Rezension von Anjana
Weniger als anderthalb Menschen leben auf einem Quadratkilometer des afrikanischen Kontinents. Die Städte sind verlassen, die Industrie zusammengebrochen und die Wirtschaft tot. Ein Fieber hat 95 Prozent der menschlichen Bevölkerung ausgelöscht, es gibt nur wenige Überlebende, die sich nun durchschlagen müssen.
Zwei davon sind Willem Storm und sein Sohn Nico. Einige Monate ziehen sie durchs Land, ehe Willem auf die Idee kommt, eine neue Gemeinschaft zu gründen. Es finden sich nach und nach immer mehr Leute zusammen, die Gruppe wächst – und steht zwangsläufig vor grundlegenden Fragen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens.
SPRACHLICH/LITERARISCH
Der Roman beginnt mit den Worten des erwachsenen, vom Leben geprägten Nico Storm, der die Geschichte des gesellschaftlichen Wiederaufbaus erzählen will. Dementsprechend beginnt die Erzählung aus der Ich-Sicht des 13-jährigen Nicos, der berichtet, wie es seinem Vater und ihm ergangen ist.
Der Erzählcharakter ist als der eines Jungen zu erkennen, da die verwendete Sprache, der Bau der Sätze und der allgemeine Fokus charakteristisch für die eines Knaben in diesem Alter ist. Der Hauptblickpunkt liegt auf den Gedanken und Gefühlen, trotzdem wirkt die Erzählung nicht billig, kindisch oder ausgedacht, da die Umstände und Situationen realistisch dargestellt sind.
Die chronologischen Berichte werden unterbrochen von Zwischenerzählungen des erwachsenen Nicos, die ein Thema aus dem Bericht aufgreifen, wie beispielsweise Erinnerungen aus der Vergangenheit, Gefühle oder der eigene Vater. Besonders gut gelungen ist der deutliche literarische Unterschied zwischen den chronologischen Berichten des Jungen und den Zwischenkapiteln des Erwachsenen, die sprachlich deutlich komplexer, anspruchsvoller und erfahrener gestaltet sind, was nochmal verdeutlicht, dass hier der Erwachsene spricht, und nicht der Junge.
Später im Buch wird der ganze Bericht komplexer, es kommen Personenvorstellungen und Erzählungen anderer Bewohner der neuen Gemeinschaft als Zwischenkapitel dazu, was nur authentisch wirkt, da auch das Leben wieder komplexer wird und sich weiterentwickelt. So ist der ganze Aufbau des Buches nicht nur ein Spiegel der Entwicklung des Neuaufbaus, sondern auch des Lebens des Nico Storms, der sich immer weiterentwickelt.
Manchmal wird durch die Zwischenkapitel in der chronologischen Handlung etwas vorgegriffen, vor allem bei Vorstellungen und Berichten von verschiedenen Bewohnern der Gemeinschaft, allerdings hat das keinen „spoilernden“ Effekt, sondern wirkt anregenden, nachdenklich.
THEMATIK/HANDLUNG
Der Hauptaugenmerk liegt nicht auf der Handlung an sich, wie es bei einem Roman der Fall ist, sondern auf den zwischenmenschlichen Beziehungen, Problemen und Herausforderungen, vor denen die neue Gemeinschaft steht. Angesprochen wird beispielsweise die Thematik von Beziehung und Partnerschaft oder die Frage nach Herrschaftsform und politischer und wirtschaftlicher Ordnung. Die Handlung, die gut durchdacht und schlüssig aufgebaut ist, scheint hier das Mittel der Wahl zu sein, um die Probleme anzusprechen und zu verarbeiten. Die Story an sich weißt keinen stetig bis zum Höhepunkt steigenden Spannungsbogen auf, hier und da gibt es Handlungsspitzen. Der Bogen wird aber nicht bis aufs äußerste gespannt, was den Charakter des Berichts unterstreicht.
PERSONEN/CHARAKTER
Die vorkommenden Personen im Buch wirken authentisch. Charakterunterschiede werden vor allem durch die als Zwischenkapitel eingefügten Personenvorstellungen deutlich gemacht. Trotz der großen Anzahl an Menschen, die in der Gemeinschaft lebt, wird die Zahl der unmittelbar in Nico Storms Nähe handelnden Personen übersichtlich gehalten.
Ebenfalls lobend zu erwähnen ist, dass die Figuren sich selbst treu bleiben. In anderen Werken gleichen sich Personen nach und nach immer weiter an, sodass sie sich am Ende charakterlich kaum noch voneinander unterscheiden. Allgemein vermittelt das Buch hin und wieder das Gefühl, der Autor tritt vollkommen zurück und man „kauft“ Nico Storm seine Geschichte in seinem Bericht über die Entwicklung seines Lebens nach dem Fieber als wirklich real „ab“. Ob von Meyer gewollt und nicht, es schafft auf jeden Fall eine Identifizierbarkeit mit den handelnden Personen.
ORTE
Die Handlungsorte des Buchs sind real und realistisch beschrieben, was bei einem südafrikanischen Autor zu erwarten sein darf. Die Erklärungen von Zusammenhängen und Orten wirken echt, nicht wie schlecht recherchiert und dann niedergeschrieben. Allerdings sind die Beschreibungen nicht immer ganz ausgefeilt, so hatte ich beispielsweise bei dem Ort Vanderkloof/Amanzi meine Probleme, mir den Ort und dessen Ausrichtungen vor dem inneren Auge vorzustellen. Da es reale Plätze in einer realen Welt sind, fühlte sich meine Phantasie nicht ganz angeregt und tat sich deswegen schwer, mir ein Bild des Ortes zu erschaffen. Da aber der Fokus der Story nicht auf den Orten lagen und die detaillierte Beschreibung dieser nicht die Handlung oder die Berichte schmälern, kann man hier von einem Schönheitsfehler sprechen, den mancher Leser so gar nicht sieht.
ABSCHLIEßENDES GESAMTBILD
Eine Story, dessen Basis, das Fieber, gar nicht mal so unrealistisch ist, und in ihrer Entwicklung Fragen des menschlichen Seins aufwirft, ohne dabei zu tiefgründig oder psychologisch zu werden und die Themen vor einem authentischen Hintergrund stehen. Auch für Leser, die normalerweise andere Lektüre bevorzugen, ein lohnenswertes Werk, da Elemente aus verschiedenen Genres vereint werden.