Interview mit Barbara Rath

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

(c) Barbara Rath

(c) Barbara Rath

Ja. Konkurrenz nicht zu beobachten wäre dumm. Angesichts der gewaltigen Probleme bei der Suche nach Agentur oder Verleger kann sich kein unetablierter Autor, dem mehr als der Druckkostenzuschuss-verlag für die Publikation seiner Werke vor-schwebt, an den Marktgegebenheiten vorbeihangeln. Lediglich die Autoren, die sich mit schon in siebenstelliger Auflage erfolgreich verkauften Werken eine gewisse Freiheit erarbeitet haben, mögen da über mehr Spielraum verfügen als die breite Masse des Literatur produzierenden Fußvolkes. Diese ungünstigen Randbedingungen halten mich aber nicht davon ab, niederzuschreiben, was mir im Kopf herumschwirrt: Was raus muss, muss raus. Das ist das Problem mit dem Autorendasein – es gerät, wenn man einmal damit begonnen hat, andere Realitäten neben der des eigenen Lebens zu entwerfen, in den Bereich des Zwanghaften.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Ich staune immer wieder, wie schlecht bisweilen Bücher geschrieben sind, die auf solchen Listen weit klettern, weil sie von einem geschickten und zielstrebigen Marketing gelungen gepusht werden. Erfolg in der Buchbranche hat durchaus nicht immer etwas mit der Qualität eines Werkes zu tun, der Geschmack der Leserschaft (leider) auch nicht.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Ich stehe eher vor dem Problem, mir selbst ein Schreibverbot auferlegen zu müssen, da schon so viele unpublizierte Ideen in meinen Schubladen liegen, dass ich Hühneraugen im Kopf bekomme, wenn ich nur daran denke. Da müssen nicht noch mehr Werke hinzugefügt werden, die den Frust steigern angesichts der Tatsache, dass die Texte unveröffentlicht vor sich hinschlummern: Die Eier sind gelegt, aber sie werden nicht bebrütet.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Im letzten Jahr war ich schwer aktiv als Bloggerin. Ich habe aber festgestellt, dass das nicht meine Welt ist. Zudem hat sich an der Nachfrage in Bezug auf meine Bücher sowie nach Lesungen davon nichts widergespiegelt. Deshalb habe ich das Engagement wieder heruntergefahren und pflege lediglich meine Homepage. Die Welt 1.0 fordert mich völlig ausreichend.

Immer wieder beschleicht mich der Verdacht, dass da schrecklich viele Menschen im Web in dieser buchbasierten Kommentarwelt kreisen, die zu wenig mit realen Menschen zu tun haben, um denen ihre Zeit zu widmen. Ich bewundere allerdings die kreativen Geister, die gut besuchte Blogs betreiben und damit Geld verdienen. Weniger attraktiv scheint es mir, meine kostbare Zeit damit zu verbringen, an irgendwelchen „Supi-Aktionen“ teilzunehmen, die über Monate mit wenig Sinn & Verstand immer unter Verwendung eines gleichbleibenden Fragenkatalogs scheinbar mit den Followern diskutieren, jedoch so lediglich Traffic auf ihrem Blog generieren. Von solchen Plattformen gibt es eine Menge. Es ist nicht wirklich leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen (Ich mag Roggen sowieso viel lieber…). Foren sind ebenfalls problematisch: Frustforen mit lauter Möchtegernautoren gibt es haufenweise. Ich habe mich bisher auf keiner der Plattformen länger getummelt; sie fesseln auf Dauer mein Interesse einfach nicht.
Ein eigenes Buch im Web zu pushen setzt voraus, dass ich die Klaviatur der social media gut spiele. S.o.: Facebook ist bisher eher ein Reizwort für mich. Auch bin ich derzeit nicht in der Verlegenheit, einen Titel auf den Markt gebracht zu haben, der ein solches Engagement sinnvollerweise von mir verlangen könnte – aber ich arbeite daran…

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Ich lebe immer noch in der irren Vorstellung, dass ein guter Verlag (oder Agent) einen Autor da am besten liebevoll an die Hand nimmt und berät. Darüber hinaus hat Erfolg eine Menge mit Glück zu tun. Wer zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Leuten verkehrt, dem eröffnen sich dabei gute Möglichkeiten. Auf ein bestimmtes Marketinginstrument möchte ich mich als Erfolgsgarant nicht festlegen. Die o.g. Bestsellerlisten haben einen großen Einfluss – wer es dorthin schafft, muss nicht mehr grübeln.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Eva Ibbotson, Markus Zusak, Siegfried Lenz, Martin Suter – immer offen für neue Entdeckungen.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht gezwungen, meine eigene Schriftstellerei nach wie vor als extrem teures Hobby zu bezeichnen! Radikale Aktionen wie Geiselnahme eines Redakteurs oder die Besetzung eines Radiosenders während der Ausstrahlung eines literaturkritischen Sendeformates scheinen mir angesichts der unerfreulichen Zunahme terroristischer Gewaltakte in den Abgründen meiner Frusttäler zwar manchmal beängstigend plausibel, aber diese Form von aggressiven Problemlösungs-strategien existieren nur als ärgerliche Planspiel in meinem Kopf – noch…

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Nichts. Obwohl so um die 60.000 Titel von mir verkauft sind, betrachte ich mich nicht als erfolgreich, bin es nicht, wenn man Arbeitszeit und Lohn miteinander vergleicht. Wie käme ich also dazu, jemandem einen Rat zu geben? Ich sehe mich selbst auch nach 10 Jahren im Geschäft als Anfänger, sagen wir: als einen Anfänger nicht ohne Erfahrung.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Da gibt es eine Menge „Problemzonen“. Schließlich äußere ich mich als Schriftsteller: Ich mache mich sichtbar in dem, was ich schreibe, entweder, weil den Texten meine Erfahrungen zugrunde liegen oder indem ich meine Person samt Ansichten&Einsichten&Gefühlen meide, sodass am Ende aber in einer Art Negativabzug eines Dias doch auf meine Persönlichkeit samt vielem Drum und Dran geschlossen werden kann. Genau das macht z.B. Sexszenen so problematisch: Wer blättert schon gern sein Intimleben auf? Aber jeder Autor beweist Mut, das gehört – meist ungewürdigt – dazu: Wer nicht gerade ein Bilderbuch für Säuglinge publiziert, veröffentlicht in & mit jedem Werk einen Teil seiner selbst.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Ich habe bislang bestenfalls gesellschaftskritisch und damit politisch geschrieben. Das ist also nicht mein thematisches Kerngebiet.
Fairness und Offenlegung von Quellen sind zwei Ansprüche, die ich persönlich an Autoren erhebe, die politische Literatur oder Aussagen verfassen.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich schreibe, wenn & wann ich Zeit habe bzw. wann mein Rücken es zulässt.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Schreibverbot. Bevor ich nicht einen neuen Buchvertrag unterzeichnet habe, tippe ich nur schnöden Funktionstext für Agenturen – was ich übrigens für eine ganz gute geistige Übung halte, denn Text nach Vorschrift zu verfassen diszipliniert das Gehirn ungemein und verbessert die Ausdrucksschärfe.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.

 


 Barbara Rath im www


Zur Autorin

  • seit 1962 da
  • seit 1988 Diplom-Biologin, Schwerpunkte Zoologie sowie Human- und Zytogenetik
  • seit 1989 verheiratet
  • von 1989 bis 1991 tätig für das Bundesforschungsministerium in der Forschungsförderung in den Bereichen Biologie/Biotechnologie; Verfassen von Konzepten zu den Schwerpunkten und Zielen der Förderung, Betreuung konkreter Forschungsvorhaben, Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit etc.
  • seit 1991 Mutter einer Tochter, seit 1993 Mutter eines Sohnes
  • von 2002 bis 2012 freie Mitarbeiterin im Krefelder Zoo
  • seit 2000 als freie Autorin aktiv
  • Preisträgerin der Kalbacher Klapperschlange 2009 mit „Der Gurkenvampir“