Interview mit Eva Karnofsky
Eva Karnofsky ist promovierte Politologin, stammt aus Wesel und war zehn Jahre lang als Journalistin für die Süddeutsche Zeitung in Buenos Aires tätig. Auch literarisch befasst sie sich mit Lateinamerika. Mit ihrem letzten Krimi Opferfläche ist sie jedoch zu ihren niederrheinischen Wurzeln zurückgekehrt. Sie lebt heute in Hamminkeln und arbeitet als Autorin und Literaturkritikerin u.a. für Deutschlandfunk, WDR und SWR.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Überhaupt nicht. Am Anfang habe ich immer eine Idee, ein Thema, das ich verarbeiten will, weil ich es für notwendig erachte, darüber zu schreiben. Meine Bücher haben immer einen politischen oder gesellschaftlichen Hintergrund, und für mich sind sie eine Möglichkeit, auf Missstände aufmerksam zu machen oder einen Blick hinter Kulissen zu werfen. So entstanden jedenfalls mein Kuba-Roman Die Straße der Tugenden oder mein Krimi Opferfläche, bei dem es um das aktuelle Thema Fracking geht.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Bevor ich in Urlaub fahre, gucke ich auch immer mal drauf, ob ich irgendwas davon dringend lesen muss. Ansonsten interessieren sie mich nicht.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Ich habe zehn Jahre lang für eine Tageszeitung gearbeitet. Seitdem kann ich immer schreiben, sogar todmüde oder verkatert. Das war eine gute Schule. Selbstzweifel beginnen bei mir immer erst, wenn ich das fertige Manuskript dem Verlag gebe.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Kann ich nicht genau sagen, nach Bedarf halt. Für Opferfläche waren es vielleicht zwei, drei Tage.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Auf eine Mischung von guter, alter Pressearbeit, Internetaktivitäten, Lesungen. Ganz wichtig ist aber auch das Netzwerken. So mancher Artikel, so manche Lesung entstanden per Zufall, über Freunde, Bekannte, Kollegen.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Ich habe lange in Lateinamerika gelebt und rezensiere auch bis heute viel lateinamerikanische Literatur. Deren Erzählfreude hat mich zweifellos beeinflusst.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Ich bin selbst Literaturkritikerin und kann nur sagen, dass das so nicht durchgängig stimmt. Die ARD-Sender, für die ich arbeite, sind jedenfalls immer ganz besonders an Erstlingswerken interessiert.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
An meine Anfängerfehler kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Neulingen würde ich raten, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn die ersten zwanzig Verlagsabsagen kommen.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Eben Sex-Szenen, denn da ist immer die Angst, zu viel von sich selbst preiszugeben.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Nach Die Straße der Tugenden mochte mich die kubanische Regierung nicht mehr und hätte mich wohl nicht mehr einreisen lassen. Bereits in den Neunzigerjahren hatte ich wegen meiner Zeitungsartikel auf Kuba einige Jahre Einreiseverbot, so dass ich damit schon gerechnet hatte. Von womöglich drohender Zensur darf man sich nicht beeindrucken lassen.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Ich tue jeden Morgen so, als ginge ich ins Büro, ich schaffe mir eine Routine. Duschen, frühstücken, Gang mir dem Hund und dann an den Schreibtisch. Mindestens fünfmal die Woche, sonst wird das nix.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Im September wird erneut ein Krimi erscheinen, der wieder am Niederrhein spielt und in dem wieder die Journalistin Karola Krauss recherchiert. Es geht um die Wohlstandsverwahrlosung von Kindern. Voraussichtlich ab Juni werde ich Karola Krauss dann erneut „begleiten“, es wird im weitesten Sinne um Nachbarschaftskonflikte gehen.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Eva Karnofsky im www