Rezension von Amir
Dora Bruder… Ein Werk, das viele Frage offen lässt. Ein Werk, das uns zum Nachdenken bringt und uns an der Würde der Menschlichkeit zweifeln lässt.
Das Werk des Nobelpreisträgers Patrick Modiano zeigt vielerlei Gesichter der damaligen Zeit, vielleicht sogar einer der schwersten Zeiten Frankreichs: Im okkupierten Paris, das von der Wehrmacht besetzt wurde und zur Zeit der schrecklichen Lösung der „Judenfrage“, versucht eine Rebellin, eine Aufständige, eine Abenteurerin, „15 Jahre, ovales Gesicht, graubraune Augen“ aus ihrem ohnehin armseligen Leben zu fliehen und es, wahrscheinlich, in die sichere Zone zu schaffen – eine fast unmögliche Aufgabe. Dora verschwand in einem Modiano bekanntem Viertel, Dora wurde in eine Modiano bekannte „Schule“ eingewiesen und Modiano weiß, wo Les Tourelles und Drancy liegen – die so genannten „Unterkünfte“, in denen sich die Juden eine Zeit lang aufhielten und dann weiter nach Auschwitz transportiert wurden.
Mondiana sucht, Modiano recherchiert, Modiano stöbert zahllose Archive durch, ließt Hunderte Protokolle durch und findet doch keine zufriedenstellende Antwort. Die Frage ist nicht, wie alt Dora wurde, wie/ob sie starb – nein! Die Frage ist: Wo hat sie sich einige Monate lang versteck, wie fühlte sie sich, hat sich eine unbekannte Liebe in dieser schrecklichen Zeit vielleicht entwickelt und, um Gottes willen, wieso vergisst die Menschheit!? Modiano besucht diese schrecklichen Orte 50 Jahre später und sieht eine völlig umgekrempelte, moderne Landschaft – fast nichts erinnert mehr an die Abtransportieren, die niemals mehr zurückkamen…
Schrieb Modiano hier ein Roman nieder? Nein. Hierbei handelt es sich nicht um einen Roman, um eine Form der narrativer Prosa, dieses Buch ist seine eigene Gattung – es ist einfach ein Werk, das bewegt. Für die Lesefreudigen unter uns, die ohne den Spaß am Lesen kein Buch in die Hand nehmen möchte, für diese Sorte Leser wird dieses Buch eine kleine Enttäuschung sein – besonders am Anfang werden viele Adressen, genaue Stadtplane und präzisesten Beschreibungen genannt. Oft sagt Modiano einfach nur: Das Dokument „enthält folgende Einträge – Name und Vorname; Geburtsort und –datum“ usw. und danach folgt meistens eine genauere Beschreibung und Erklärung, die sich sogar auf mehrere Seiten erstrecken kann. Modiano ist einfach nur ein Medium zwischen alt und neu, zwischen Schicksal und Tod, zwischen Modiano und Dora Bruder.
Wahre Metaphern oder „starke literarische Sätze“, findet man kaum in den ersten 70 Seiten – man darf nicht sagen, dass es sie nicht gibt, doch anscheinend war Mondiano sehr bescheiden und wollte uns sein riesiges Talent nicht zeigen.
Wie gesagt, Dora Bruder ist eher ein Buch, das nicht zum Herunterlesen geeignet ist. Wer sich nicht für diese Thematik interessiert und hier Triviales erwartet, wird enttäuscht sein. Wer jedoch eine präzise, detailgenaue und wahrheitsgemäße Beschreibung und Darstellung der damaligen Zeit erwartet, hat mit diesem Buch ins Schwarze getroffen – Modiano ist eben nicht für jeden geeignet, wenigsten dieses Werk, Dora Bruder. Jedoch ist es für manche Leute mehr als ein Werk – es ist ihr Leben.
Weitere Infos
• Modiano, ein französischer Schriftsteller, geboren im Jahre 1945, erhielt im Jahre 2014 den Nobelpreis für Literatur, „Für die Kunst des Erinnerns, mit der er die unbegreiflichsten menschlichen Schicksale wachgerufen und die Lebenswelt während der (deutschen) Besatzung sichtbar gemacht hat.“
• Seine Werke drehen sich um das Thema „Zweiter Weltkrieg“ und der einzelnen Person innerhalb dieser schrecklichen Tage – besonders die „Judenfrage“ ist sein größtes Motiv. Er selbst ist jüdischer Abstammung.
• Der „Deutsche Taschenbuch Verlag“ hat vor Kurzem (2014) eine 3. Auflage gedruckt, die französische Originalausgabe erschien im Jahre 1997
Meine Bewertung: (O – war grausam!! 10- exzellentes Buch!!)
Historischer Wert: 0-10: 8
Spannung: 0-10: 4
Lesefreude: 0-10: 5
Muss-man-gelesen-haben: 0-10: 6
Liebe fabelhafte Bücher, der Autor heisst MODIANO und nicht MoNdiano :)
Das… wohl wahr. Vielen Dank!