Rezension von Marion
„Wir sind die mit der Bombe in uns.“ Dieser Satz auf dem Einband dieses Romans ließ mich bereits nachdenklich werden und ich bleibe grübelnd zurück, denn dieser Roman lässt mich einfach nicht mehr los. Erzählt wird die Geschichte von H, die am 6. August 1945 als die Bombe fiel, ihr Leben als solches nicht mehr hatte. Im Grunde verlor sie alles, auch ihre Weiblichkeit. Als H älter wird hemmt sie ihre nicht vorhandene Weiblichkeit daran sich auf Beziehungen einzulassen. Sie leidet unter den Brustimplantaten und an der künstlichen Vagina. Sie fühlt sich selbst nicht, dass beschreibt sie immer wieder.
Ein Leben nach der Bombe ist geprägt von Qualen, Qualen die nie mehr aufhören. Auch wenn diese Worte sich nun hart anhören, mir kam während des Lesens oft der Gedanke, ob der Tod nicht wünschenswerter gewesen wäre nach dieser Katastrophe. Es ist teilweise unerträglich all diesen Tragödien zu folgen. Jeder weiß von diesem schrecklichen Vorfall, jedem sind die Geschehnisse bekannt, doch sie hier so bildhaft geschildert zu bekommen, ist hart an der Grenze.
Die Autorin scheint nichts zu beschönigen, sie schildert detailliert die Verstümmelungen der Menschen, sowohl die körperlichen als auch die seelischen, nicht nur anhand der Leidensgeschichte von H. Die Protagonistin trifft auf den Kriegsveteranen Jim, der an den Kriegsfolgen leidet. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dessen Adoptivtochter. Dieser Weg ist gepflastert vom Schrecken der heutigen Zeit, es scheint so, als sei dies das Schicksal der Menschen.
Die Charaktere die H beschreibt, die Opfer, werden ebenso wie H nur mit Konsonanten genannt. Dies ist etwas was mich lange irritiert hat. Mir kam es so vor als möchte die Autorin nicht, dass ich einen Bezug aufbaue, die Person sollte für mich ein Neutrum bleiben, so schien es mir. Im Nachhinein spiegelt sie damit das Empfinden von H aber wunderbar wieder, denn wie soll sie sich als vollwertigen Menschen sehen, mit einem Namen, der auch gezeichnet welchem Geschlecht man angehört? Ein Name macht die Persönlichkeit aus, doch wenn ein Mensch in sich nichts mehr davon erkennt? Ist es dann nicht der blanke Hohn sich jeden Tag mit einem Namen zu tarnen? Ich hoffe ich habe die Beweggründe der Autorin richtig erfasst, wenn nicht ist ihre Erklärung bestimmt nicht weniger erschreckend, denn der Schrecken zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Dieses Buch hat mich lange begleitet. In einem Stück lesen konnte ich es nicht, ich musste es immer wieder für kurze Zeit weglegen, ansonsten wäre es mir zu viel geworden. Auch jetzt, denke ich mit Schrecken an das Buch zurück. Es hat mich am Ende zwar auf seine Art mit allem etwas versöhnt, es kann den realen Hintergrund, die echte Tragödie nicht nehmen. Dies ist eigentlich auch gut so, denn für das alles, was die Autorin hier berichtet, gibt es keine Wiedergutmachung. Ich bin einfach nur froh, dass meine Sorgen und Probleme nach diesem Werk in den Hintergrund treten.
Nun die große Frage? Leseempfehlung? Ja oder nein? Ich sage ganz klar ja, zu dieser Reise von H und Jim, die mir deren Leben näher gebracht hat.
Marina Perezagua veröffentlichte vor ihrem Roman Hiroshima einige Kurzgeschichten, sie lebt in New York u d wurde 1978 in Sevilla geboren.