Rezension von Amir
Sind wir wirklich ein Ballast für die Gesellschaft?
Jeder hat mal einen schlechten Tag, verliert seine Arbeit, wird in einen Unfall verwickelt, bekommt es manchmal auch mit den Behörden zu tun, aber niemand auf dieser Welt würde sich als überflüssig bezeichnen, oder? Wir alle leben doch mehr oder weniger in einem demokratischen System, das uns gleiche Rechte gewährt und unsere Rechte und unsere Würde schütz – glaubt man mindestens. Dass die Realität nicht so positiv ist, erklärt uns Ilija Trojanow auf einer fantastischer Weise (mit einem bitteren satirischen Nachgeschmack) in seinem Werk „Der überflüssige Mensch“ – 16 Essays, die den Kernpunkt der menschlichen Existenz in der modernen kapitalistischen Gesellschaft auf den Punkt bringen.
Fakt ist, dass wir auf gar keinen Fall alle gleiche Rechte haben – die Menschheit war niemals gleichberechtigt allen Volksgruppen gegenüber und wird es auch niemals sein (aktuellstes Beispiel wäre wohl der Ukraine-Konflikt oder der Nahostkonflikt, wo man die Rechte der dortigen Menschen vergessen hat – was mit den mehreren Tausenden Flüchtlingen geschehen wird, die derzeit rund um Italien „schwimmen“, ist auch noch offen), aber doch wenigstens innerhalb eines Staates kann man doch hoffen, dass man kein „Überflüssiger“ ist? Doch aus Sicht der Oligarchen und der Ökonomen, ist es sicherlich nicht so.
Eine Frage der Ersetzbarkeit – der Fall „La Méduse“
Die Frage ist eigentlich gar keine Frage, sondern eher ein Blickwinkel, aus dem uns die moderne, kapitalistisch orientierte Gesellschaft betrachtet: „Wer nichts produziert und – schlimmer noch – nicht konsumiert, existiert gemäß den herrschenden volkswirtschaftlichen Bilanzen nicht“, erklärt Ilija schon am Anfang seines Werkes. Und wirklich: Kann man denn ohne Geld heutzutage überhaupt leben? Eine Frage, auf die der Bestsellerautor mehrmals zurückgreift, denn „das Sein ist ersetzt worden durch das Konsumieren“ – also, wer nichts oder weniger konsumiert, ist auch weniger oder gar nichts in dieser Welt wert. Ein ganz populäres Beispiel dazu bietet uns der Fall „La Méduse“ – da für die ca. 400 Menschen, die an Bord eines vom Schiffbruch heimgesuchten Schiffes sich befanden, nur sechs Boote vorhanden waren, befahl der Kapitän den Bau eines Floßes aus den restlichen Teilen des Schiffes, jedoch konnte ein solcher Zug nicht ohne Nachwirkungen glattgehen – nachdem man das Schiff verlassen hatte, brach Kannibalismus aus, es wurden die schwachen zugunsten der stärkeren Mitglieder von Floß geworfen, die Rettungsbote, in denen nur die „wichtigsten Köpfe“ Platz fanden und die auch das Floß mit Hilfe von befestigten Seilen ziehen sollten, eilte schnell davon und verschwanden am Horizont. Die Wichtigen überlebten, die Ersetzbaren wurden ins Meer geworfen – eine bekannte Szene?
Der Mensch als Produkt
Ilija Trojanow erklärt uns, dass der Mensch immer mehr zur Schachfigur der Großen wird – jeder wird ersetzbar oder austauschbar durch Roboter, die keine Pause und keine Versicherung brauchen. Wir geraten immer mehr und mehr in den Hintergrund, doch wie sich der Prozess der Automatisierung auswirken wird, wie Bill Gates die Menschheit „retten möchte“ und was für eine Zukunft uns in den kommenden kapitalistischen Jahren erwartet, erklärt uns Ilija auf seine eigene, aufklärende Art und Weise und er bietet uns sogar eine Antwort auf die Frage, was ein Ausweg wäre – Ilija wird zum Aufklärer des 21. Jahrhunderts!
Weitere Infos
• Ilija Trojanow, geboren am 23. August 1965 in Sofia, Bulgarien, ist ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Verleger bulgarischer Abstammung, dessen Familie aus Bulgarien floh und in Deutschland politisches Asyl erhielt.
• Er ist ein bekannter Gesellschaftskritiker und gegen den Mainstream der modernen Welt. Einen Bestseller schrieb er mit „Macht und Widerstand“
Meine Bewertung
(O – war grausam!! 10- exzellentes Buch!!)
Historischer Wert: 0-10: 7
Spannung: 0-10: 8
Lesefreude: 0-10: 8
Muss-man-gelesen-haben: 0-10: 9