Interview mit Karl Otto Mühl

 

Geboren am 16.02.1923 in Nürnberg. 1929 zog Mühl nach Wuppertal, wo er von 1933 bis 1939 die Realschule besuchte. Danach absolvierte er eine Lehre zum Industriekaufmann in einer Metallwarenfabrik. Nach einem Jahr Kriegsdienst verbrachte er die Jahre 1942/47 in Kriegsgefangenschaft in Ägypten, Südafrika, USA und England. Nach seiner Rückkehr machte Mühl sein Abitur und wurde zunächst Werbeleiter, dann Export-Sachbearbeiter, Verkaufsleiter in verschieden Firmen und Exportleiter in einer Wuppertaler Metallwarenfabrik. Seit 1987 ist er als freier Schriftsteller tätig. 1970 heiratete er und hat mit seiner Frau drei Töchter. Er ist Mitglied bei PEN und VS, 1947 im TURM.

Foto@Frank Becker

Foto@Frank Becker

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über so was nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Keinen Augenblick. Schreiben ist mir selbst eine wichtige Lebensader.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Angenehm, wenn man darauf steht. Ich lese sie nicht, kann sie auch nicht beeinflussen. Umgekehrt möchte ich auch nicht beeinflusst werden.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Wissen, dass man nur in innerlich nacktem Zustand ganz bei sich selbst ist. Sich daran erinnern. Bescheiden werden.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Keine. Nur für Lesungen. Die Verlage tun Einiges.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Das Feuilleton gibt ja die meisten Informationen. Danach setze ich auf Mund-zu-Mund-Propaganda.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Heute sind es Fakten und Informationen aus allen Fachgebieten – von Medizin, Psychologie bis zur Neophysik. Meine Anreger waren vor vielen Jahre – ich bin jetzt 92 – virulent, meistens Angelsachsen wie Hemingway, Faulkner; Steinbeck, Maugham, Priestley, danach die Franzosen, besonders die katholischen. In Deutschland las ich lieber Enzensberger als die reinen Romanciers.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Foto@Torsten Krug

Foto@Torsten Krug

Ihrer Beobachtung stimme ich zu. Die Welt ist aber so wie sie ist. Die Rezensenten sind nicht immer autonom, viele übernehmen die Meinungen ihrer Kollegen. Magazine wie Ihres tun ja das, was die großen Feuilletons nicht tun können oder nicht wagen. Kleinverlage und regionale Gruppierungen tun das Ihre und werden nach meinem Empfinden wichtiger und stärker.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Den Größenwahn als Movens (Anm.: „Beweggrund“) zurückdrängen. Er sollte nicht stärker sein als die kreative Potenz. Wichtiger als die Gier nach dem bedeutenden „Produkt“ sollte die Sympathie für den Stoff und seine Personen sein. Und dass man Spaß dabei fühlt.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Was nichts aussagt als sich selbst, ist langweilig. Das gilt auch für Sex. Da ich so was nicht schreiben mag, tue ich mich auch nicht schwer. Wo Sex Wichtiges für die Person ausdrückt, hat er seinen Platz und es fällt mir nicht schwer, ihn zu beschreiben. Ekeliges mag ich auch nicht. Das Beschreiben von Brutalität oder Quälerei würde mir vermutlich schwer fallen.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Es wird meistens eine Belastung für den Autor und seine Werke, wenn er zum Parteigänger wird. Er büßt Freiheit ein.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Meistens habe ich mir feste Zeiten vorgenommen, vor allem in den Jahren meiner Berufsarbeit. Ein Rezept wäre, nicht auf viel oder wenig zu achten. Das heißt, dass man an einem schwierigen Tag theoretisch auch mit einem einzigen Satz zufrieden ist.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Das nächste Buch könnte heißen „Mein Leben als Greis“. Im Januar erschien „Totenwache“, im März „Aus dem Hinterhalt“ Satiren.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.


 Karl Otto Mühl im www


Preise für den Autor

1975 v.d. Heydt Preis
2006 Literaturpreis der Springmann Stiftung
2015 (April) Rheintaler