Rezension von Moritz
Neugierig zu sein, Fragen zu stellen, zuzuhören; die Wahrheit herausfinden zu wollen. Alles Eigenschaften die ein guter Journalist braucht und Stefan Siller hat sie. Nach über drei Jahrzehnten Radio und 3.000 „Leute“-Sendungen ist er Ende 2015 in den Ruhestand getreten. Wollte man alle seine „Leute“-Sendungen anhören, man würde fast ein ganzes Jahr dafür benötigen. Eine lange Zeit! Zum Abschluss hat er ein Buch geschrieben. „Neugierig“ hat er es genannt – auf Leute und die ganze Welt.
Ein Journalisten-Leben Schon als Junge träumte er von einer Journalisten-Karriere. Aufgewachsen im ostwestfälischen Herford begann er schon früh zu schreiben. Nach dem Abitur, volontierte er bei der „Neuen Westfälischen“ und studierte dann in Berlin Politologie und Publizistik. Nebenbei arbeitete er beim „Sender freies Berlin“ (SFB). Dabei schreibt er sehr persönlich und schildert Anekdoten, wie etwa die Gründung des Klassenkuriers, die Begrüßung bei der Redaktion in Höxter oder seine erste Probe-Moderation beim SFB die gleich live ausgestrahlt wurde.
Dann kam er nach Stuttgart und wurde beim Süddeutschen Rundfunk (SDR) Redakteur. Anfänglich organisierte er nebenher mit Kollegen legendäre Konzerte in Stuttgarter Clubs. Von Angela Merkel bis Balian Buschbaum Und natürlich „Leute“, die Sendung die Siller zusammen mit seinem Kollegen Wolfgang Heim erfunden hat. Welche zuerst ohne Namen auf Südfunk 3 lief und die dann lange Zeit ganz anders hieß, wie von „10 bis 12“ und „Leute zu Gast“. Das Erfolgs-Format blieb dasselbe: Acht Blöcke von vier bis fünf Minuten Gespräch ergibt zwei Stunden „Leute“-Talk.
Alle waren sie da – Politiker von Helmut Schmidt bis Angela Merkel. Heiner Geißler hat er einmal im Stau interviewt, weil dieser es nicht rechtzeitig ins Funkhaus schaffte. Sportler von Boris Becker bis Franz Beckenbauer kamen ebenso ins Studio. Die Stabhochspringerin Buschbaum besuchte die Sendung gleich zweimal: Einmal als Frau und einmal als Mann. Und natürlich interviewte Stefan Siller auch Musiker wie BAP und die Toten Hosen, Schauspieler wie Götz George und Senta Berger. Mit eben jener flirtete er sogar einmal in „Leute“. Lisa Müller, die sich als 14-Jährige prostituierte blieb Siller besonders im Gedächtnis. Bekannte, wie unbekannte – neugierig war Stefan Siller auf alle. Über 500.000 Hörer waren jedes mal vor dem Radio dabei.
Auch erfährt man viel über die Hintergründe von „SWR1 Leute“: Alle Sendungen organisierten und gestalteten er und Wolfgang Heim ganz alleine. Sie teilten sich das Büro und ihre Dienstpläne planten sie in 30 Sekunden, so eingespielt waren die beiden. „SWR1 Leute“ war auch eines der ersten Formate die bimedial waren: Die Gespräche hat der SWR für das Fernsehen aufgezeichnet und Nachts ausgestrahlt. „Leute Night“ wurde jedoch gestrichen. Eine Maßnahme die Stefan Siller in seinem Buch kritisiert.
Insgesamt hat das Buch alles was eine gute Biografie ausmacht: Der Lebenslauf zieht sich wie ein roter Faden durchs Werk, wird gespickt mit Anekdoten und interessanten Hintergründen, Lebensprinzipien + persönliche Kritik. Geschichten eines langen Journalisten-Lebens weiß Stefan Siller zu berichten, das ist interessant und spannend zu lesen.
Das alleine ist schon richtig gut. Noch besser ist, dass Stefan Siller ein Meister seines Faches ist und schreibt wie es sich für einen Journalisten gehört: Kurze Sätze, die wie Pfeile vorwärts streben. Lebensnah und anschaulich. Es ist schön darin zu lesen.
Doch das allerbeste ist: Man wird neugierig auf die alten „Leute“-Sendungen! Im Internet findet man leider nur noch seine letzten Sendungen. Dabei gäbe es vieles zu entdecken. Schade! Der Verlag hätte sie als Zugabe beilegen sollen.
Siller, Stefan: Neugierig – auf Leute und die ganze Welt. Tübingen, 2016. 270 S., 22 Euro, ISBN: 978-3-86351-416-7