Rezension von Mona.
„Ich sehne mich nach dem Frühling, nach dem Ende des Frosts, dem Ende des bisher zehnmonatigen Winters.“ (S. 59)
In „Der Schatten meines Bruders“ geht es um Kaia, die nach dem Tod ihres Bruders das Leben wie in einer Starre erlebt. In der Schule wird sie entweder gemieden oder gar aufgrund ihrer Passivität gehänselt. Einzig ihr neuer Mitschüler bietet ihr Halt im Leben, denn er hört ihr zu, hinterfragt nichts kritisch und akzeptiert ihren Zustand. Mit ihm an ihrer Seite begleiten wir Kaias Trauerprozess und erleben, wie ein kleines Mädchen das Leben wieder für sich entdeckt.
„Ich bin festgefroren in der Vergangenheit.
Festgefroren seit einem Tag, den ich niemals vergessen werde.
Erstarrt.
Erstarrt.
Erstarrt.“
Tom Averys wirklich unglaublich schön gestaltetes Kinder- und Jugendbuch ist 143 Seiten lang. Mehr braucht es auch gar nicht, um den Leser von seiner Sprachgewalt und der Fähigkeit, belanglose Situationen mit sehr viel Tiefgang und einer Bandbreite an Emotionen zu bestücken, zu überzeugen.
Mich als Leser spricht das Thema Trauerbewältigung in der Kindheit sehr an, da ich ähnliche Erfahrungen machen musste. Und aufgrund dieses Erfahrungsschatzes kann ich in aller Deutlichkeit sagen: Ich habe mich selten von einem Buch so verstanden gefühlt!
Es wird nicht nur sehr realitätsgetreu beschrieben, wie Kaia sich zum Selbstschutz von ihrer Umwelt abkapselt, sondern ebenso, wie negativ Außenstehende auf dieses Verhalten reagieren, was sich dann wiederum contraproduktiv auf Kaia auswirkt.
Das Buch bietet Raum und Platz, sich als Trauernden zu spiegeln, aber ebenso, Unbeteiligten die Augen zu öffnen, ihnen die Materie ein Stück weit näherzubringen.
Das Buch hat meiner Meinung nach völlig zu Recht den LUCHS (Ehrung der „Zeit“) gewonnen, denn abgesehen von der Tatsache, dass es eine unglaublich wichtige Thematik behandelt, ist es einfach herzerwärmend.
Ich kann jedem, der bereits ein Auge auf „Der Schatten meines Bruders“ geworfen hat empfehlen, sich näher mit diesem Buch zu befassen und es wie einen Schatz zu behüten.
Denn genau das ist diese wundervoll berührende Geschichte.