Rezension von M. Gröls
Passagier 23 ist der Titel des neuen Romans von Sebastian Fitzek. Der Roman ist in Deutschland schnell zum Bestseller avanciert und greift das Verschwinden von Menschen auf hoher See auf. Da auf Kreuzfahrtschiffen keine Polizeidienststelle vorhanden ist, obwohl es sich ja gewissermaßen um schwimmende Städte handelt, können hier nach Ansicht des Autors Verbrechen unter besonders günstigen Umständen verübt werden. Im Buch ist in einem Dialog die Rede davon, dass im Jahresschnitt ca. 23 Passagiere verschwinden – man geht in aller Regel von Selbstmord aus -, daher der Titel Passagier 23.
Das „Problem“, jedenfalls aus Sicht der Kreuzfahrtgesellschaft, ist in Passagier 23, dass nun auf dem Kreuzfahrtschiff „Sultan of the Seas“ ein Passagier zurückkehrt, der monatelang vermisst war und selbstverständlich längst als gestorben galt. Wo hat sich das kleine Mädchen in all dieser Zeit auf dem Schiff aufgehalten? Wer hat ihm die Verletzungen zugefügt und warum spricht es mit niemandem außer dem unter einem Vorwand herbeigelockten Polizeipsychologen Martin Schwartz? Die Aufklärung scheint aussichtslos und von Anfang an gibt es mächtige Gegner, die gerne alles im Dunkeln lassen möchten. Doch Dr. Schwartz hat selbst seine Familie auf hoher See verloren und daher ein besonderes Interesse an der Aufklärung des Falles…
Bei Fitzek folgt, so die oft geäußerte Kritik, der Psychothriller aus dem Baukasten. Bewährte Elemente werden immer wieder verwendet um wie bei einem Backrezept genau die Mischung hinzukriegen, die dem Publikum immer wieder mundet. Das ist zutreffend, dennoch ist die Kritik daran widersinnig – schließlich handhaben das mehr oder weniger alle Autoren auf diese Weise. Deshalb liest sich „Die Analphabetin die rechnen konnte“ so ähnlich wie „Der 100jährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ und auch die Dan Brown-Romane sind immer wieder Variationen des selben Themas.
Irritierend ist bei Fitzek eher die Gewalt. Natürlich darf bei einem Psychothriller auch mal einem der Protagonisten ein Gewaltverbrechen zustoßen, doch dieser Exzess an Vergewaltigungen (auch an Kindern), Mord, Folter und Totschlag ist in doppelter Hinsicht irritierend. Zum einen irritiert die überdrehte Fantasie des Autors, wenngleich man an anderer Stelle von der Innovationskraft profitiert, zum anderen irritiert, dass ein solcher Blut-und-Folter-Roman derart populär sein kann, dass er die Bestsellerlisten – und nicht nur die Spiegel-Rankings – stürmt und hunderte begeisterte Rezensionen erhält. Was es über eine Gesellschaft aussagt, die sich derart gewaltbegeistert zeigt, mögen gerne an anderer Stelle Soziologen und Psychologen beraten.
Spannung, wenn man denn die Gewaltszenen aushält, soviel sei gesagt, hält der Roman bereit. Und nichts ist, wie es zunächst scheint. Das Buch hält überraschende Wendungen bereit und die Handlung ist selbst für erfahrene Thrillerleser nur schwer voraussehbar.