Interview mit Heinrich Peuckmann
Heinrich Peuckmann, Jahrgang 1949. Lebt im Ruhrgebiet bei Dortmund. Mitglied im Schriftstellerverband, in der Krimiautorenvereinigung „Das Syndikat“ und im PEN. Dort zur Zeit Mitglied im Präsidium. Heinrich Peuckmann schreibt Erzählungen, Romane, Lyrik, Essays. Auch Kinder- und Jugendbücher. Zuletzt erschienen der Ruhrgebietsroman „Leere Tage“, der mit dem Unglück bei der Loveparade beginnt, der Krimi „Angonoka“ über die Tiermafia, sowie der Lyrikband „Erinnern. Vergessen“ mit Grafiken von Willi Sitte.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Ja, daran denke ich schon. Ich sehe ja die Jahresernte, wenn ich zur Buchmesse gehe, die schon entmutigen kann. Aber dann sage ich mir, dass mein Buch wichtig ist, dass es ein Thema und eine Aussage hat, die gehört werden müsste. Das macht mich stark, mein Projekt durchzuziehen. Und es gibt ja auch Romane von mir, die auch lange nach dem Erscheinen in Schulen etwa eingesetzt werden, die gute Haltbarkeitswerte haben. Dass ich damals, als ich diese Romane schrieb, durchgehalten habe, macht mit Mut, es mit dem neuen Projekt genauso zu tun.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Die Bestsellerlisten lassen mich kalt. Das ist nicht meine Spielwiese. Ich habe angefangen zu schreiben, weil ich etwas aussagen will, nicht um riesige Auflagen zu erreichen. Trotzdem ist aber nicht jedes Buch auf der Bestsellerliste zwangsläufig oberflächlich oder gar schlecht. Meine Autorenfreundin Tanja Kinkel zum Beispiel finde ich da und sie schreibt gute Bücher.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Bei Durchhängern, die ich selten habe, gebe ich nach. Ich genieße dann ruhige Tage in meinem Garten, lese, jogge, gehe spazieren. Irgendwann ist die Lust wieder da, zu schreiben. Manchmal geschieht das, indem ich einen Auftrag bekomme. Spätestens dann suche ich wieder meinen Arbeitsrhythmus.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Im Internet muss ich präsent sein, anders geht das gar nicht. Buchbesprechungen in Zeitungen werden seltener, immer mehr junge Leute lesen gar keine Zeitung mehr, leider. Die Zeitungen stehen unter ökonomischem Druck. Bei der letzten Jahrestagung des PEN habe ich eine Veranstaltung zum Zeitungssterben moderiert. Roger Willemsen, der das Impulsreferat hielt, riet uns Autoren, nicht zu sehr auf die Zeitungen zu schielen. Der riet uns Autoren, gar nicht so sehr auf Zeitungen zu setzen, sondern die neuen Medien zu nutzen. Das leuchtete mir ein, ich habe längst eine Facebookseite, ich habe Kontakte zu Internetzeitungen usw. Ich merke, dass diese Beachtung der neuen Medien Wirkung hat, auch wenn ich es nicht überschätzen möchte. Es ist die Vielfalt, die Erfolg bringt: Lesungen, Artikel, neue Medien …
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Erst mal einen guten Text zu schreiben würde ich raten. Das ist der erste Schritt, der Rest kommt danach.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Da gibt es viele Schriftsteller. Als junger Mann habe ich viel von den Erzählungen von Siegfried Lenz profitiert. Er setzt gut um in Handlung, hat einen interessanten Plot und achtet auf Spannung. Später kamen andere hinzu. Gerd Hofmann zum Beispiel, den kennt kaum noch jemand. Ich lese viel, da beeinflusst mich jede Lektüre. Im Moment Faulkner.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Das würde ich auch gerne wissen. Ich merke, wie schwierig es ist, einen Feuilletonredakteur von einem Buch von mir zu überzeugen. Die wollen alle im Trend liegen, deshalb bespricht der eine, was der andere schon besprochen hat. Die müssten Lust auf Neuentdeckungen haben. Aber auch sie stehen unter Druck. Sie wollen ja in Jurys berufen werden, bei Symposien mitmachen usw. Da müssen sie selber (jedenfalls glauben sie das) Spielregeln beachten.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Ich habe am Anfang „zu klein“ gedacht. Mein Umfeld, meine eher bildungsferne Schicht, aus der ich stamme. Mein Vater war Bergmann, ich lebe in einer Kleinstadt. Ich hätte mich gleich an wichtigen Entwicklungen des Literaturbetriebs orientieren müssen, und sei es, um mich bewusst davon abzusetzen.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Sexualität ist ein wichtiger, vor allem schöner Teil unseres Lebens. Es gibt keinen Grund, da etwas auszusparen. Allerdings erinnere ich, dass ich anfangs Probleme, offen darüber zu schreiben. Die habe ich überwunden.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Politische Aussagen sind wichtig. Mich nervt die vorherrschende Befindlichkeitsliteratur, die gesellschaftliche Probleme bewusst ausblendet und auf Zustimmung beim Leser schielt. Ich finde das langweilig, auch bequem, manchmal feige. Ich unterscheide streng zwischen Antisemitismus und Kritik an der Regierungspolitik von Israel. Diese Kritik lassen ich mir nicht verbieten. Antisemitismus ist dagegen etwas, das einfach nicht geht. Jede Religion, egal welche (ich habe mir zum Beispiel im Süden Chinas animistische Religionen angesehen), geht davon aus, dass es etwas gibt, das uns übersteigt. Dies führt zwangsläufig dazu, dass man als religiöser Mensch demütig wird. Fanatismus, Intoleranz, Bekämpfung anders Gläubiger fällt demnach weg, wenn man Religion richtig versteht. Dort, wo Fanatismus herrscht, fehlt Demut, fehlt die Grundvoraussetzung religiösen Denkens. Das ist etwas, worauf man hinweisen muss.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Ich schreibe morgens. Dann mache ich eine Pause, nachmittags, wenn es geht, folgt eine zweite Runde. Abends kann ich schlecht schreiben, nachts, wie Honore de Balzac, schon gar nicht.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Ich schreibe gerade eine Novelle über Balzac. Dann kommt in den nächsten Wochen ein Krimi, in dem ich mich über Archäologie äußere: „Gefährliches Glitzern“.
Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Heinrich Peuckmann im www