Rezension von Beste Bücher

Faith Mitchell ist eine starke Frau. Im Spannungsfeld eines wirklich fordernden Polizeijobs, zweier Kinder und einer anspruchsvollen Familie mischt sie kräftig mit und lässt sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen.

Doch als Sie eines Tages vom Seminar nach Hause kommt, erlebt Faith ihre Belastungsprobe: Das Baby liegt eingesperrt im Schuppen, von der Großmutter keine Spur. Dafür Blutspuren an der Haustür und schwer bewaffnete Kriminelle im Haus. Einige Tod, aber nicht alle…

Was dann folgt, lässt sich noch am besten so zusammenfassen: Manche Sünden holen einen auch nach Jahrzehnten noch ein. Brachial und unerbittlich.

Rezension

Auch „Harter Schnitt“ spielt in Atlanta, Georgia – der Heimatstadt der Autorin Karin Slaughter. Die Hauptakteure kennt man schon aus Vorgängerwerken: Amanda Wagner, die brilliante Chefin von Faith Mitchell, die über Leichen geht aber doch irgendwie das Herz am rechten Fleck hat, wenn’s drauf ankommt. Will Trent, Faith‘ Partner mit der schwierigen Kindheit und Sara Linton, die Rechtsmedizinerin – inzwischen Ärztin – mit sehr belastbaren Nerven. Allerdings muss man die Vorgängerwerke keinesfalls gelesen haben, um Slaughters aktuelles Werk zu verstehen. Jedes Buch ist in sich abgeschlossen.

Slaughters „Harter Schnitt“ hat in der Tat das Prädikat „Page Turner“ verdient.

Spannungsgeladen fliegt der bestsellerfähige Plot von Seite zu Seite. Der zeitliche Rahmen beginnt am Samstag und endet am Montag. Entsprechend dicht gedrängt sind die Ereignisse. Und auch als Krimiveteran tut man sich bis zum letzten Kapitel schwer damit, zu erraten, wie das Buch endet. Viele Akteure mit eigenen Interessen spielen eine Rolle. „Gelb spielt gegen Braun“ raunt etwa ein Gefängnisinformant, und meint damit die Drogensyndikate der Asiaten und der Mexikaner. Doch auch die altgedienten Polizisten wissen offenbar mehr, als sie preisgeben. Trotz der vielen Perspektiven und der dichtgedrängten Handlung kommt man nichrt durcheinander und verliert nicht den Faden.

Um den Fall schließlich zu lösen, muss Faith Jahrzehnte gedanklich zurückgehen und sich an ihre eigenen Teenagerjahre erinnern. Nach und nach machen bestimmte Ereignisse aus der Vergangenheit plötzlich Sinn und Faith hat von Anfang an das Gefühl: Es geht bei der Sache um mehr als nur Geld…

Harter_SchnittSprachlich ist „Harter Schnitt“ nicht über alle Maßen anspruchsvoll. Wer das bei Thrillerliteratur gebetsmühlenhaft beklagt, sollte vielleicht einfach mal was anderes lesen. Allerdings drängt sich hier und da der dringende Verdacht auf, dass die Übersetzung etwas schludrig war. Natürlich verliert ein Buch durch die Übersetzung immer ein wenig Substanz, das ist bekannt. Doch wurden bei „Harter Schnitt“ an einigen Stellen englischsprachige Redewendungen umstandslos wortwörtlich ins Deutsche übertragen. Das liest sich dann recht krumm, doch merkt man sofort, welche Redewendung ursprünglich gemeint war.

Die Charaktere bei Slaughter sind grundsätzlich dreidimensional und hinreichend interessant. Doch um die Brutalität des Haupttäters zu verstehen, hätte man über diesen noch mehr erfahren müssen. Es erscheint hier einfach ein Bösewicht auf der Bildfläche und man versteht nicht vollumfänglich, wo all der Hass herkommt.

Kein Gewaltvoyeurismus

Von besonderem Interesse ist für mich, wie in der Thrillerliteratur mit Gewalt umgegangen wird. Natürlich kommt ein Krimi jenseits von Agatha Christi kaum ohne aus, aber es  gibt durchaus Unterschiede in der Frage der Zurschaustellung. Anders als etwa bei Mo Hayder löst Slaughter das Thema relativ elegant: Die Gewalt wird eher distanziert dargestellt, als notwendiges Übel, um den Schauplatz authentisch zu halten.

Am Beispiel des koreanischen Verbrecherpaten: Slaughter erwähnt, dass dieser in der Vergangenheit für Vergewaltigungen mit, sagen wir, einer Spur Kanibalismus verantwortlich war. Nur so kann die Autorin die Spannung aufbauen, die den Besuch des Polizisten beim diesem Verbrecher heikel erscheinen lässt. Aber sie verzichtet darauf, die angedeuteten Gewaltszenen voyeuristisch auf 10 Seiten en Detail auszubreiten, wie andere Autoren das gerne tun.

Alles in allen ist „Harter Schnitt“ ein rundum gelungener Thriller. Unterhaltsam für alle Krimifans.

Infos

Unsere Bewertung

Unsere Bewertung:

Spannung: 5

Lesefreundlichkeit: 4

Ratgeber: 3 (Spannend die Frage: Wie würde ich in so einer Situation die Nerven bewahren?)

Muss-man-gelesen-haben: 1 (Wenn man ein Thrillerfan ist: 4)

Allgemeinwissen: 3 (Immerhin erfährt man was über Korruption und US-Gangs…)

(1= Kaum zutreffend / 5 = Besonders zutreffend)