Die Dompfarrerin, brutal ermordet und als Todesengel zur Schau gestellt, dazu ein Schlüssel mit der Zahl 17 – das erwarten die Ermittler des LKA in Berlin, als sie den Berliner Dom betreten. Tom Babylon tut alles, um an dem Fall dran zu bleiben, denn er sieht in ihm eine Spur zu seiner vor Jahren verschwundenen Schwester Viola. Er bekommt er die Leitung des Falls entzogen, soll unter dem ungeliebten Kollegen Jo Morten arbeiten, und zu allem Überfluss noch eine Partnerin, die Psychologin Sita Johanns an die Seite gestellt.
Doch keine zwei Tage später verschwindet die Tochter der Toten, und schnell wird klar, dass das kein gewöhnlicher Fall ist. Toms Vergangenheit holt ihn ein, als auch noch die anderen seiner Clique aus seiner Jugendzeit mit hineingezogen werden. Jemand ist auf Rache aus.
SPRACHLICH/LITERARISCH
Der Thriller beginnt mit einem Prolog, welcher eine Situation kurz vor dem ersten Kapitel schildert. Er soll Spannung erzeugen und den Leser bei der Stange halten, gibt aber keine direkten Informationen preis, wie es beispielsweise bei einer Rückblende in die Vergangenheit der Fall gewesen wäre. Der Thriller ist in drei Teile geteilt, die dabei in der Kapitelanzahl schwanken. Was genau für einen Zweck diese Unterteilung erfüllt, wurde mir nicht ganz klar.
Die Handlung an sich hat einen personalen Erzähler, der zwischen den Charakteren wechselt und aus deren Sicht berichtet. Das Hauptaugenmerkt liegt dabei bei dem Ermittler und Hauptcharakter Tom Babylon, aber auch aus Sicht der anderen Personen, die für die Handlung wichtig sind, wird erzählt. Einzig den Täter wird dabei ausgespart. Aus diesem Grund erhält der Leser keine Informationen zum oder vom Täter, durch die er den Ermittlern weit voraus wäre.
HANDLUNG
Die Handlung folgt meiner Ansicht nach zwei Hauptantriebskräften. Einerseits sind das die Ermittlungen zu den Morden, andererseits Tom Babylons persönliches Bestreben nach Aufklärung des Verschwindens seiner Schwester. Die polizeilichen Ermittlungen sind schlüssig, mit dem grausam inszenierten Mord am Anfang im Berliner Dom ist die Spannung beim Leser geweckt und es folgt ein logischer Handlungsaufbau mit logischer Vorgehensweise. Durch die verschiedenen Blickwinkel wird die Spannung gehalten, zudem erhält der Leser Informationen, die ihn zum mitdenken anregen, jedoch keine sportlichen Denkleistungen von ihm erfordern.
Ab der Mitte des Bestsellers machte es mir den Anschein, als kämen die Ermittlungen dem Ziel nicht wirklich näher, als hätte dem Autor Marc Raabe die Ideen gefehlt, wie sich die Polizisten Stück für Stück vorarbeiten, ohne zu schnell die Lösung zu finden. Im letzten Teil kam dann alles Schlag auf Schlag: Gut durchdachte, vernetzte, logische Zusammenhänge, wie sie hätte nur das Leben schreiben kann, führten schließlich in die richtige Richtung. Die letzten endliche Aufklärung folgte aber, mehr zufällig aber von Raabe gut platziert, einem Hinweis von einer außenstehenden Person, dem zuerst die neugierige Psychologin Johanns nachgeht und dann die Intuition von Tom Babylon anspricht, der daraufhin dem Täter begegnet.
Gelungen ist die unreale Viola, die in Babylons Gedanken immer wieder an seiner Seite steht und mit ihm spricht, was Ausdruck seiner emotionalen Aufgewühltheit und dem hartnäckigen Wunsch, das Verschwinden aufzuklären, ist. Ebenfalls passend sind die Rückblenden in Toms Jugendzeit, die die Verbindung des gegenwärtigen Falls mit den damaligen Geschehnissen verdeutlicht und klar macht, dass diese Verbindung für die Aufklärung des Falls von Bedeutung ist. Jedoch hätten diese Rückblenden regelmäßiger und häufiger vorkommen können, sie wirken in gewisser Weise wie hingeworfen, wie ein Lückenfüller, auch wenn sie eine wichtige Rolle für die Handlung spielen.
Im letzten richtigen Kapitel vor dem Epilog werden die Zusammenhänge von Tom und Sita Johanns nochmal rekapituliert, da zwar im Kapitel vorher alles aufgeklärt, aber noch nicht entwirrt wurde. Der Epilog zum Schluss gibt Ahnung auf weitere Geschehnisse, die mit der Handlung in Zusammenhang stehen, aber von den Ermittlern nicht erfasst wurden. Einerseits lässt es dem Leser etwas Platz für Vorstellungen, andererseits erweckt es auch den Wunsch nach Klärung und die Hoffnung, dass das im zweiten Fall für den Ermittler Tom Babylon aufgeklärt wird.
PERSONEN/CHARAKTERE
Die Personen im Bestseller sind echt und bleiben sich in der fortschreitenden Handlung treu. Babylon ist ein hartnäckiger, nicht ganz regeltreuer aber dennoch guter Ermittler. Seine Achillesferse ist die Fixation auf seine Schwester, das Nichtloslassenkönnen der Vergangenheit, die ihren Tribut fordert. Johanns ist eine kluge, neugierige und standhafte Psychologin, die erkennt, dass bei Tom mehr als nur polizeiliches Interesse an dem Fall vorhanden ist. Sie bleibt ihm im Verlauf der Handlung treu, da sie beide ihre Geheimnisse haben. Auch die Interaktion der Personen wirkt authentisch genauso wie die Konflikte, die durch die Andersartigkeit der Charaktere zustande kommen. Die Person, über die im Buch bis zum Ende kein Wort verloren wird, über den der Leser nichts erfährt und zu dem auch die Polizei keine konkrete Spur hat, ist der Täter.
ABSCHLIEßENDES GESAMTBILD
Das Werk von Raabe gibt ein gelungenes Gesamtbild ab. Die Handlungen sind insgesamt schlüssig und die Situationen nachvollziehbar.
Das Werk ist ein interessanter Auftakt zu einer Buchreihe über den Ermittler Tom Babylon, der aber durchaus Potential nach oben hin hat. Es lässt sich durch eine flüssige Sprache gut lesen und man kommt trotz des Umfangs durch die Stärke des Papiers rasch voran.
Mich als Leser hat der Bestseller-Thriller nicht wahnsinnig gefesselt, ich hatte aber Freude daran, es zu lesen und bin auf die nächsten Fälle gespannt.