Rezension von Annemarie
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. So selbstverständlich uns dieser Satz über die Lippen kommt, so unwahr ist er selbst in der heutigen Zeit, und das nicht etwa in einem Entwicklungsland, sondern – in Deutschland! Das glaubt ihr nicht? Lest dieses Buch! Die Autorinnen, die Journalistinnen Gabriela Häfner und Bärbel Kerner, erläutern, dass in Sachen Gleichberechtigung in den letzten Jahren und Jahrzehnten keineswegs Fortschritte, sondern – im Gegenteil – vielfach Rückschritte gemacht wurden.
Primär gehen sie dabei auf die berufliche Ebene und zeigen, dass Frauen im Beruf deutlich schlechter gestellt sind als Männer. Doch die Situation sieht keineswegs nur in Deutschland so düster aus. Auch auf internationaler Ebene ist die Situation ähnlich. Selbst in den in punkto Gleichberechtigung doch als sehr fortschrittlich anerkannten skandinavischen Ländern ist die Gleichberechtigung noch immer nicht vollständig durchgesetzt.
Ausgehen von den Fakten, dass Gleichberechtigung in der heutigen Welt auch in Industrienationen eine schöne Utopie ist, gehen die Autorinnen hin zur Begründung über, weshalb Frauen berufsmäßig nicht so viel erreichen wie Männer. Sie sind der Ansicht, dass die grundsätzlichen Anlagen von Mädchen und Jungen nahezu gleich sind. Die Autorinnen argumentieren, dass Mädchen und Jungen jedoch von klein auf in bestimmte Rollenbilder gedrängt werden, die dazu führen, dass sich Mädchen viel weniger selbstbewusst und aktiv verhalten als Jungen.
Dies führt im Erwachsenenalter dazu, dass Mädchen im Leben weniger durchsetzungsstark werden, viel seltener gut bezahlte Berufe ergreifen und seltener Karriere machen. Eine wesentliche Rolle kommt dabei ihrer Ansicht nach auch anderen Erziehern als den Eltern, etwa Pädagogen und – den Medien – zu. Nicht nur Sendungen wie „Germanys Next Topmodel“, die mittlerweile weithin als frauendiskriminierend anerkannt ist, auch diverse international bekannte Filme unterstützen, wie die Autorinnen zeigen, ein klischeehaftes und wenig emanzipiertes Frauenbild. Abschließend erläutern die Autorinnen, was getan werden muss und kann, um das Rollenbild der Frau hin zu einer gleichberechtigteren Frau zu modifizieren.
Rezension
Bei diesem Buch handelt es sich eindeutig um ein feministisches Buch mit dem Ziel, die Missstände und die Gründe für diese Missstände in Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft aufzudecken. Das ist erst einmal nicht schlecht. Und tatsächlich sind die Fakten und Argumente, die die Autorinnen anführen, erstaunlich erschreckend und fesselnd. So habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil ich es so spannend fand.
Allerdings sollte man auch wissen, dass dieses Werk provokativ verfasst wurde. Die Autorinnen wollen aufrütteln. Dabei überzeichnen sie die Situation teilweise ziemlich stark. So drastisch, wie die Autorinnen die Ungleichheit darstellen, ist die Realität in meinen Augen nicht. Das bedeutet leider auch, dass ich einige Thesen der Autorinnen – etwa, dass bei Mädchen in der Schule nur der Fleiß und das Bravsein gelobt wird, bei Jungen hingegen die Intelligenz – nicht stützen kann und manch andere Behauptung schlichtweg falsch ist. Dennoch ist das Buch überwiegend wissenschaftlich fundiert geschrieben. So werden zu einem Großteil der Fakten und Thesen Quellen als Fußnoten angegeben, die in den Anmerkungen im Anhang ausführlicher erläutert werden.
Wenn man das Buch also mit dem nötigen Maß an Kritik liest und nicht alles, was drinsteht, für bahre Münze nimmt, erhält man eine wunderbar anregende Lektüre, die einen das eigene Rollenbild hinterfragen lässt und dazu ermuntert, gegen den Strom zu gehen und sich als Frau selbst auszuleben. Dieser Vorteil wiegt aus meiner Sicht die Nachteile auf, sodass ich das Buch durchaus empfehlenswert finde.
Fazit
Für alle Frauen, die einfach leben wollen und die formelle Gleichberechtigung hinterfragen, ein wunderbar anregendes Buch, das sehr interessant geschrieben ist.