Rezension von Anjana

Die junge Leni kommt nach Hamburg, für drei Wochen, um ein Praktikum bei einem Verlag zu machen. Wider erwarten schließt sie trotz ihrer Schüchternheit und Ängste schnell Bekanntschaft mit der Zimmernachbarin Vivien, die sie mit dem Hamburger Partyleben bekanntmachen will. Doch kaum hat sie damit angefangen, verschwindet Vivien spurlos. Leni macht sich Sorgen und beginnt, nachzuforschen. Und bringt zusammen mit Freddy und dem Kommissar Jens Kerner etwas Grausames zu Tage.

SPRACHLICH/LITERARISCH

Der Bestseller hat weder Prolog noch Epilog, er besteht aus sieben Kapiteln, die in weitere Unterkapitel geteilt sind. Dabei ist die Anzahl von Kapitel zu Kapitel verschieden. Einen direkten Zusammenhang zwischen den Einteilungen der Kapitel und der dramaturgischen Abfolge der Handlung lässt sich nicht direkt erkennen.

Die Handlung hat einen personalen Erzähler, der sich bei verschiedenen Charakteren aufhält und aus deren Sicht erzählt. Jedes Unterkapitel wird meist nur aus der Sicht einer Person erzählt, was auch der Grund ist, warum es sehr kurze Unterteilungen von beispielsweise nur einer Seite gibt. Den Täter spart der Erzähler nicht aus, auch ihn lässt er sprechen, allerdings ohne Name und Hinweise auf seine Identität, was dafür sorgt, dass die Spannung erhalten bleibt, da der Leser keine Ahnung hat, wer hinter all dem steckt.

Sprachlich gesehen zeigt der Schreibstil Erfahrung. Andreas Winkelmann weiß, worauf es ankommt, wie der Lesefluss bleibt, sodass der Leser dran bleibt und sich nicht an langen oder verschachtelten Sätzen abmüht. Die Formulierungen sind ausgefeilt und sprachliche Mittel wie Metaphern, Bilder, Euphemismen und Ähnliche passend eingebaut. Jedoch kann ich kein besonderes Merkmal am Stil erkennen, nichts, woran man den Autor direkt wiedererkennen würde. Gemütlich und Spannung erzeugend, jedoch nichts Außergewöhnliches.

HANDLUNG

Der Autor benötigt etwa die erste Hälfte des Buchs, um die Handlung aufzubauen, alle Personen von Belang vorzustellen und das Grundproblem zu schildern. Dabei sind die Schilderungen aber nicht langatmig, der Leser wird durch immer wieder auftretende Veränderungen und Neuigkeiten am Buch gehalten. Die drei Handlungsstränge, sie Situation von Leni Fontane, von Freddy Krüger und die Ermittlungen von Jens Kerner, laufen zu Anfang scheinbar verbindunglos nebeneinander her und finden erst nach und nach zusammen, um sich am Ende schließlich zu beeinflussen beziehungsweise voranzutreiben.

Für einen Moment stutzig geworden bin ich bei der Absicht des Täters. Am Anfang hat man den Anschein, der Täter hält junge Frauen gefangen, um sie für sich arbeiten zu lassen, an ihnen seine Bedürfnisse und Vorlieben auszuleben. Diese Vorstellung passte auch wunderbar zum Titel des Buches.

Allerdings scheint die Absicht eine ganz andere zu sein, da sich für die junge Frau Vivien die Gefangenschaft anders entwickelt, als der Leser es erwartet. Am Ende schien mir immer noch nicht ganz klar, was genau nun der Täter beziehungsweise die Täter beziehungsweise die Täterin damit bezwecken wollte, was vielleicht daran lag, dass die noch lebende Täterin am Ende keine Aussage macht und es nur Spekulationen von Seiten der Polizei gibt. Für einen Moment hatte man als Leser das Gefühl, der Autor wüsste es selbst nicht so richtig.
In den letzten Szenen wird die Spannung noch einmal erhöht, sodass es nur schwer ist, das Buch am Ende wegzulegen.

PERSONEN/CHARAKTERE

Die Personen kommen nach und nach zusammen, was am Anfang etwas unübersichtlich scheint, da meist alle Personen mit Vor- und Nachnamen auftreten. Sobald dann aber alle im Bild sind, kommen sie auch häufig genug vor, um zu wissen, von wem gerade die Rede ist. Die Personen sind sich im Buch weitestgehend treu geblieben. Leni Fontane, zu Anfang als ängstliche junge Frau dargestellt, ist die einzige Person, die im Laufe der Handlung eine Verwandlung durchmacht. Sie wird selbstbewusster, mutiger, was sie sich selbst, wie sie sagt, gar nicht zugetraut hätte. Trotzdem kommt hin und wieder noch die alte Leni hervor, meist in den Situationen, in denen sie mit ihrem neugewonnenen Selbstvertrauen nicht weiterkam.

Der einzige Charakter, der am Ende nicht mehr zu hundert Prozent der zu sein scheint, der er zu Anfang war, war Freddy Förster. Ein gestandener Mann, der schnell gutes Geld gemacht, geheiratet und sogar einen Sohn bekommen hat, dann jedoch auf der Straße landet. Seine Gedanken zu Anfang passen zu dem Mann, der mindestens Mitte dreißig sein muss. Gegen Ende werden seine Gedanken „jünger“, sie scheinen nicht mehr richtig zu dem erwachsenen Mann zu passen, eher zu einem Jugendlichen beziehungsweise jungen Mann.
Ob das von dem Bestseller-Autor so beabsichtigt war, ist schwer zu sagen.

ABSCHLIEßENDES GESAMTBILD

Das Werk gibt ein gelungenes Gesamtbild ab. Die Handlung ist schlüssig, die Aufklärung des Falls durch die Polizei logisch. Der Schreibstil ist nicht außergewöhnlich, jedoch flüssig zu lesen und ausgebaut in der Sprache. Der Thriller lädt zum gemütlichen Lesen auf dem Sofa ein und sorgt für eine angenehme Ablenkung vom Alltag.