Rezension von frida

Inhalt

Ludwik Wiewurka ist der Melancholiker unter den Wiener Heizungsablesern: Als Mitarbeiter der Firma Wasserbrand & Söhne besucht er die Wohnungen der Stadt und liest dabei nicht nur die Zählerstände ab, sondern widmet sich nebenbei auch der Gemütsverfassung ihrer durchaus seltsamen Bewohner. Ludwik ist gebürtiger Pole, und der innigste Wunsch seiner Mutter ist es, dass er endlich Österreicher wird. Ein Ziel, vor dem ihn sein gesunder Menschenverstand eindringlich warnt: Denn hinter jeder Tür wartet immer die nächste.

Doch gegen den Willen einer starken Frau ist Ludwik natürlich machtlos – immerhin aber ist er in der Lage, sein Schicksal in eine günstige Richtung zu lenken. Ein listiger Roman über Menschenkenner und Frauenhelden, über ausgebuffte Wiener und polnische Wunderknaben. Radek Knapp nähert sich seiner hintersinnigen Geschichte mit bestechend leichter Hand.

Rezension

Ludwik hat es in seinem Leben nicht leicht gehabt. Von der flatterhaften Mutter, in jungen Jahren der wohlbehüteten Obhut der polnischen Großeltern entzogen und zwangsweise nach Wien geholt, hat er sich mit seinem Leben und Dasein, dort nie so recht abfinden können und lebt mehr oder weniger planlos vor sich hin.

Dies ändert sich erst, als er einen Job als Heizungsableser findet. Die geregelte Arbeit gibt ihm Halt und bringt eine gewisse Ordnung in sein Leben. Während seiner Tätigkeit lernt er die unterschiedlichsten Menschen und ungewöhnlichsten Situationen kennen. So manches, dem allgemeinen Blick Verborgene, öffnet ihm nach und nach hierbei die Augen für das Wesentliche. Unter anderem lernt er den Gipfeldieb kennen, eine Begegnung die sich später als eine der Wichtigsten für seine persönliche Entwicklung, erweisen wird.

gipfeldiebGerade als Ludwik sich mit seinem neuen Job arrangiert hat, überrascht ihn seine Mutter mit einer amtlichen Einladung zur feierlichen Beurkundung der ihm nun endlich zustehenden österreichischen Staatsbürgerschaft. Eigentlich hat er damit nichts am Hut, lässt dies seinem Naturell entsprechend, aber mehr oder weniger widerspruchslos über sich ergehen. Im Grunde genommen ist es ihm sogar ziemlich egal und er betrachtet seine neue Identität eher als interessantes Experiment. Als er aber wenig später ein Schreiben erhält, dass ihn auffordert sich zur Tauglichkeitsprüfung für den Militärdienst einzufinden, bereut er es doch, dass er sich nicht gegen die im Grunde genommen auferzwungene Staatsbürgerschaft gewehrt hat.

Zum Militär will Ludwik aber auf gar keinen Fall und so tüftelt er an einem Plan, der ihn vor dem Einzug zum Militärdienst retten soll. Während seiner Grübelei wie er dies bewerkstelligen könnte, erinnert er sich an Lebensweisheiten und Äußerungen seines Großvaters, die ihm dabei nach und nach wieder einfallen. Vieles von dem was er damals gehört hat, erweist sich jetzt als hilfreicher Ratschlag den er gerne befolgt. Ludwik setzt alles auf eine Karte und wenn er auch nicht wirklich gewinnt, da er sich dem staatlichen Übergriff nicht vollends entziehen kann, ist er schlussendlich doch der Gewinner.

Fazit

Ein wunderbarer Roman, gespickt mit humorvoll und amüsant verpackten Lebensweisheiten. Sehr kritisch wird vieles hinterfragt um sogleich ad absurdum geführt zu werden. »Der Gipfeldieb« ist ein Buch mit philosophisch-skurrilem Witz, dass sich wie eine Anleitung, zur Lösung der kleinen und großen Probleme des Lebens liest. Vielleicht ist es an seinem Ende nicht nur Ludwik der seine Sichtweise auf das Leben und damit auch auf sich selbst verändert hat?

Infos

Radek Knapp, 1964 in Warschau geboren, lebt als freier Schriftsteller in Wien und in der Nähe von Warschau. Sein hintergründiger Roman »Herrn Kukas Empfehlungen« gehört zu den erfolgreichsten Longsellern der Verlagsgeschichte. Außerdem erschienen von ihm bei Piper die Erzählungssammlung »Papiertiger«, eine »Gebrauchsanweisung für Polen« und der mit dem aspekte-Preis ausgezeichnete Band »Franio«.

Bewertung

Historischer Wert: 1
Spannung: 1
Lesefreundlichkeit: 5
Ratgeber: 1
Muss-man-gelesen-haben: 5
(1-kaum zutreffend / 5-besonders zutreffend)