagonistin dieses Romans. Fehn irrt durch Frankfurt, ständig hin und hergerissen zwischen dem Erwartungsdruck anderer – ihres Verlegers, ihres Vaters, ihrer Familie -, und eigenen Bedürfnissen. In aller Kürze wird zunächst ihr Hintergrund beleuchtet. Die Mutter, eine allseits bekannte Schriftstellerin mit komplexen Gefühlslagen, nahm sich das Leben, als Fehn noch im jugendlichen Alter war. Sie wuchs teilweise bei den Großeltern auf. Während das Verhältnis zum Großvater kompliziert war, lehnte die Großmutter das Kind eigentlich ab. Auch einzelne Familienmitglieder verhielten sich feindselig.
Als Tochter einer Schriftstellerin schreibt Fehn alles in ihr Tagebuch und bietet es kurzerhand einem Verlag an. Der erste und für Fehn überraschende Erfolg: Sie schafft es auf die Short List des Deutschen Buchpreises – ab hier beginnt die eigentliche Geschichte.
Ein bisschen Enthüllung
Soweit die Handlung. Irritierend bei Streeruwitz ist vor allem der Stakkato-Schreibstil, der den Lesefluss spürbar beeinträchtigt. Es gelingt zwar irgendwann, sich einigermaßen an diese merkwürdig ungehobelten und mitunter einigermaßen sinnentleerten Sätze zu gewöhnen. Eine gewisse Irritation bleibt jedoch bis zum Schluss. Beispiel:
„Es war ja das Geld von dieser Agentur. Diesem Börsenverein. Oder lief das über sein Konto, und er. Zweigte ab. Zweigte der Geld ab.“ Was, bitte, soll dieser Schreibstil bezwecken? Es wird jedenfalls nicht dadurch besser, dass die Protagonisten in wörtlicher Rede in dasselbe Stakkato verfallen.
Die vom Verlag angekündigte „Abrechnung mit dem Literaturbetrieb“ fällt schmal aus. Alle streben nur nach Bestseller-Stoff. So weit, so bekannt. Bei Streeruwitz sind insbesondere die Männer sämtlich einfallslose Pinsel die letztlich intellektuell verbrämten Sexismus verbreiten und sich überdies vor allem für die körperlichen Vorzüge der Autorin begeistern. Ganz so schwarz-weiß ist die Welt dann möglicherweise doch nicht. Das Geld irgendwie bestimmend ist und dass Sex immer und überall unterschwellig gegenwärtig ist, taugt kaum als Enthüllung der Verhältnisse des Literaturbetriebes. Das Bestseller gerne massentaugliche Themen wie Sex aufgreifen, ist bekannt. In welcher Branche spielen Geld und sexuelle Anziehung keine Rolle? Das wäre mal eine Enthüllung.
Spaß macht trotz allem der Charakter der Nelia Fehn. Diese versammelt wunderbare Widersprüche in sich und nimmt den Leser ganz für sich ein. Zart und verletzlich weckt sie Beschützerinstinkte beim Leser, ist jedoch in den entscheidenden Augenblicken so tough, dass die Umgebung kollektiv die Augenbraue hochzieht. Äußerlich attraktiv macht sie selbst um diese Anziehungskraft keinen Wind und verweigert sich standhaft jeder Erwartungshaltung, puppenhaft aufzutreten. Interessant an diesem Buch, dass ja antritt um das Marketinggebaren der Verlage zu kritisieren, ist auch der folgende Marketingclou: Der fiktive Roman der fiktiven Autorin Fehn soll im Herbst ganz real auf die Büchertische kommen – von Nelia Fehn a.k.a. Marlene Streeruwitz.