Guido Kasmann im Interview

 

(c) Guido Kaßmann

(c) Guido Kaßmann

Guido Kasmann ist 1959 in Köln geboren, Vater von zwei Kindern und war 20 Jahre Grundschullehrer und in der Lehrerausbildung der Primarstufe im Fach Musik in NRW tätig. 2003 veröffentlichte er seinen ersten Kinderroman „Appetit auf Blutorangen“, der inzwischen in der 11. Auflage erscheint. Zu seinen Romanen veranstaltet er jährlich bis zu 250 Lesungen in ganz Deutschland, vornehmlich vor Grundschulkindern in Schulen, Buchhandlungen und Bibliotheken. In den Lesungen erzählt, spielt und musiziert er zur Thematik seiner Geschichten. Seit 2009 lebt er als Schriftsteller in Köln.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Beim Schreiben denke ich nicht darüber nach, aber wenn ich in eine Buchhandlung gehe, schon. Ich frage mich dann kurz, ob es wohl auffällt, wenn ich eine Geschichte nicht schreibe. Aber dann überwiegt die Freude am Erzählen und die Hoffnung, dass es dafür noch ein paar Leser und Leserinnen geben wird.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Die Rankings spiegeln nun mal – mit Einschränkungen – den Lesergeschmack wider. Leser wünschen sich Tipps. Je differenzierter, ansprechender und vielfältiger sie sind, um so besser. Gefährlich wird es m.E., wenn Betreiber solcher Rankings eine Monopolstellung erhalten (z.B. auch Amazon) und diese auch manipulieren.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Kenne ich alles …. Wer nicht? Als Kölner bin ich wohl mit einem unerschütterlichen Optimismus gesegnet und spreche in solchen Fällen §3 des Kölschen Grundgesetzes: „Et hät noch immer jot jejange!“

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Marketing, in welcher Form auch immer, ist wichtig. Die Pflege meiner Website, das „Füttern“ der Facebook-Seite, Verschicken von Newslettern, das Gestalten von Flyern, Plakaten etc. gehört zur Arbeit eines Autors dazu. Inklusive Lesungen macht das bei mir sicher 50 % der Arbeit aus.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Auf das Marketinginstrument der „freundlichen Offenheit“. Dem Neuling würde ich sagen: „Freue dich über jeden deiner Leser, zeig ihm deine Freude, denn er wird dein Buch vielleicht empfehlen, verschenken oder wohlwollend rezensieren. Kümmere dich um deine Leser und Leserinnen. Ob online oder traditionell, ist nicht so wichtig. Du musst sie nur erreichen können.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Das sind zu viele, um sie hier aufzulisten. Aber als Kinderbuchautor bin ich in erster Linie von Astrid Lindgren, aber auch von Michael Ende beeinflusst.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Als Newcomer tut man gut daran, nicht über diese Dinge nachzudenken, sondern zu schauen, was kann ich denn tun, um mit meinen Büchern ein Lesepublikum zu gewinnen. Man kann ein glücklicher Autor sein und viele Bücher verkaufen, ohne seinen Namen je im Feuilleton gelesen zu haben. Ich bin selber kein Newcomer mehr, sondern lebe schon viele Jahre von meinen Geschichten, aber meinen Namen kennt sicher kein Feuilletonist.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Es ist wichtig, eine Geschichte ruhen zu lassen. Hat man sie endlich geschrieben, liegen lassen, liegen lassen, liegen lassen, sicher ein halbes Jahr. Dann wieder überarbeiten, dann wieder liegen lassen … Das kann man beliebig wiederholen. In der Zwischenzeit kann man andere Geschichten schreiben; die müssen ja dann auch wieder liegen. Nicht nur Geschichten reifen mit der Zeit, auch der Autor reift. Man wird in der Regel im Schreiben besser durch das Schreiben. Zudem Workshops besuchen, sich mit anderen Newcomern (oder Profis) austauschen, Kritik annehmen lernen … Ach, es gibt viele Tipps, aber die Fehler sind ja auch wichtig für das Lernen.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

(c) Guido Kasmann

(c) Guido Kasmann

Da ich Kinderbücher schreibe, habe ich zu diesem Thema keine Erfahrungen. Grundsätzlich versuche ich aber, wenn ich mich schwer tue, eine Szene zu erzählen, es auszuprobieren (wenn das schadlos möglich ist), schaue Fotos dazu, recherchiere eben … Ich schreibe zuweilen auch eine Szene in mehreren Versionen. Und auch für mich ist der Austausch mit anderen Schreibprofis in solchen Fällen wichtig.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Auch in meinen Kinderbüchern bin ich indirekt politisch. Ich erzähle von Intoleranz, Ausgrenzung u.a.. Meine Figuren verhalten sich. In diesem Moment sind sie politisch, denn sie handeln in einer fiktiven Gesellschaft und bieten dem Leser eine Verhaltensmöglichkeit an. Mit dieser Tatsache muss ich als Autor gewissenhaft umgehen. Deshalb darf man aber nicht versuchen, Weltverbesserer-Romane zu schreiben.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich bin der Lerchentyp. Ich schreibe am liebsten morgens, wenn ein Großteil der Welt noch schläft, schaue beim Schreiben aus dem Fenster und verfolge am Rande, wie das Licht in den Tag kommt. Ich bemühe mich, um 8 Uhr spätestens am Schreibtisch zu sitzen (oder früher) und schreibe bis mittags.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Mein nächstes Buch ist schon fertig und wird gerade lektoriert. Es handelt von einem Jungen, der eher durch Zufall Spaß am Gedichteschreiben findet. In einem Tagebuch, das er eigentlich für seine Lehrerin anlegt, erzählt er von seinen Versuchen, Themen und Reime zu finden, aber auch von seiner verrückten Familie, die seine Leidenschaft für die Lyrik erst schräg und dann sehr faszinierend findet. Es heißt: „Theo – Das Tagebuch“ und erscheint im Frühjahr im Buch Verlag Kempen (BVK).

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

 

Guido Kasmann im www