Rezension von Anjana
Eine vermisste Frau, eine Leiche und ein Zahn, der auf einen Zusammenhang zwischen den beiden Dingen hindeutet – eine scheinbar eindeutige Situation von Entführung und Mord. Jedoch erweist sich das Vorhaben, den Verantwortlichen dafür zu finden, als viel schwieriger. Alles ist minutiös geplant und gewissenhaft durchgeführt. Und während die schottische Polizei noch im Dunkeln tappt, taucht eine zweite Leiche auf.
DI Luc Callanach scheint von einer Sackgasse in die andere zu laufen, bis seine Kollegin ebenfalls entführt wird und sich die Verhältnisse drastisch zuspitzen. Bis ausgerechnet die Frau, die ein Jahr zuvor sein Leben zerstört hat, ihnen einen wichtigen Hinweis gibt, der sie auf eine neue Spur bringt. Und die deutet darauf hin, dass nichts so ist, wie es scheint. Tote scheinen doch nicht tot zu sein und ein Geruch bringt den Ermittler letztenendlich auf die richtige Fährte.
SPRACHLICH/LITERARISCH
Der Thriller beginnt ohne Prolog mit einem Kapitel, welches aber gut als Prolog hätte durchgehen können. Es gibt einen Vorgeschmack auf die kommende Handlung, erwähnt keine Namen und beschreit eine Szenerie, die deutlich macht, dass hier etwas vor sich geht, was einer Aufklärung bedarf. Die Handlung hat einen personalen Erzähler, der sich vorwiegend aber bei dem Hauptermittler Callanach und den Täter „aufhält“ und ihre Gedanken für den Leser sichtbar macht.
Das Geschehen springt dabei von der Polizei zu der Person, die für die Verbrechen verantwortlich ist, hin und her, weswegen der Leser von Anfang an Informationen hat, hinter denen die Polizei im Buch her ist. Da die Passagen aus der Sicht des Täters ziemlich eindeutig sind und seine ganzen Beweggründe offen darlegen, braucht, oder kann, der Leser nicht mehr „mitermitteln“. Eher fiebert er dem Punkt im Buch entgegen, an dem die Ermittler endlich die richtige Spur finden. Echte Spannung kommt dabei weniger auf.
HANDLUNG
Im Buch gibt es nach meiner Ansicht zwei Haupthandlungen, zwei Fälle. Der eine ist der, um den sich das Buch im eigentlichen dreht, ermittelt von DI Callanach. Die zweite Handlung ist der Fall einer Kollegin, ein komplett andere Fall, bei dem es um ausgesetzte Babys geht und der die Enthüllung eines brisanten religiösen Geheimnisses zur Folge hat.
Callanach, der selbst in seinem Fall nicht weiter kommt, ist seiner Kollegin bei den Ermittlungen in ihrem Fall behilflich, weswegen es den Anschein hat, als drehe sich das Buch in der ersten Hälfte fast nur um diesen Fall. Die Polizei geht hier mit echter Ermittlungsarbeit vor. Der eigentliche Fall, um den es geht, kommt erst in der zweiten Hälfte richtig zum tragen. Etwas schade ist dabei, dass die Ermittlungen hier des Öfteren durch Glück vorangetrieben werden. So tappt Callanach noch ziemlich um Dunkeln, bis eine Professorin einen beiläufigen Kommentar zu ihrem Kollegen abgibt, welcher die Polizei dann zum Täter führt. Es ist logisch und nachvollziehbar und sicher auch nicht unrealistisch, dass die Polizei bei dem ein oder anderen Fall auf glückliche Zufälle angewiesen sind. Jedoch scheint es hier etwas schade, dass die Ermittlungsarbeiten im Gegensatz zum anderen Fall etwas auf der Strecke bleiben.
Jedoch ist auch zu betonen, dass ich als Leser nicht das Gefühl hatte, die Autorin hat versucht, mit dem Einbau des zweiten Falls „Zeit zu schinden“ oder die Handlung hinauszuzögern. Die Züge sind schlüssig und der Leser wird bei der Stange gehalten, da es nicht langatmig wird.
PERSONEN/CHARAKTERE
Die Personen im Buch sind echt und bleiben sich in der fortschreitenden Handlung treu. Callanach prägt durch seine Intuition, DI Turner durch Selbstbewusstsein und Konsequenz, die aber nicht ihre Lebenslust schmälert. Seargent Lively ist stur und mürrisch, was daran liegt, dass er nicht mit den Vorgehensweisen seines Vorgesetzten und der Täter bleibt ein von der Richtigkeit seines Vorhabend überzeugter Narzisst. Auch das Zusammenspiel der Personen wirkt authentisch genauso wie die Konflikte, die durch die Andersartigkeit der Charakter zustande kommen. Besonders gelungen finde ich die Darstellung von Astrid Borde, die in ihrer wechselhaften, fast schon schizophren wirkenden Psyche gefangen ist und eine Herausforderung für Luc Callanach darstellt.
ORTE
Die Orte und Schauplätze, an denen Die verschiedenen Situationen der Handlung stattfinden, sind real, existieren wirklich. Trotzdem sind die Beschreibungen und Verbildlichungen ausbaufähig. Orte werden meist nur benannt und kaum beschrieben beziehungsweise nur zum Teil beschrieben, weswegen es an mancher Stelle an Vorstellung mangelte.
Da jedoch diese Verbildlichungen nicht das Verständnis der Handlung schmälerten, kann man hier von einem verbesserungsbedürftigen Schönheitsfehler sprechen, dessen Behebung das Gesamtbild abrunden würde. Überhaupt kommt der Handlungsort in Thrillern mitunter etwas kurz, etwa im Vergleich zum Medium Film. Am Beispiel von „Black Panther“ gesprochen, dem neuesten Werk aus der Marvel-Werkstatt: Moderne Actionthriller warten neben einer atemlosen Handlung und Figuren mit Tiefgang auch mit fantasiereichen Handlungsorten auf. Wieso sollten ausgerechnet Buchautoren da nachstehen, die schließlich sagenhafte Welten in den Köpfen der Leser erzeugen könnten?
ABSCHLIEßENDES GESAMTBILD
Das Werk gibt ein gelungenes Gesamtbild ab. Die Handlungen sind insgesamt schlüssig und die Situationen nachbollziehbar. Die Idee, der Plan des Täters, sich die perfekte Gefährtin zu erschaffen, hat durchaus Potenzial für einen Thriller. Leider wird das Werk als Gesamtes durch die Umsetzung, durch die Vorwegnahme der Spannung durch die ausführliche Information des Lesers von der Identität des Täters, seines Plans und den Beweggründen, dieser Genrebezeichnung nicht ganz gerecht. Ich würde hier eher von einem Krimi sprechen, den zu lesen Spaß macht, aber den Leser nicht sonderlich herausfordert.