Rezension von Annemarie
Dies ist eine wahre Geschichte, als Autobiographie geschrieben. Die Geschichte eines begabten Arztes, der täglich mit schwerkranken Menschen zu tun hat und auf einmal mit gerade einmal 35 Jahren erfährt, dass er sterben muss.
Paul Kalanithi ist ein vielbeschäftigter Assistenzarzt in der neuro-chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses. Er lebt seinen Traum, anderen Menschen zu helfen und sie zu heilen. 100-Stunden-Wochen sind für ihn normal. Er arbeitet fast bis zum Umfallen, hat kaum mehr Freizeit und Zeit für seine Freundin, doch der Idealismus treibt ihn weiter an. Aufgrund seiner Begabung wird Kalanithi vielfach ausgezeichnet – u.a. mit dem höchsten Nachwuchsförderpreis der American Academy of Neurological Surgery. Kalanithi rettet Menschenleben – aber er sieht auch Menschen sterben.
Doch dann passiert das Unfassbare: Gerade als seine Assistenzzeit zuende geht und die Karriere für ihn so richtig ins Rollen gerät, wird Kalanithi krank. Diagnose: Krebs. Das Leben des einstigen Arztes wandelt sich nun um 180 Grad. Vom „Halbgott in Weiß“ wird er nun zu einem Patienten, gleich denen, von denen er so viele untersucht hat. Von da an ist ein Leben ohne Schmerzen nicht mehr möglich für ihn. Schnell begreift er, dass er sterben wird. Seine Krankheitszeit, sein Erleben als Patient und das Regeln letzter wichtiger Dinge bestimmen nun seinen Alltag.
Mit gerade 37 Jahren – während der Arbeit an diesem Buch – stirbt Paul Kalanithi. Sein letztes Werk ist ein beeindruckendes Werk über das Leben, den Tod und den Weg vom Leben zum Tod.
Gegliedert ist das Buch in zwei Teile. Das erste lautet „der Arzt“, das zweite „der Patient“. So schildert Kalanithi im ersten Teil des Buches auch vorwiegend seine Arbeit als Arzt und im zweiten seine (Leidens-)Zeit als Patient. Ein letzter kurzer Textteil, der von den Hinterbliebenen verfasst wurde, beschreibt die Zeit nach Kalanithis Tod.
Rezension
Dieses Buch berührt. Das Schicksal dieses jungen und augenscheinlich guten Arztes lässt niemanden kalt. Kalanithi gibt zudem viele kurze Gespräche wortwörtlich wider. Dadurch kommt eine starke Nähe zu den doch eigentlich unbekannten Akteuren zustande. Ohne Selbstmitleid, ohne Klagen, schlicht mit Aufmerksamkeit – sowohl für andere als auch für sich selbst – und Ehrlichkeit schildert Kalanithi seine Geschichte und seine Sicht der Dinge. Seine klare naturwissenschaftliche Arztsicht auf die schwerkranken Menschen, dann im zweiten Teil die Sicht des Patienten.
Dabei treibt ihn besonders auch die eine – existentielle – Frage um: Ist es legitim und richtig, bevor ich sterbe noch eine Tochter zu zeugen, auch wenn ich weiß, dass diese ohne Vater aufwachsen wird? So grausam diese Frage auf den Leser auf uns wirken mag, so rational denkt Kalanithi über diese Entscheidung nach. Diese Rationalität ist ganz typisch für die Denkweise dieses außergewöhnlichen Arztes.
Schlussendlich entscheiden sich Kalanithi und seine Frau doch für ein Kind – doch die Zeit, die ihm letztlich mit seiner Tochter bleibt, stellt sich als kurz – entsetzlich kurz – heraus. Trotz aller Rationalität – oder vielleicht gerade wegen dieser – ist dieses Buch unheimlich emotional. So sollte man, möchte man ein Buch lesen, das einen nicht emotional mitnimmt, wohl nach anderen Werken Ausschau halten. Denn auch den Hartgesottenen bringt dieses Buch an einigen Stellen feuchte Augen. Ob aus Rührung oder aus Trauer – wer weiß? Vieles schwingt mit, wenn man dieses Werk liest.
Mein Fazit
Ein schönes, trauriges, anrührendes Buch, das aber immer lebensbejahend und sachlich geschrieben ist. Ein beeindruckendes Buch, das einem einmal mehr deutlich macht, was das Leben für ein unsagbar wertvolles Geschenk ist.