Rezension von Annemarie

Tiere und Menschen sind unterschiedlich. Während Menschen ein Bewusstsein und eine Moral zu haben scheinen, wird Tieren oft immer noch nachgesagt, dass sie nur ihren Instinkten folgen. Daraus folgernd werden die sogenannten Nutztiere unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt und misshandelt. Wie falsch die Auffassung jedoch ist, zeigt der Psychoanalytiker Jeffrey Masson. Anhand vieler Erlebnisse schildert er das Leiden der „Nutztiere“ anschaulich und plastisch und verdeutlicht, dass Nutztiere und Menschen sehr wenig trennt – abgesehen davon, dass die Nutztiere sehr viel menschlicher sein können als wir angeblich so humanen und kultivierten Menschen.

In den ersten fünf Kapiteln werden dabei die Tierarten Schwein, Huhn, Schaf, Kuh und Ente behandelt. Das sechste Kapitel „Die Natur des Glücks“ behandelt die Tierethik. Vorwort und Schlussbetrachtung runden das Werk ab. Im Anhang sind ein ausführliches Literaturverzeichnis für die einzelnen Kapitel sowie weiterführende Internetlinks und ein Register vorzufinden.

Rezension

Eines vorweg: So ganz neu ist der Band nicht. Er wurde in seiner Ursprungsversion bereits im Jahr 2003 verfasst. Demnach findet man auch keine neuen und bahnbrechenden Informationen in diesem Band. Aber diesen Anspruch sollte man auch nicht haben, wenn man dieses Buch liest. Meine erste Reaktion auf diesen Band war: Scham. Scham, dass ich einer Gattung angehöre, die so kurz- und selbstsüchtig ist. Es folgte Bewunderung für diese doch so unterschätzten Tiere und der Wille, etwas zu ändern.

Was ich aber seltsam fand, sind die Aufforderungen des Autors, man solle sich vegan ernähren. Er schreibt über sich selbst, er ernähre sich noch nicht vegan und finde das unglaublich schwer. Nur – wenn der Autor das alles so erlebt hat und wenn er die innigen Erfahrungen mit den Tieren gemacht hat, warum kann er dann nicht aufhören, sie zu essen? Und mit welchem Recht behauptet Masson dann, dass der Leser, der solche Erfahrungen vermutlich nicht hatte, „besser“ sein soll als der Autor? Das wirkte auf mich etwas so, als würde sich der Autor auf seinen Lorbeeren ausruhen, und parallel mit dem moralischen Zeigefinger auf die anderen zeigen. Die moralische Keule hätte er sich auch ersparen können und den Leser lieber selbstständig seine eigenen Schlüsse ziehen lassen können. Ein Wermutstropfen in diesem eigentlich doch sehr guten Buch.

Kritisch sehe ich auch den Vorschlag, kleine Kinder zum Veganismus zu erziehen, schließlich zeigen Studien, dass vegane Ernährung auf Kinder erhebliche negative Auswirkungen hat. Ebenso fehlte mir ein Exkurs zu den Haustieren. Dazu erwähnt Masson gar nichts – seltsamerweise. Denn wovon ernähren sich unsere lieben Hunde und Katzen eigentlich? Jawohl – Fleisch! Heißt das jetzt, dass man sich keinen Hund oder keine Katze mehr anschaffen soll? Oder soll man auf Chihuahuas und andere Winzhunde umsteigen, weil die wenigstens weniger fressen als etwa ein Neufundländer? Oder soll man sie auch zu veganer Ernährung zwingen? So blieben bei mir am Ende des Bandes doch einige Fragen offen.

Abgesehen von diesen Schwächen hat mich der Band aber sehr beeindruckt, sowohl wegen seines sehr berührenden Inhalts, als auch wegen der guten, einfühlsamen und – das klingt jetzt etwas makaber – unterhaltsamen Schreibweise. Auch infolge der vergleichsweise großen Schrift kann man ihn sehr gut zur Unterhaltung lesen. Netterweise lässt der Autor zudem genauere Schilderungen von Grausamkeiten weg und hat auch keine Bilder im Buch, sodass man durch dieses Buch sanft aufgerüttelt, aber nicht abgeschreckt wird.

Fazit

Ein tolles, einfühlsames Buch über das Leben und die Seele der Nutztiere, das aus meiner Sicht trotz kleinerer Schwächen noch empfehlenswert ist.