Interview mit Hidir Celik

 

(c) Hidir Celik

(c) Hidir Celik

Hıdır Eren Çelik, am 16.06.1960 in Tunceli / Türkei geboren, ist Leiter der Evangelischen Migrations-und Flüchtlingsarbeit des Ev. Kirchenkreises Bonn und Vorsitzender des Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen (BIM) e.V. Seit 1999 hat Lehrauftrag an der Universität zu Köln im Fachbereich Interkulturelle Pädagogik und Schriftsteller (VS). Hidir Eren Celik ist auch Gesellschaft – Politisch aktiv und ist er seit 2004 Vorsitzender des Mietervereins Bonn/Rhein-Sieg und Ahr und seit November 2004 Gründungsmitglied und Vorsitzender der Evangelische Stiftung für Migrationsarbeit (ESMA). 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Hıdır Eren Çelik: Als Autor schreibe ich, ohne dabei über die Konkurrenz nachzudenken. Denn ich schreibe, um meine Literatur unter die Leute zu bringen. Die kommerzielle Seite ist zweitrangig. Außerdem: je mehr Leute zum Stift greifen, desto mehr fabelhafte Geschichten kommen ans Licht.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Hıdır Eren Çelik: Ich habe bis jetzt mich nicht an der Spiegel-Bestsellerliste orientiert, sondern an den Rezensionen und nach thematischen Schwerpunkten. Selbstverständlich habe ich meine Lieblingsautoren, deren Werke ich ohne Vorbehalt kaufe.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Hıdır Eren Çelik: Die Zeit heilt die Wunden. Ohne Zwang in Ruhe schreiben, ist mein Rezept.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Hıdır Eren Çelik: Bisher nicht so viel. Persönlich habe ich nicht so sehr mit diesen medialen Dingen befasst. Das soll auch weiterhin die Aufgabe der Verlage sein, ihre Autoren in der Öffentlichkeit präsent zu machen.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Hıdır Eren Çelik: Da ich selber noch nie Marketing für meine Bücher gemacht habe, kann ich da keine Tipps geben. Jeder muss nach seinen Möglichkeiten Werbung für seine Bücher machen. Neulinge sollen viel Lesungen veranstalten und so oft auftreten, wie es geht. Dadurch können sie besser verkaufen als über Verlagswege.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Hıdır Eren Çelik: Ich inspiriere mich selber. Selbstverständlich inspirieren mich weiterhin Günter Grass, Heinrich Böll, Bertolt Brecht, Pablo Naruda, Nasim Hikmet, Yasar Kemal und alle Klassiker deutscher, russischer und französischer Literatur. Vergessen möchte ich nicht Jack Landon, Howard Melvin Fast und andere Vertreter amerikanischer Literatur.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Hıdır Eren Çelik: Wer zahlt, der pfeift – ein gutes Sprichwort. Manchmal entscheidet die Kraft des Geldes, wer rezensiert wird. Das heißt aber nicht, dass die rezensierten Bücher immer gute Bücher sind.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Hıdır Eren Çelik: Jeder, der Interesse an Literatur hat, selber dafür eine leichte Hand hat und fantasieren kann, der soll einfach schreiben. Ich kann keinem empfehlen, nicht zu schreiben.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Hıdır Eren Çelik: Pornographie ist nicht mein Thema. Aber eine schöne Liebesgeschichte soll jeder mal schreiben. Auch Schreiben hat eine Würde.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Hıdır Eren Çelik: Solange die Themen literarisch bearbeitet werden, nicht in polemischer Weise die Andersdenkenden beleidigt werden und die Würde der Andersgläubigen nicht verletzt wird, soll Literatur frei sein, auch solche Themen zu behandeln.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Hıdır Eren Çelik: Ich schreibe, wenn ich ein Gefühl habe, zu schreiben. Durch Schreiben befreie ich mich von belastungen des Alltags. Dafür habe ich keine bestimmte Zeiten. Wenn es geschrieben werden soll, wird es geschrieben.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Hıdır Eren Çelik: Träume werden nicht verraten. Es soll zuerst Traum bleiben, bis es Gestalt genommen hat.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

Weitere Hintergründe zum Autor

Hidir Celik wurde im Jahr 2006 vom Landschaftsverband Rheinland für seine Verdienste, sowohl im kulturellen/literarischen Bereich als auch für die Förderung der interkulturelle Zusammenleben der Kulturen mit dem Rheinlandtaler Kulturpreis ausgezeichnet. Der Vater betreibt einen Kurzwarenladen, die Mutter versorgt den Haushalt und die große Familie. Wo Deutschland, wo „Alamania“ liegt, wusste damals fast niemand im Dorf. Trotzdem sollte „Alamania“ die „zweite Heimat“ der Familie werden… und wurde es auch.