Uli Aechtner:
Interview mit Uli Aechtner
Uli Aechtner studierte Germanistik, Philosophie und Kunstwissenschaften in Bonn. Als Journalistin arbeitete sie für das französische Fernsehen TF1, für den SWR in Mainz und Baden-Baden sowie für das ZDF. Seit 1992 schreibt Aechtner Kriminalromane.
Sie lebt als freie Autorin in Bad Vilbel.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Uli Aechtner: Nein, das verdränge ich, sonst wäre ich vermutlich zu eingeschüchtert, um noch zu schreiben.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Uli Aechtner: Bücher (und Filme) sind moderne Mythen. Sie spiegeln die Probleme einer Gesellschaft wider, analysieren, zeigen Vorbilder auf, trösten oder bieten Fluchten in Parallelwelten an. Je mehr Leser sie teilen, desto „wahrer“ werden sie. Sie haben soziale Funktionen. So verhandelt „Honig im Kopf“ die Angst einer alternden Gesellschaft vor Alzheimer, und „Shades of Grey“ macht den Softporno für die wachsende Zahl der Singlefrauen gesellschaftsfähig. Die Leserschaft WILL dasselbe lesen, um es kommunizieren zu können. Und dazu muss sie sich auf eine konsumierbare Schnittmenge einigen. Das Ranking spiegelt diese Einigung wider und gibt zudem Orientierung für alle, die mitlesen und mitreden wollen.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Uli Aechtner: In einem ganz anderen Feld ziellos und entspannt kreativ sein, z. B. beim Malen oder Gärtnern.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Uli Aechtner: Je nach Schreibphase, Laune und Gelegenheit 10 bis 30 Prozent meiner Autorenaktivität – wenn ich Lesungen, Networking, Akquise, Verlagsgespräche, Workshops, Beiträge für Internetforen und Autorentreffen mitzähle.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Uli Aechtner: An jeder Mülltonne lesen und unbedingt im Dschungelcamp anheuern! Nein, jetzt mal im Ernst: Als Journalistin fühle ich mich im Pressebereich wohl. Jemand anderes kommt vielleicht gut mit einem Blog und der Vernetzung mit anderen Bloggern zurecht. Manche lieben Autoren-Vereinigungen und stellen dort etwas auf die Beine – von der inszenierten Lesung bis hin zum gemeinsamen Buchprojekt. Jeder muss für sich herausfinden, wo er am besten aufgehoben ist.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Uli Aechtner: Ich lese gern Uwe Timm, aber auch Patrick Süskind und Martin Suter. Die französischen Realisten und Naturalisten gefallen mir: Balzac, Stendhal und Zola, Guy de Maupassant. Zum eigenen Schreiben haben mich Gunter Gerlach und Christine Grän inspiriert – so unterschiedlich sie auch sein mögen. Erfreulicherweise schaffte ich es auf Anhieb in Gerlachs damaligen Verlag, und ich durfte beide Autoren später auch persönlich kennen lernen.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Uli Aechtner: Wenn dem Leser etwas gefällt, will er eben mehr davon. Mehr über dieselben Protagonisten und mehr vom selben Autor. Newcomer haben eine Chance, wenn sie ungewöhnlich sind und dabei den Nerv der Zeit treffen. Ein Alleinstellungsmerkmal tut seine Wirkung. Es hilft ungemein, wenn der Autor schon bekannt IST, (fast) egal, auf welchem Gebiet. In der U-Literatur identifizieren sich die Leser auch gern mit dem Autor. Im Idealfall sollte er genauso ticken wie seine Leser.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Uli Aechtner: Nach meinem Studium setzte ich mich an meinen ersten Roman, das fertige Manu schickte ich an einen renommierten Verlag. Der schieb mir zurück, meine Geschichte sei sehr berührend und ich könne schreiben, nur leider „reiche es nicht ganz“ zur Veröffentlichung. Ich legte den Brief beschämt zur Seite und wurde Journalistin. Heute würde ich verhandeln, um Tipps zur Überarbeitung bitten, um ein Lektorat. Notfalls auf Knien. Fehler gehören zum Leben dazu; wer keine macht, kann nichts lernen. Insofern kann ich junge Autoren nur ermutigen, viele Fehler zu machen und dazu zu stehen.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Uli Aechtner: Nein, eigentlich nicht.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Uli Aechtner: Solche Themen wünsche ich mir von Insidern und Fachleuten.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Uli Aechtner: Meine Schreibtage sehen wie ganz normale Bürotage aus. Ich setze mich in meinem Arbeitszimmer an den PC und arbeite acht Stunden, nur mit einer kleinen „Mittagspause“ zwischendrin.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Uli Aechtner: Nein, lieber nicht. Ich habe immer das Gefühl, dass sich mein Plot verflüchtigt, wenn ich ihn ausplaudere. Meine Themen müssen in mir gären und aufgeschrieben werden, bevor ich darüber reden kann.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.