Kurzbiografie – Alexander von Humboldt: Ein großartiger, inspirierender Wissenschaftler und Autor
Spätestens seit Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ ist er auch den bundesdeutschen Durchschnittslesern geläufig: Alexander von Humboldt, oder wie er mit vollem Namen hieß: Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt. Schon zu Lebzeiten eine Art Superstar der Wissenschaft, war Humboldt nur in Superlativen zu beschreiben: Einer der meistgelesenen Wissenschaftsautoren bis heute, einer der führenden Naturforscher seiner Epoche, der Mitbegründer der modernen Geografie als Forschungsgebiet. Beinahe ein Universalgelehrter, schreckte der Abenteurer und Bestsellerautor auch nicht davor zurück, großzügig die angrenzenden Wissenschaftsgebiete einzubeziehen und zu Fachfragen seiner Werke umfangreich mit den Geistesgrößen seiner Zeit zu korrespondieren.
Alexander von Humboldt kam 1769 als Sohn eines preußischen Offiziers und Kammerherrn, Alexander Georg, sowie von Elizabeth Colomb, in Berlin zur Welt. Sein zwei Jahre älterer Bruder Wilhelm ist als ehemaliger Staatsmann und Mitbegründer der Berliner Humboldt-Universität ebenfalls eine bekannte Person der Zeitgeschichte.
Heutigen sogenannten „Helikoptereltern“ nicht unähnlich, bemühten die Eltern sich um eine umfassende, moderne und disziplinierte Ausbildung für ihre Söhne, die nach dem Wunsch der Eltern im Staatsdienst Karriere machen sollten. Kehlmann beschreibt in seiner „Vermessung der Welt“ anschaulich die von Morgens bis Abends andauernden Schulungseinheiten. Dabei galt Alexander gegenüber seinem Bruder zunächst als weniger befähigt. Andererseits nahmen die Lehrer keine Unterscheidung im Lehrstoff vor, sondern konfrontierten die Brüder trotz ihres unterschiedlichen Alters mit denselben abstrakten Lerninhalten. Alexander wurde schon früh ein Interesse für Naturkunde attestiert. Offenbar hatte er den Spitznamen „Der kleine Apotheker“, da er gerne Organismen und Insekten sammelte und kategorisierte. Die Familie lebte auf dem Familienbesitz Schloss Tegel.
Die Eltern scheuten keinen Aufwand und ließen abgesehen von den Hauslehrern zu den verschiedenen Wissensgebieten jeweils Koryphäen der Fächer aufmarschieren. Auch in alten und neuen Sprachen wurden die Brüder unterwiesen. Der Unterricht im Zeichnen sollte sich für Humboldt später noch als sehr nützlich erweisen: Mangels Kamera hatte er so die Möglichkeit, die Entdeckungen auf seinen Forschungsreisen zu illustrieren.
Als 1787 die Zeit gekommen war, eine Universität zu besuchen, waren die jungen Männer bereits überqualifiziert: Wilhelm sollte Jura studieren, Alexander Staatswirtschaftslehre – doch offensichtlich infolge der Unterforderung verließen sie die Universität noch im ersten Jahr. Allerdings siedelten beide wenig später, 1789, nach Göttingen, dem damaligen deutschen Epizentrum der Aufklärung über. Dort studierte Alexander Chemie und Physik.
In Göttingen interessierte sich Alexander von Humboldt insbesondere für Friedrich Blumenbach und Georg Forster, zwei Naturwissenschaftler, die die Entdeckungsreise als Quelle der Erkenntnis priesen. Von Alexander von Humboldt ist das Zitat überliefert: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben“. Anders als etwa Immanuel Kant gedachte Humboldt nicht, die Welt vom heimischen Schreibtisch aus zu erkunden. Alexander von Humboldt kam in dieser Zeit mit den Idealen der französischen Revolution in Kontakt und wurde in der Folge ein Anhänger dieses Gedankenguts wie auch der damit verknüpften Ideen der Menschenrechte. So wandte er sich etwa später, auch auf seinen Forschungsreisen, immer wieder vehement gegen die Sklaverei. Die Grundhaltung der Aufklärung war den Brüdern bereits durch die Eltern sowie durch die heimisch Ausbildung gewissermaßen in die Wiege gelegt.
Um den brachialen Tatendrang und die Intelligenz Alexander von Humboldts zu erahnen, genügt eigentlich beispielhaft die folgende Episode aus seinen jungen Jahren: Als er sich 1791 für den Staatsdienst entschied und im Bergbau zu dienen gedachte, sollte er zunächst ein dreijähriges Studium an der Bergakademie Freiberg absolvieren. Dieses schloss er bereits nach 8 Monaten (!) ab und verfasste nebenbei noch wissenschaftliche Werke über die Pflanzenwelt Untertage, die von der Wissenschaft mit großem Interesse aufgenommen wurde. Bereits kurz nach Ende der Studienzeit verbesserte er ein Verfahren zum Abbau von Schiefergestein signifikant, und nun trauten seine Vorgesetzten ihm die Sanierung des Bergbaugebietes im Fichtelgebirge zu. In kurzer Zeit vervielfachte er die dortigen Erträge.
Auf Kosten der Arbeiter? Mitnichten: Quasi nebenbei verbesserte er im Gegenteil deren Arbeitsbedingungen und entwickelte eine Art rudimentäre Atemschutzmaske. Aus eigenen Mitteln gründete der offenbar auch als Manager und Unternehmer taugliche Humboldt jetzt eine Art Arbeiterberufsschule, – die erste im Land -, um dort unter anderem Mineralienkunde, Bergrecht und Kompasskunde unterrichten zu lassen. Woher die Schulbücher nehmen für eine Schulform, die es noch nicht gibt? Man ahnt es – auch das übernahm das Energiebündel Humboldt höchstselbst.
Es versteht sich von selbst, dass ein Mensch wie Alexander von Humboldt an seiner Funktion nicht bis zum Ende seines Berufslebens festhält. Abgesehen davon, dass ruhelose Forscher ein extern vorgegebenes Berufsende aufgrund bürokratisch-starer Altersgrenzen ohnehin nicht akzeptieren. Als seine Mutter 1796 starb, fiel dem Sohn ein erhebliches Vermögen zu. Er quittierte den Staatsdienst und betätigte sich nun auf eigene Verantwortung und Kosten als Naturforscher.
Schon früh knüpfte er ein ausgedehntes und ständig wachsendes Kontaktnetzwerk und korrespondierte mit Vertretern der verschiedensten Wissensgebiete. Nachdem er einige Jahre mit einer gründlichen Vorbereitung und dem Erwerb wichtiger Messinstrumente zubrachte (Sextanten, Quadranten, Teleskope, …) , begab er sich 1799 auf eine fünfjährige beschwerliche, jedoch bis dato unerreicht ertragreiche Forschungsreise nach Amerika. Er bestimmte etwa 60.000 Pflanzen, ca. 10 % davon wurden von ihm erstmalig entdeckt. Auch ließ er sich zuvor vom spanischen Königshaus mithilfe seines Renommees und seiner Verbindungen die volle Handlungsfreiheit auf allen Gebieten des spanischen Kolonialgebietes zusichern.
Die Reise selbst war von vielerlei Widrigkeiten begleitet. Sein französischer Begleiter Aimé Bonpland war nur knapp dem Fiebertod entgangen, Humboldt selbst meldete nach Hause, man sei nicht selten von Krokodilen, Boas und Jaguaren umgeben. Auf der Speisekarte stünden neben Reis mitunter Ameisen und Affen. Aus Guyana sind ihm inbesondere die Mosquitos als Ärgernis im Gedächtnis geblieben, derentwegen man kaum schreiben und die Beobachtungen zu Papier hätte bringen können. Allerdings scheinen seine Berichte mitunter etwas übertrieben, oder jedenfalls zugespitzt. So schrieb er beispielsweise über seinen Aufstieg im Andengebirge: „Dicke Wälder liegen zwischen Morästen; die Maultiere sinken bis auf den halben Leib ein; und man muß durch so tiefe und enge Schlüchte, daß man in Stollen eines Bergwerks zu kommen glaubt. Auch sind die Wege mit den Knochen der Maultiere bepflastert, die hier vor Kälte oder Mattigkeit umfielen.“ Nun ja. Vielleicht hatten ja auch ein paar andere Menschen außer dem deutschen Abenteurer die körperliche Fitness zur Andenüberquerung.
Publizieren hieß in dieser Zeit Briefe schreiben, und dies tat Humboldt reichlich. So mehrte sich sein Renommee als Forscher weltweit und in Abwesenheit. Sein Ruf eilte ihm auch in die USA voraus. Als er zum Abschluss seiner Reise die Vereinigten Staaten besuchte, nahm ihn US-Präsident Thomas Jefferson drei Wochen als Gast auf. Insgesamt wird heute davon ausgegangen, das Humboldt mehr als 30.000 Briefe schrieb, um das erste wirklich weltweite Forschungsnetzwerk aufzubauen, wenn auch ohne Auftrag und in der Herangehensweise unorthodox.
Als Alexander von Humboldt 1804 nach Europa zurückkehrte, war sein Vermögen um ca. ein Drittel vermindert. Die teure Forschungsreise hatte ihre Spuren hinterlassen. Später folgte eine weitere ausgedehnte Forschungsexpedition, diesmal nach Russland.
Schriftstellerisch waren Humbolds Werke, insbesondere „Kosmos“ und „Ansichten der Natur“ schon zu seinen Lebzeiten gewissermaßen „Bestseller„, wenngleich der Begriff damals nicht gebräuchlich war. Er war ein Forscher, bei dem inhaltliche Brilianz auf ein ausgesprochen ausgeprägtes erzählerisches Talent traf. Da Humboldt insbesondere von Paris aus publizierte, waren die meisten seiner Werke in der französischen Sprache verfasst. Paris war damals aus wissenschaftlicher Perspektive das Zentrum der Welt, so das der Forscher dort die besten Möglichkeiten zur Veröffentlichung vorfand. Auch das geistige Klima war eines Wissenschaftlers vom Format des deutschen Abenteurers würdiger, als im damaligen provinziellen Berlin. Seine dreißig Bände umfassenden Reiseberichte sind, soweit bekannt, die größte privat finanzierte Reiseberichtsammlung überhaupt.
In Abwesenheit wurde er in Deutschland mit allerlei Nettigkeiten überschüttet. Er war zum Kammerherrn mit einer großzügigen Pension von 2.500 Talern bedacht worden und man nahm ihn, ebenfalls in Abwesenheit, in die Akademie der Wissenschaften auf. Für Humboldt sollte dies in den folgenden Jahren eine beständige Gratwanderung bedeuten. An sich hatte er kein Interesse daran, in Berlin zugegen zu sein, andererseits konnte er schlecht die dortige Obrigkeit vor den Kopf stoßen. So verbrachte er einige Jahre dort, bevor er sich wieder nach Paris begab. Als er 1809 zum preußischen Kultusminister ernannt werden sollte, – ein Amt, welches er kaum von Paris aus hätte ausüben können -, schlug er dieses zwar aus, nutzte aber viele andere Gelegenheiten, um dem König dienlich zu sein und sich diesen auf solcherlei Weise gewogen zu halten.
Als er letztlich doch nach Berlin zurückkehren musste, nutzte er die Gelegenheit, die dortige Wissenschaftsszene nachhaltig zu beeinflussen. Seine faszinierenden und in einfacher Sprache gehaltenen Vorlesungen zogen tausende von Besuchern an, sowohl Männer als auch Frauen; im Übrigen Menschen aus allen sozialen Schichten. Goethe schrieb mit Blick auf Humboldt: „Man könnte in acht Tagen nicht aus Büchern herauslesen, was er einem in einer Stunde vorträgt.“
Verheiratet war Alexander von Humboldt nie. Auch von einer Liaison ist nichts bekannt. Daraus, und aus der Tatsache, dass Humboldt viele Jahre auf engem Raum mit Männern, – z.B. Reisebegleitern -, zusammenlebte, wird teilweise der Schluss gezogen, er sei homosexuell gewesen. Tatsache ist, dass diese Mutmaßung reine Spekulation ist. Schließlich sprechen auch andere Gründe gegen die Ehe – immerhin ist der Autor als jemand bekannt, dem seine persönliche Freiheit äußerst wichtig war. Das ständige Reisen, das Hin- und Herziehen zwischen Paris und Berlin; all dies hätte eine Ehefrau, noch dazu mit Kinderwunsch, vielleicht gar nicht mitgemacht.
Am 6. Mai 1859 starb Alexander von Humboldt in Berlin im Alter von 89 Jahren. Der Trauerzug für den beliebtesten deutschstämmigen Forscher aller Zeiten erreichte einen Umfang, wie ihn sonst nur der Tod nationaler Führer auszulösen vermag. Mit ihm starb ein großartiger, inspirierender Geist und Wissenschaftler, dessen Prinzipien und Ansätze auch als Vorbild für den heutigen Wissenschaftsbetrieb nichts an Aktualität eingebüßt haben.
Rahmendaten:
Geboren am 14. September 1769
Geboren in Berlin
Gestorben am 6. Mai 1859 in Berlin
Bücher Humboldts, die man gelesen haben sollte:
Zitate, die Alexander von Humboldt zugeschrieben werden:
„Auch in der Wissenschaft ist eine der stärksten Triebfedern der Neid.“
„Eine Eigentümlichkeit des Chamäleons ist seine Fähigkeit, zur gleichen Zeit nach verschiedenen Richtungen sehen zu können, mit dem einen Auge gen Himmel, mit dem anderen zur Erde. Es gleicht darin manchem Kirchendiener, der dasselbe ebensogut kann.“
„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“
„Ein Mann muß sich selbst genug sein.“
Biografie des Bestseller-Autors auf youtube:
Autor: Beste Bücher