In der Übersetzung von Melanie Walz
Rezension von Mona
Eines der prägenden weiblichen Werke der Weltliteratur ist Mrs. Dalloway. Als belesener, bibliophiler Mensch müsse man es unbedingt gelesen haben, heißt es. Und obwohl ich dem Werk seine Klassikerqualität nicht absprechen würde, fühlte es sich für mich dennoch nicht wie eines an, das heutzutage noch wegweisend wäre.
In „Mrs. Dalloway“ begleiten wir die titelgebende Clarissa Dalloway und andere in irgendeiner Form mit ihr agierende Figuren, wie sie 24 Stunden in London verleben, wobei uns Clarissas Gedanken durch die Geschichte tragen. Wir konzentrieren uns hier also auf die Figurenkonstellation und deren gedankliche Entwicklungen und ihre daraus resultierenden Handlungen. Es geht um die Reflektion des Lebens und des Alters, um Traumata und Tod, Liebe und das Verblassen von Liebe, Vorurteile und Klischees. Und Woolf scheute sich auch nicht, von männlicher Emotionalität und gleichgeschlechtlicher sexueller Anziehung zu erzählen, was im Kontext der Zeit, zu der es veröffentlicht wurde (1925), bemerkenswert ist.
Was den Roman außerdem aus dem Canon der Weltliteratur herausstechen lässt, ist seine Erzählweise. Ich kann es nur aus einer modernen Perspektive beurteilen, aber für mich fühlte es sich an wie ein ungeschnittener Film, in welchem die Kamera aus der Vogelperspektive auf London zu kommt, dynamisch mehreren Menschen folgt, um sich dann auf ein oder zwei Figuren zu konzentrieren und für diese Szene stehenbleibt, nur um sich danach abzuwenden und die Spur anderer Figuren aufzunehmen und sie allmählich in den Fokus zu rücken. Ein Stilmittel, das das Gezeigte sehr nahbar, echt und lebendig wirken lässt.
Und auch sprachlich (hier in der Übersetzung von Melanie Walz) ist die Geschichte unbestreitbar meisterlich erzählt:
„So bündeln sich an einem Sommertag die Wellen, stürzen übereinander und fallen; bündeln sich und fallen; und die ganze Welt scheint zu sagen: ‚Das ist alles‘, immer gewichtiger, bis sogar das Herz in dem Leib, der in der Sonne am Strand liegt, ebenfalls sagt: ‚Das ist alles. Fürchte nicht mehr‘, sagt das Herz. ‚Fürchte nicht mehr‘, sagt das Herz, vertraut seine Bürde einem Meer an, da für allen Kummer der Welt seufzt, und wieder und von vorn, bündelt, fallen lässt. Und nur der Leib lauscht der vorbeifliegenden Biene, den Wellen, die sich brechen, dem bellenden Hund, der weit weg bellt und bellt.“ (S. 70 – 71)
Wenn Mrs. Dallow noch heute zu begeistern vermag, dann auf Grund dieser sprachlichen Wucht und der Inszenierung. Doch wie ich eingangs sagte, konnte mich die Essenz der Geschichte, aus Sicht eines Viel- und Gernlesers, nicht nachhaltig beeindrucken. Zu banal und ja, ich muss es leider so sagen, uninteressant, waren mir die Gedanken der Figuren teilweise, allen voran die unserer Titelfigur. Was sich für mich sehr ironisch anfühlt, da Virginia Woolf eine erstaunliche Persönlichkeit mit einer wunderbaren Verkopftheit war und der Fähigkeit, Sätze für die Ewigkeit zu formulieren. Und für meinen Geschmack gab es hier auch zu wenig Reibung und Konflikt, um der Versnobtheit den Spiegel vorzuhalten (wenn man mal von dem tragischen Ende absieht, das konfliktreicher nicht sein könnte). Wenn ich also ein Werk empfehlen müsste, dass sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen, (Selbst-) Reflektion und Vorurteilen sowie deren Folgen auseinandersetzt, dann wäre es eher ein anderes. Wenn man mich allerdings nach einem sprachlichen Meisterwerk fragte, das die Kulturlandschaft auch in seiner Inszenierung geprägt hat, dann würde ich guten Gewissens zu Mrs. Dalloway raten.