Rezension von Mona
„Wenn du deine Flügel so ausbreitest, sieht es aus, als würdest du tanzen. Als wolltest du davonfliegen, stark und frei.“ (S. 63)
„Das Huhn das vom Fliegen träumte“ ist eine moderne Fabel der koreanischen Autorin Sun‑Mi Hwang. Mit dieser Geschichte, die übrigens auch Vorlage für einen Animationsfilm war, gelang ihr der internationale Durchbruch. Seither wurde das Buch in 19 Sprachen übersetzt und sehr wahrscheinlich von Millionen Menschen ins Herz geschlossen. Die Geschichte hat zahlreiche Zeichnungen, die durch ihre Schlichtheit brillieren und dem ganzen Buch eine noch sinnlichere Note verleihen.
Sprosse ist frustriert vom ihrem Dasein als Legehenne. Ihr größter Wunsch ist es, ein Ei auszubrüten und einem Küken das Leben zu schenken. Als sie sich irgendwann eingestehen muss, dass ihr Wunsch so niemals in Erfüllung gehen wird, fällt sie in eine Depression und kann ihrer Tätigkeit nur noch eher schlecht als recht nachgehen. Daraufhin wird sie vom Bauern ausgesondert und zum Sterben weggebracht. Glückliche Zufälle und ihr neuer Freund Streuner, eine Wildente, verhelfen ihr schließlich in die Freiheit, in der sie ein verlassenes Ei auffindet und es sich zur Lebensaufgabe macht, dieses auszubrüten.
Meiner Meinung nach kann man diese Geschichte auf zweierlei Arten lesen und in beiden Fällen hätte man eine wohlig-warme, herzliche, aber ebenso traurige Geschichte. Zum Einen kann man Sprosse auf ihrem Weg in die Freiheit begleiten, sich mit ihr freuen, aber auch leiden. Einfach ein paar schöne Stunden mit einer fantastischen Geschichte verbringen und das womöglich mit kindlichen, unschuldigen Augen. Fliegen als Synonym für Freiheit, Abenteuer und Lebenslust.
Zum Anderen nimmt man sich jede Seite einzeln vor und durchleuchtet die Intention der Autorin und den tieferen Sinn jedes Geschehnisses, lässt sich in gewisser Maßen einen durch die Henne Sprosse einen Spiegel vor halten. Ich hatte an beiden Varianten gleichermaßen Spaß und wusste auf Anhieb, dass diese Geschichte mich bereichern würde.
Es gibt zahlreiche Anekdoten aus dem Leben. Und Sprosses Verlangen nach Freiheit und einem selbstbestimmtem Leben sollte uns Menschen in jeder Lebenslage bewusst machen, wie elementar und wichtig diese Eigenschaften sind. Die Menschheit hat sich im Laufe ihrer Geschichte bewusst für die Freiheit entschieden, um sich letztendlich aber doch durch Instanzen wie die Medien in gewisser Weise gleichschalten zu lassen. Für mich war allein dieser eine Faktor sehr bedeutsam und wird vermutlich noch oft als Anhaltspunkt für Diskussionen dienen. Oftmals haben doch diese kleinen, nach außen hin eher unscheinbaren Geschichten, die größte Wirkung.
„Wir sehen sehr unterschiedlich aus, darum verstehen wir uns vielleicht immer, aber wir können uns trotzdem auf eine Art mögen. Ich schätze dich sehr.“ (S. 69)
Auch der Schreibstil ist wunderschön verträumt und lebt durch Sprosses Gedankengänge und ihre Gefühlswelt. Natürlich begegnen wir in der Geschichte noch weiteren Charakteren, die für den Verlauf eine große Rolle spielen. Sie machen zwar nicht wie Sprosse eine Entwicklung durch, sind aber sehr wichtige Außenfaktoren, die dem Ganzen erst einen tieferen Sinn verleihen und auch teilweise für eine gewisse Tragik sorgen.
Fazit
Egal unter welchem Aspekt man dieses Buch liest und welche Erwartungen man hat – ich denke, dass jeder es vollkommen genießen wird! Ein kleines, unscheinbares Buch mit ganz großer Wirkung!