Rezension von Anna
Ein armer Müller prahlt damit, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen. Dies hört ein Bote des Königs und wenig später wird das Mädchen dazu aufgefordert, ihr Können am Hofe des Königs unter Beweis zu stellen. In ihrer Not erhält sie unerwartete Hilfe von einem kleinen Männlein. Doch der Preis für seine Hilfe ist hoch und nur wenn das Mädchen den Namen ihres herzlosen Helfers herausfindet, muss sie ihr Kind nicht hergeben.
Rumpelstilzchen gehört zu den bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm. Die Handlung bleibt relativ nah am Original, wenn auch deutlich verkürzt. Die wenigen Sätze pro Doppelseite sind typisch für ein Bilderbuch. Die besondere Raffinesse liegt in der Gestaltung des Märchens.
Die Illustratorin Felicitas Horstschäfer verwendet für die Erzählung Scherenschnitte. Dafür befindet sich zwischen jeder Doppelseite ein filigran und kunstvoll gearbeiteter Schattenriss. Der erfordert eine behutsame Handhabung mit diesem Buch, damit es nicht beschädigt wird. Die Figuren sind überspitzt dargestellt, wodurch der Leser von den Silhouetten auf ihre Charaktere schließen kann. Hinter den schwarzen Scherenschnitten weisen die Seiten ineinander fließende monochrome Farbflächen auf. Auf einer Seite sind Sprechblasen gekonnt und passend in das Bild integriert. In Bezug auf die Gestaltung ist dieses Bilderbuch sehr zu empfehlen und zeigt das bekannte Märchen in neuem, einzigartigen Gewand.
Leider kann die gewählte Sprache nicht überzeugen. Die Verknappung auf wenige Sätze pro Seite erzeugt eine distanzierte Sprache, die jeglichen Zauber vermissen lässt. Die wörtliche Rede muss oftmals zugunsten der indirekten Rede im Konjunktiv weichen, die für ein Märchen nicht angemessen erscheint. Besonders die fehlenden Wiederholungen, die die steigende Dramatik bewirken und Rumpelstilzchens Vers, der auf ein „Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ reduziert wird, werden dem Original nicht gerecht. Das von Felicitas Horstschäfer bebilderte und nacherzählte Buch kann daher unter der Maßgabe empfohlen werden, dass ein (erwachsener) Sprecher das Märchen mit eigenen Worten nacherzählt und währenddessen die einzigartigen Bilder wirken lässt.