„Sie begann, zu lieben. Vielleicht nicht unbedingt eine andere Person. Auch nicht sich selbst. Vielleicht zunächst nur diesen stillen verschneiten Hof und das Glück, etwas Gutes zu tun.“ (S. 144)
„Mr. Widows Katzenverleih“ ist der aktuelle Roman der renommierten Autorin Antonia Michaelis, erschienen 2017 im Knaur Verlag. Mit ihren Geschichten schaffte es die Autorin bislang immer, mich in eine Welt von Mystik und Poesie zu entführen, der ich nur entkommen konnte, wenn ich des Rätsels Lösung geknackt hatte. Nicht umsonst nimmt sie immer mehr Platz in meinem Regal ein. Doch ihr neuestes Werk ließ mich etwas ratlos zurück – ratlos, ob hier wirklich meine liebste Autorin am Werk war und ratlos, ob es vielleicht einen Bruch in unserer Beziehung gab.
Aber worum geht es überhaupt?
Nancy flieht vor ihrer Vergangenheit und sieht sich urplötzlich in einem Müllcontainer voller Katzenbabys wieder. Dort findet sie der kauzige alte Mr. Widow, der sowohl für Nancy, als auch für die Katzen, eine Verwendung findet. Er ist der weltweit erste und einzige Leiter eines Katzenverleihs, in dem seine pelzigen Mitarbeiter einsamen Frauen Gesellschaft leisten, als Verkupplungsagenten arbeiten und das Leben der Klienten bereichern. Wichtig ist: Die Katze sucht sich ihren Klienten selbst aus.
Nancy verliebt sich schnell in ihre neue Assistentinnentätigkeit und ihr neu gefundenes Zuhause. Doch ihre Vergangenheit scheint sie einzuholen, immer wieder taucht eine Frau auf, die Nancy zum Verwechseln ähnlich sieht. Realität oder Einbildung? Diese Frage muss sich unsere Protagonistin stellen und zudem mit Mr. Widow um seine Zukunft bangen…
Zugegeben, ich bin kein Katzenfan. Noch nicht einmal ein Katzenfreund, aber ich war der Meinung (und bin es auch noch!), dass, wenn jemand mir diese Tiere näherbringen kann, dann Frau Michaelis. Und genau so war es. Ihr ist es ganz wunderbar gelungen, das Wesen der Vierbeiner einzufangen und ihnen unterschiedliche Charaktere einzuhauchen. Angefangen bei der Königlichkeit und der Anmut, mit denen sie sich bewegen, bis zu ihrer Starrköpfigkeit, Gleichgültigkeit, Individualität und Überheblichkeit. Aber ebenso die Zuneigung und Freundschaft, die sie bestimmten Lebewesen gegenüber erübrigen. Ja, auch wenn das in der Realität selten so ist, so mochte ich die tierischen Charaktere hier sehr und ich konnte durchaus nachvollziehen, wie sie so viel Verehrung finden können.
Und auch Mr. Widow, der so viel intelligenten Spürsinn und Feingefühl an den Tag legt, ist ein bemerkenswert interessanter und liebevoller Charakter. Und trotzdem wollte der Funke nicht über springen und tatsächlich waren Mr. Widow und seine Mitarbeiter das, was mir am positivsten in Erinnerung blieb. Woran lag das? Die Einleitung in das Buch verlief gewohnt bildhaft, neugierig machend. Aber leider merkte ich schnell, dass sich diese Geschichte von anderen Michaelis’ unterscheiden sollte.
Es gab zwar typische Elemente (Mystik, Realität vs. Fiktion/Halluzinationen), aber alles in allem wirkte es für mich sehr glattgebügelt, entschärft. So als ob die Autorin ein Manuskript eingereicht hätte und der Lektor es mit den Worten zurückgab: „Bitte weniger provokant schreiben, Zielgruppe beachten, Stilmittel xy einfügen, weniger Poesie, mehr Action.“ Genauso fühlte es sich an. Und schmerzlich vermisste ich meine Lieblingsautorin, die mich verzaubert, die aneckt und sich Dinge zu schreiben traut, die man bei Bestsellern sonst selten liest.
Ist es jetzt meine persönliche Weigerung, eine Veränderung zu akzeptieren (typisches Fan-Verhalten), Antonia Michaelis tatsächliche Veränderung oder eine externe Erwartung an sie, die sie erfüllen muss? Das weiß ich leider nicht, ich werde es aber mit Sicherheit im Laufe ihrer weiteren Werke auf die ein oder andere Art erfahren, denn so schnell werde ich sie nicht aufgeben.