Interview mit Heike Eva Schmidt
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Heike Eva Schmidt: Ich glaube, darüber darf man als Autor/in gar nicht intensiv nachdenken, sonst braucht man gar nicht mit dem Schreiben anzufangen. Natürlich wünscht sich jeder Schriftsteller einen Mega-Erfolg und einen Bestseller – aber man kann nie wissen, ob man den Geschmack der Leser wirklich trifft. Mich im Voraus schon zu fragen, wie viel Auflage ich wohl erzielen werde und nachzusehen, wie viele Neuerscheinungen parallel auf den Markt kommen, ist – zumindest für mich – die sicherste Möglichkeit, augenblicklich eine Schreibblockade zu kriegen. Natürlich gibt es Themen, bei denen man erahnen kann, dass sie entweder bei einem breiten Publikum oder eben nur bei ganz speziellen Lesern ankommen werden, aber trotzdem glaube ich, dass die meisten Schriftsteller doch ihre Geschichten „aus dem Herzen“ heraus schreiben. Natürlich FÜR ihre Leser, aber nicht in ängstlich-vorauseilendem Gehorsam vor der Auflage, sondern weil eine Geschichte oft einfach danach verlangt, geschrieben zu werden. Da darf man nicht ständig an mögliche Konkurrenz denken, sondern sollte einfach: schreiben!
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Heike Eva Schmidt: Da ich bisher ausschließlich Jugendbücher geschrieben habe, war die Chance sowieso gering, auf der Spiegel-Bestellerliste zu landen. Aber ich denke, man kommt an diesen Rankings heutzutage nicht (mehr) vorbei, denn auch bei Amazon etc. gibt es ja die Möglichkeit, Bücher zu bewerten und ich glaube, dass sich viele Leser auch daran orientieren. Von daher finde ich es müßig, mir darüber Gedanken zu machen. Diese Rankings sind wie das Wetter: nicht zu ändern – und ob gut, oder schlecht, ist Ansichtssache.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Heike Eva Schmidt: Nicht versuchen, gegen die Schreibblockade „anzuarbeiten“. Wenn ich merke, es geht gerade gar nichts, gehe ich raus, lenke mich ab. Am besten funktioniert das bei mir, wenn ich in die Natur gehe. Wandern, Paddeln, Langlauf – Hauptsache, ich bin in Bewegung. Meistens funktioniert das Schreiben am nächsten Tag dann wieder. Und bei Selbstzweifeln ist es ähnlich, nur gestehe ich mir in dieser Phase zunächst erst einmal 15 Minuten blinde Panik zu. Danach rufe ich Freundinnen oder meine Agentin an, die gerade Zeit und Geduld für ein nervliches Wrack haben, und lamentiere über meine schlimmsten Befürchtungen. Meist geht es danach wieder. Und wenn nicht, siehe oben: raus in die Natur. Pausen müssen auch sein, wenn ich viel zu tun habe. Dadurch, dass ich als Schriftstellerin UND Drehbuchautorin arbeite, bin ich tatsächlich meist nahtlos am nächsten Projekt dran, sobald eins abgeschlossen ist. Da muss ich gut planen und organisieren, dass ich nicht irgendwann völlig „Land unter“ bin vor lauter Arbeit und Stress.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Heike Eva Schmidt: Meine Website habe ich in die Hände eines Profi-Webdesigners gelegt. Aber ich bin fast täglich auf meiner Facebook-Site und schaue nach, ob ich Nachrichten o.ä. bekommen habe und sobald es in puncto Bücher bei mir etwas Neues gibt, teile ich das auch mit. Es kommen auch Blogger auf mich zu und ich freue mich darüber und unterstütze sie gerne, wenn sie ein Interview möchten oder mich fragen, ob ich Exemplare meiner Romane für eine Verlosung bereitstelle, etc. Allerdings möchte ich auch nicht auf zu vielen Plattformen wie Twitter, Instagram etc. unterwegs sein, ich befürchte sonst, mich zu verzetteln.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Heike Eva Schmidt: Schwierig. Da ich wie gesagt bisher Jugendbücher geschrieben habe, würde ich tatsächlich sagen: Internet. Bücherblogger zum Beispiel sind untereinander oft sehr gut vernetzt. Und ich bewundere, mit welcher Liebe, Sorgfalt und Begeisterung sie ihre Blogs gestalten und „pflegen“. Wie viele Bücher die meisten von ihnen innerhalb eines Monats lesen (und darüber bloggen), ist wirklich enorm!
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Heike Eva Schmidt: Ich versuche, mich nicht beeinflussen zu lassen, denn sobald man versucht, einen Schreibstil zu „imitieren“, geht das meines Erachtens eher schief. Jeder hat seine eigene Sprache und das ist gut so. Mein „Handwerk“ habe ich sowieso eher beim Drehbuchschreiben gelernt. Daher würde ich sagen, dass ich wenn überhaupt von Filmen inspiriert wurde und daraus gelernt habe, wie man Spannung aufbaut und mir vielleicht auch eine gewisse eigene, bildliche Sprache zugelegt habe.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Heike Eva Schmidt: Ist das wirklich immer noch so? Ich habe mit meinen Jugendbüchern schon die Erfahrung gemacht, dass auch Newcomer besprochen werden. Natürlich nicht auf einer Doppelseite im Feuilleton, aber in bekannten Jugendzeitschriften sind meine Romane immerhin schon vorgestellt worden. Und auch Tageszeitungen haben ja oft eine spezielle Jugendseite und sind immer auf der Suche nach Buchtipps. Und in letzter Zeit habe ich z.B. in Frauenzeitschrifen schon einige Buchvorstellungen von neuen Autor/innen im Bereich Belletristik gelesen. Natürlich werden die „üblichen Verdächtigen“ , wie Sie es nennen, immer ein massives Forum bekommen, das ist auch nachvollziehbar und durch ihre langjährige Arbeit verdient, aber meiner Erfahrung nach „schielen“ die Feuilletons inzwischen auch etwas mehr über den Tellerrand.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Heike Eva Schmidt: Da mein „Debüt“ im Jahre 2012 gleich aus drei Büchern (unterschiedliche Genres) bestand, kann ich leider mit dem Thema „Anfängerfehler“ nicht dienen, da es bei mir gleich „rund“ lief. Vielleicht nur der Tipp: Sich nicht gleich entmutigen lassen, wenn eine Absage kommt. Was der eine Verlag nicht mag, kann dem anderen gerade gut gefallen.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Heike Eva Schmidt: Ja! Oben genanntes Thema! Im August 2015 erscheint mein erster historischer Roman. „Die Spionin des Königs“ ist – dem Genre entsprechend – natürlich vor allem für Erwachsene und da darf – und soll – es auch entsprechende Liebes- und Erotikszenen geben. Im Jugendbuch habe ich bisher in dieser Hinsicht allenfalls zarte Andeutungen gemacht und daher fiel es mir anfangs schon schwer „in medias res“ zu gehen. Man denkt sich schon das eine oder andere Mal, was der Leser einem als Autor da wohl im eigenen Leben so alles unterstellt… Da half anfangs manchmal nur ein Glas Rotwein, um die Sache ein bisschen lockerer zu sehen …! Aber tatsächlich gab es für mich schon eine Situation, die wirklich schwer war: Im Buch findet – was der Geschichte geschuldet ist – eine Vergewaltigung statt. Ich schreibe sonst fast immer nachmittags bis in den späten Abend hinein. Aber diese Szene musste ich vormittags schreiben – danach bin ich zu Bekannten gefahren, die gerade einen Wurf Hundewelpen zu Hause hatten, damit ich von den Bildern in meinem Kopf Abstand bekommen konnte. Das klingt vielleicht albern, weil es ja „nur“ Fiktion war, aber mir ging das wirklich nah und ich habe danach erst einmal ein bisschen „Gedanken-Pause“ gebraucht. Hätte ich die Szene spät abends geschrieben, hätte ich wahrscheinlich Alpträume bekommen. Verrückt, denn ich habe mir das ja selbst ausgedacht, aber manchmal macht einem Autor sein eigenes „Kopfkino“ mehr zu schaffen, als vielleicht dem Leser später…
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Heike Eva Schmidt: Ich versuche, eine gewisse Struktur einzuhalten. Allerdings habe ich inzwischen auch akzeptiert, dass ich kein „Morgen-Arbeiter“ bin. Sätze wie „Der frühe Vogel…“ und „Morgenstund hat Gold im Mund“ sind für andere Menschen als mich gemacht. Ich schaffe es am Vormittag, das Geschriebene vom Vortag zu editieren, aber so richtig kreativ werde ich frühestens ab 14 oder 15 Uhr. Dafür schreibe ich gerne bis spät abends, dann „fließt“ es meistens sogar am besten.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Heike Eva Schmidt: „Die Spionin des Königs“ ist – wie schon erwähnt – ein historischer Roman und spielt zur Zeit Friedrich des Großen. Der Preußenkönig bekommt einen jungen Mann namens Florentin von Rosenberg an seinen Hof, der für ihn eine wichtige Rolle im siebenjährigen Krieg spielen wird – als Spion am Zarenhof in Russland. Als Florentin droht, enttarnt zu werden, hat er allen Grund zur Furcht, denn er hegt ein schwerwiegendes Geheimnis: Florentin ist in Wahrheit eine Frau – und sie riskiert als Spionin nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihres Geliebten …
Ich hoffe, ich habe nun einige Leser und Leserinnen neugierig gemacht und sage an dieser Stelle Dankeschön für das Interview!
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Heike Eva Schmidt im www