Rezension von Mona
„Die ganze Insel schien eine zweite Seite zu haben, eine Schattenseite; jenseits von Meeresblau und Frühlingsgrün lebte etwas anderes, das man nicht greifen konnte. Es war unheimlich.“ (S. 52)
„Grenzlandtage“ ist ein Jugendbuch aus dem Oetinger Verlag, das 2016 als gemeinsames Projekt der beiden renommierten Autoren Antonia Michaelis und Peer Martin erschien und sich der leider sehr aktuellen Flüchtlingsproblematik annimmt.
Peer Martins Schreibkünste waren mir bis dato nicht bekannt. Ich wusste zwar, dass er ein preisgekrönter Jugendbuch-Autor ist, der sich nicht scheut seine Leser mit unbequemen Wahrheiten zu konfrontieren, doch gelesen hatte ich bis vor kurzem nichts von ihm. Anders sieht es bei Antonia Michaelis aus. Ich habe fast alle ihre bisher erschienen Werke gelesen und jedes von ihnen absolut genossen, ja ich zähle Frau Michaelis sogar zu meinen Lieblingsautoren. Und genau hier liegt mein ganz persönliches Problem mit der Geschichte; meine Erwartungen konnten leider so gar nicht erfüllt werden. Aber dazu später mehr.
Worum geht es überhaupt?
Jule steht kurz vor dem Abitur. Um sich ausgiebig auf ihre bevorstehenden Prüfungen vorbereiten zu können, reist sie alleine auf eine griechische Insel, idyllische Natur, freundliche Bewohner, die ihre Gäste mit offenen Armen empfangen. Und mitten unter ihnen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die unsichtbar werden müssen, um überleben zu können. Einer dieser Flüchtlinge beginnt Jules Herz zu erobern und schon bald empfindet sie ihr westliches Leben als trivial, wünscht sich nichts sehnlicher als Asmans Nähe, der Flüchtling, der nur eine Richtung kennt; vorwärts.
Peer Martin hat hier wohl den größeren Anteil der Geschichte, denn er schildert die Sicht unserer Protagonistin Jule. Asman, dem Antonia Michaelis eine Stimme gab, kommt verhältnismäßig ziemlich kurz. Kennt man den Schreibstil der Autorin, merkt man dies sofort, denn sie schreibt immer sehr poetisch und bildhaft. Peer Martin hingegen hat einen flüssigen, aber recht schnörkellosen Schreibstil. Beide gemeinsam ergeben eine interessante Mischung, die mir aber nicht so recht gefallen wollte.
Die Charaktere sind beide schön gezeichnet. Jule ist die aufgeweckte und ziemlich toughe Deutsche, die vielleicht nicht unbedingt einen Sympathie-Wettbewerb gewinnt, dafür aber ziemlich reflektiert ist, was für die Geschichte wahnsinnig wichtig ist. Asman ist der geheimnisvolle Flüchtling, der sich danach sehnt, lebensbejahenden, fröhlichen Jazz auf seiner Oud zu spielen und so wenig wie möglich von sich preisgibt. Die Harmonie zwischen den beiden konnte mich allerdings nicht so ganz erreichen.
„Dieses Mädchen ist Jahrhunderte weit entfernt von der Welt, in der du lebst. In ihrer Welt gibt es keine Probleme. Ein Paradies, verschlossen mit einem Schloss, das nur ein roter Pass mit goldenem Adler aufschließt.“ (S. 91)
Was die Geschichte auf jeden Fall transportieren kann, ist Sensibilität für die Themen Flucht, Fremde, Verzweiflung und Einsamkeit. Was es bedeutet, eine Heimat bloß noch im Herzen zu tragen und nie zu wissen, ob man willkommen ist oder gehasst wird. Und zudem dass es niemandem wehtut, heimatlosen Menschen mit Freundlichkeit zu begegnen und persönliche Unterschiede zu nutzen, anstatt sie zu fürchten.
Was die Geschichte für mich persönlich allerdings nicht geschafft hat, ist mit Originalität zu punkten. Die Handlung folgte einem Jugendbuch typischem Schema, das jeder in der Form schon oft gelesen haben wird. Und genau dieser Punkt nahm mir den Spaß am Lesen. Natürlich sind hier zwei Autoren am Werk und man kann nicht erwarten, dass ein Autor sich komplett durchsetzt und der andere irgendwie mitzieht. Aber das, was ich an Frau Michaelis so schätze, ist eben ihre Originalität, ihren Schreibstil und die Mystik, die jeder ihrer Geschichten anhaftet. Deswegen und obwohl die Thematik an sich sehr spannend und wichtig ist, hab ich mich aufgrund der Schlichtheit der Geschichte teilweise ziemlich gelangweilt.
Dies ist allerdings, wie gesagt, eher ein persönliches Problem von einer Michaelis-verwöhnten Leserin. Das macht die Geschichte nicht unbedingt weniger lesenswert.