Rezension von Annemarie

Wir leben in einem naturwissenschaftlich geprägten Zeitalter. Scheinbar Unerklärliches ist immer mithilfe der Naturwissenschaften erklärlich. Gott und Übersinnliches passen nicht dazu und haben deshalb immer weniger Platz in dieser Welt. In dem naturwissenschaftlich geprägten, pragmatischen Denken lebte auch Charlotte Rørth, eine bekannte dänische Journalistin und Autorin dieses Buches.

Bis sie eine Jesuserscheinung hatte. Niemand sah diese außer ihr, und doch war die Erscheinung für Frau Rørth überwältigend und prägend. Anfangs kann sie ihr Erlebnis selbst nicht verstehen, sucht Ärzte und Experten auf, in der Hoffnung, dass sich ihr Erlebnis irgendwie erklären lässt. Vielleicht hat sie ja deine Krankheit, irgendetwas hat, was ihre Erlebnisse naturwissenschaftlich erklären würde. Parallel häufen sich ihre unerklärlichen Erlebnisse. Die Autorin beginnt zu leuchten und nimmt die Aura von Personen und Orten wahr. Im Laufe der Zeit versteht sie, dass sie tatsächlich Jesus begegnet ist und begibt sich auf eine Reise zum Glauben.

Und davon handelt dieser Band.

Rezension

Der Band hat mich mit sehr gemischten Gefühlen zurückgelassen. Die Autorin schreibt sehr überzeugend und plastisch und man merkt, dass sie offenbar Realistin ist. Sie zweifelt viel und versucht lange, ihre Situation naturwissenschaftlich zu erklären. Man kann ihre Situation und ihren Weg gut nachvollziehen. Und ich wäre fast geneigt gewesen, Frau Rørth ihre Geschichte abzunehmen. Dummerweise hat sich daraufhin mein Verstand eingeschaltet.

Denn dieser Band hat durchaus einige Schwächen und Ungereimtheiten. Die Augenscheinlichste ist der Buchtitel. Denn er ist meiner Ansicht nach irreführend. Es stimmt, die Autorin ist offensichtlich nicht strenggläubig. Dennoch ist sie getauft, bezahlt Kirchensteuern, geht jedes Jahr zu Weihnachten in die Kirche (aus Gewohnheit, wie sie sagt), und betet nach einem Nahtoderlebnis ihres Sohnes in der Kirche. Und dennoch betont sie ständig, dass sie nicht gläubig ist. Das Nahtoderlebnis ihres Sohnes beachtet sie scheinbar nicht weiter. Aber als sie selbst eine Erscheinung sieht, dreht sich ihr Leben auf einmal um 180 Grad. Dass eine Frau, die dermaßen feinfühlig ist, dass sie die Aura verschiedener Orte und Personen wahrnehmen kann (oder behauptet, das zu können), scheinbar so wenig über ihr Alltagshandeln nachdenkt und die Erzählung ihres Sohnes unter den Tisch fallen lässt, finde ich paradox. Das wirkte auf mich so, als wolle die Autorin krampfhaft vortäuschen, sie sei ungläubig gewesen. So wirkte die Autorin auf mich leider nicht sehr glaubwürdig.

Und dann begegnet ihr ein Mann, den sie als Jesus identifiziert, in einer katholischen Kirche. Woher weiß sie übrigens, dass es Jesus war? Vielleicht weil ihre Beschreibung von Jesus ziemlich genau den idealisierten Jesusdarstellungen in Kirchen (langes helles Haar, grüngraue Augen, große Erscheinung) entspricht. Blöderweise widerspricht sie aber dem Aussehen, das Jesus nach wissenschaftlichen Erkenntnissen aller Wahrscheinlichkeit nach hatte (kurzes dunkles Haar, dunkle Augen, max. 1,55 Meter groß). Es hätte also genauso gut ein Heiliger, ein Engel oder irgendeine andere Person gleich welcher Religion sein können. Wenn Frau Rørth beispielsweise Buddhistin oder Jüdin gewesen wäre, hätte sie die Person möglicherweise für jemand ganz anderen gehalten. Wie sie selbst sagt, kommen in ihrer Familie Visionen auch gehäuft vor. Das kann nicht damit zusammenhängen, dass ihre Verwandtschaft einen besonderen Zugang zu Gott hat, denn die Autorin betont, dass alle Menschen von Jesus besucht werden können. Ich persönlich kenne aber keine einzige Person, die eine Vision hatte. Meine Vermutung ist deshalb, dass ihre Visionen eher erblich begründet sind. Infolgedessen konnte ich der Autorin ihre Geschichte offen gesagt nicht ganz abnehmen.

Fazit

Für alle Menschen, die glauben wollen, dass es Jesuserscheinungen gibt und Orte und Menschen eine Aura haben können, sicherlich ein sehr interessantes, überzeugendes Buch.