Rezension von Annemarie

Phänomen Superreiche. Eine geschlossene Gesellschaft, zu der kaum einer, der nicht dazugehört, Zugang hat. Doch wer sind eigentlich diese Superreichen? Was treibt sie um und was haben Sie für Verhaltensweisen, die sie vom Rest der Bevölkerung unterscheiden? Der Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann hat sich im Rahmen seiner Dissertation mit dieser Frage beschäftigt. Herausgekommen ist ein Projekt, das dermaßen viele Einblicke und bahnbrechende Erkenntnisse bietet, dass beschlossen wurde, die Dissertation auch als Buch zu veröffentlichen.

Für seine Dissertation hat Zitelmann 45 Hochvermögende befragt, die allesamt ein Nettovermögen besitzen, das zwischen 30 Millionen und einer Milliarde Euro liegt.

Sein Buch besteht aus zwei Teilen. In Teil A werden der Forschungsstand, die Fragestellung Zitelmanns sowie seine Methode erläutert. Dabei wird besonders auf den Stand der Reichtums- und Unternehmerforschung eingegangen, eine ausführliche Definition zum Begriff „Vermögenselite“ gegeben, die Fragestellungen von Lerntheorien und von Behavioral Economics erklärt und schließlich Zitelmanns Untersuchungsmethode beschrieben. Teil B – der Hauptteil – behandelt die Ergebnisse der Interviews. Dabei behandelt jedes Kapitel eines der unterschiedlichen befragten Themen. So gibt es die Kapitel „Prägende Jugendzeit“, „Motive für die Selbstständigkeit“, „Risikoorientierung“, „Konfliktbereitschaft und Verträglichkeit“, „Umgang mit Krisen und Rückschlägen“ und viele weitere. Abgeschlossen wird das Ganze durch eine Schlussbetrachtung, die im Endeffekt ein Fazit der gesamten Arbeit darstellt. Ein Anhang mit dem Interviewleitfaden, dem angewendeten Test und dem Literaturverzeichnis schließen die Arbeit ab.

Rezension

Zitelmanns Werk ist bahnbrechend. Es liefert viele spannende Informationen. So schafft es der Autor, „seinen“ Superreichen viele spannende Informationen zu entlocken. Diese Informationen sind in der Form, dieser Intensität und diesem Umfang meines Wissens nach noch nie veröffentlicht worden. Schön fand ich, dass die Interviews mit den Hochvermögenden oftmals wortwörtlich abgedruckt sind. Diese Darstellungsweise schafft eine Authentizität, sodass man fast das Gefühl hat, dem Interviewpartner persönlich zuzuhören. Diese sind übrigens anonymisiert und werden schlicht als „Interviewpartner 1“ bis „Interviewpartner 45“ bezeichnet.

Zugleich sollte man aber unbedingt wissen, dass es sich bei diesem Buch um eine Dissertation handelt. Es ist also ein wissenschaftliches Werk. Wer Zitelmanns Werk liest, sollte wissenschaftliche Werke kennen – und mögen. Der Vorteil ist natürlich, dass das Werk objektiv geschrieben ist. Man kann die Ergebnisse gut mit anderen wissenschaftlichen Ergebnissen vergleichen. Der Nachteil? Tja – es ist objektiv und wissenschaftlich korrekt geschrieben. Bilder sucht man im gesamten Buch vergebens. Auch auf einen hohen Unterhaltungswert legt Zitelmann weniger Wert. Es ist eben primär ein Fachbuch. Wer ein unterhaltsames Büchlein zum entspannten Durchlesen möchte, sollte sich daher nach einem anderen Werk umschauen. Apropos Büchlein: Ein Büchlein ist dieses Buch nun wahrhaftig nicht. Das wäre bei einem dermaßen großen Buchumfang wohl auch recht schwierig gewesen. So ist Zitelmanns Werk – man kann es getrost als Wälzer bezeichnen – auch in relativ großer Schrift verfasst, und es ist vergleichsweise stabil, was die Lesefreundlichkeit doch ziemlich erleichtert. Andererseits ist es dadurch natürlich auch ziemlich sperrig und schwer und zum Transport eher ungeeignet.

Da es doch sehr umfassend und schwer ist und im Regal einiges an Platz verbraucht, eignet sich das Buch aus meiner Sicht primär für Personen, die im beruflichen Kontext mit Soziologie oder Psychologie zu tun haben, oder sich privat sehr für diese Themen interessieren. Auch Menschen, die detailliert wissen wollen, welche Eigenschaften und Einstellungen reiche Menschen aufweisen, ist Zitelmanns Werk zu empfehlen.

Fazit

Ein wissenschaftliches Werk mit hohem Informations-, dafür aber weniger Unterhaltungswert. Für alle Interessierten, die sich von wissenschaftlichen Werken nicht abschrecken lassen, ist dieser Wälzer aufgrund vieler spannender neuer Erkenntnisse zu empfehlen.