Rezension von Mona
„Ich will, dass das alles aufhört. Frieden, Ruhe. Kein Kampf mehr“ (Seite 227).
„Jenseits der blauen Grenze“ ist der erste Roman der Berliner Autorin Dorit Linke und mit diesem Roman ist ihr zweifelsohne ein Debüt erster Klasse gelungen! Aber worum geht es erst einmal; das Buch beschreibt in einem Handlungsstrang das jugendliche Leben der Hauptprotagonistin Hanna und ihrem besten Freund Andreas in der DDR.
Der andere Handlungsstrang, unmittelbar resultierend aus ersterem, beschreibt die Flucht der Freunde über die Ostsee, schwimmend. Eine Verzweiflungstat, die höchste Aufopferung verlangt und ihren Preis fordert. Beide Handlungsstrange sind natürlich unmittelbar miteinander verwoben, knüpfen aber nur selten aneinander an, sodass man sie fast schon als eigenständige Geschichten lesen kann.
Für Menschen wie mich, die altersbedingt überhaupt keinen Bezug zur DDR haben, ist es eine große Bereicherung, dieses Buch zu lesen. Zwar gibt einem die Schule das nötige Grundwissen mit und gerade die politischen Verhältnisse sind Bestandteil des Allgemeinwissens, einen solch intensiven Einblick habe ich dennoch nie erhalten. Hanna und Andreas sind beides Bestandteile der Freien Deutschen Jugend, eine Organisation, die ihre Mitglieder gezielt „formt“ und jedwede Äußerung gegen die Republik bestraft.
Gerade Andreas ist ein sehr rebellischer und aufmüpfiger Charakter und gerät oftmals mit den Idealvorstellungen dieser Politik in Konflikte. Hanna, als treue Freundin, wird daher ständig mit bestraft und scharf beäugt. Neben den Fakten, die in der Geschichte immer geschickt eingewoben werden, ist auf jeder Seite die Unzufriedenheit der Protagonisten zu spüren. Wir begegnen hier zwei extremen Charakterformen, jenen, die extrem unzufrieden sind und jenen, die mit vollem Herzblut hinter dem Gedanken der DDR stehen. Gleichzeitig ist (natürlich) die Unterdrückung der Unzufriedenen großer Bestandteil.
Oftmals wird in dieser Geschichte der Unzufriedenheit mit Humor begegnet, was einen relativ großen Platz einnimmt und die Allgemeinbildung des Lesers fordert. Neben Hanna und Andreas haben auch Hannas Großvater und ihr neugewonnener Freund „Sachsen-Jensi“ ihre wichtigen Momente in dem Buch. Beide sind (teilweise ungewollt) urkomische Charaktere und verleihen der negativen Grundstimmung eine sehr besondere Note.
Der zweite Handlungsstrang, also das Schwimmen durch die Ostsee, ist ein persönlicher Gewaltakt gegen die Natur, gegen den eigenen Körper und letztendlich gegen die Republik. Hanna als erfahrene Schwimmerin und Andreas als Laie sehen diesen Schritt als letzte Instanz, bevor sie sich dem Regime beugen müssten. Dies käme, gerade für Andreas, absolut nicht infrage. Was hier als eine Art der Verzweiflung, getrieben von Motivation, beginnt, endet in einem Kampf. Und dieser Kampf ist so authentisch beschrieben, dass es mir nicht möglich war, das Buch beiseite zu legen. Das gilt natürlich auch für den anderen Handlungsstrang, beide zusammen haben eine so gewaltige, emotionale und tiefgründige Geschichte erzeugt, dass es mich überwältigt hat.
Fazit
Mein Fazit lautet: 5 von 5 Sternen! Das Buch ist für mich durch und durch fantastisch und die Autorin hat eine interessante Idee mit unglaublich authentischen Charakteren, einer fesselnden Handlung und einem tief berührenden Schreibstil gepaart, sodass ich unbedingt mehr von ihr lesen möchte!