Interview mit Sibyl Quinke
Ihr Wissen über die Wirkung giftiger Essenzen brachte die promovierte Apothekerin Sibyl Quinke dazu, einen Krimi zu schreiben. In Freiburg geboren, schreibt sie seit Jahren als freie Mitarbeiterin Artikel für die Bergischen Blätter. Mit der Zeit entstanden auch Märchen und lyrische Texte. Sie hat diverse Preise bei Ausschreibungen gewonnen und geht mit einem Bühnenprogramm auf Tour. Sie ist Mitglied im Literaturkreis ERA e.V., als Literaturbeauftragte der Bandfabrik in Wuppertal hat sie einen Literarischen Salon etabliert, begleitet maßgeblich die Reihe „Literatur auf dem CronenBerg“, ist Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift KARUSSELL und Mitglied im Schriftstellerverband und dem Syndikat.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Sibyl Quinke: Es heisst Konkurrenz belebt das Geschäft. Doch es ist ein Haifischbecken, selbst unter Autoren, die nur mit geringer Auflage erscheinen. Gerade bei diesen braucht es eine weitere Motivation als nur den pekuniären Ansporn. Bei mir ist es Leidenschaft, für das Thema, die Geschichte, die Wortwahl, der Spaß an einer schönen Diktion, der gelungene Versuch eine Situation oder einen Menschen treffend zu beschreiben, damit der Leser in meinen Roman eintauchen kann.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
Sibyl Quinke: Ich bezweifele, dass Bestsellerlisten echte Rankings sind. Wie können sich Listen nach Lesegewohnheiten richten, die sich auf eine begrenzte Auswahl von Büchern beschränkt. Bereits hier wird eine Vorauswahl getroffen, und ich bin überzeugt, dass diese kommerziell gelenkt ist.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Sibyl Quinke: Durchhänger, Selbstzweifel entstehen, wenn einfach zu viel auf mich einstürmt. Ich muss Muse und Abstand zum Alltagstrott finden, einen ruhiger Ort, um meine Gedanken flanieren zu lassen Ich sitze gerne in meiner Küche, aber auch in unserem botanischen Garten und das dazugehörige Elisencafé lädt mich zum Verweilen und Schreiben ein.Nicht umsonst heisst mein erster Roman: Tod am Elisenturm – der steht im Botanischen Garten.
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Sibyl Quinke: Die Rundumaktivitäten fressen in der Tat viel Zeit. Einerseits macht es Spaß, weil ich immer wieder mit Menschen in Kontakt komme; sie bieten ein unerschöpfliches Reservoir von Typen und Charakteren, die ich eventuell in einem meiner Texte verwenden kann, andererseits wünsche ich mir auch Zeit für mich, in denen ich mit meinen Figuren spielen kann. Schließlich bin ich der Regisseur und Bestimmer der Szenen. Schlußendlich konzentriere ich mich mehr auf das Schreiben, die Vermarktung ist ein eigenes Geschäft, das den ganzen Menschen vereinnahmen kann.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Sibyl Quinke: Schwer zu sagen: Da muss jeder in sich selbst hineinhorchen, was er/sie am besten kann. Das ist auch vom Alter abhängig. Die jungen, die sehr technik-affin sind, werden das Netz sicher mehr nutzen als Schriftsteller der fortgeschrittenen Jahrgänge. Dann ist es auch davon abhängig, was geschrieben wurde: Mit einem Regionalkrimi wird man mit Lesungen an den Orten des Geschehens Publikum locken können, mit Reiseberichten aus fernen Ländern muss man sich eine andere Strategie einfallen lassen, eventuell bei entsprechenden Reiseanbietern in eine Bücherempfehlungsliste einsteigen oder ähnliches.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Sibyl Quinke: Es hat mich kein Autor speziell inspiriert. Es gibt jedoch Szenen aus Büchern, Fernsehfilmen, Ereignisse, von denen in den Nachrichten berichtet wird, aber auch Personen der Öffentlichkeit, die wir hier oder dort erleben können, sie beeinflussen meine Figuren oder das Geschehen meiner Geschichten.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Sibyl Quinke: Ja, wenn ich das wüsste, wäre ich in einem dieser Feuilletons rezensiert worden.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Sibyl Quinke: Lesen, lesen, lesen ist wichtig, aber auch die Teilnahme an Schreibkursen bringt einen weiter, z.B. Kurse zu „Creative Writing“, „Figuren kreieren“, „Spannung erzeugen“ etc. Die edition oberkassel Akademie in Düsseldorf bietet zum Beispiel hervorragende Seminare an. Wie man schließlich ein Buch beginnt: Der eine schreibt drauf los, der andere konstruiert erst seinen Plot und entwickelt die Figuren, macht seine Recherchen im Vorfeld. Das macht jeder anders. Das muss jeder entsprechend seines Naturells gestalten.
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Sibyl Quinke: Mancher Autor provoziert besonders mit Sex-Szenen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das kommt mir so manches Mal gewollt und künstlich vor. Ich selbst meide Sexszenen. Diese zu Schreiben hat für mich etwas Exhibitionistisches. Gehen wir davon aus, dass das größte Sexualorgan das Gehirn ist, dann müsste ich mich mit meinen Phantasien outen, denn Szenen, die ich darstelle, in die muss ich mich hineinversenken können, sonst sind die Empfindungen schwer darzustellen. Mein Sexualleben oder meine Phantasien bleiben unter meiner Bettdecke.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Sibyl Quinke: Ein solches Thema aufzugreifen erfordert eine extreme Recherche, bei der ich immer noch annehmen werde, ich habe einen Aspekt nicht wirklich genügend untersucht – es käme einer Dissertation gleich. Schließlich müssen Aussagen fundiert dargestellt werden. Besonders wenn Ansichten präsentiert werden, die nicht die des Lesers sind, müssen sie gut begründet sein, dass man den Gedankengang nachvollziehen kann.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Sibyl Quinke: Ich habe nur wenig Zeit und muss deshalb jeden Moment ergreifen, der mir die Chance bietet, weiter zu kommen. Wenn ich einmal etwas angefangen habe, bin ich in einem Sog, der mich dazu hinzieht, das Projekt zu finalisieren. Reservierte Zeit brauche ich dann nur, um mich überhaupt vom Alltag freizuschaufeln. Habe ich Zeit, kann ich schreiben.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Sibyl Quinke: Im August kommt mein nächster Roman heraus. Wieder ein Regionalkrimi, oder sagen wir ein Familienroman mit Todesfolge. Eine nichteheliche Tochter soll anlässlich eines Firmenjubiläums einen großen Anteil der Tuchagentur überschrieben bekommen, sehr zum Leidwesen der übrigen Familienmitglieder, die alle andere Pläne haben … Doch der Vertrag wird nicht unterschrieben: Sie erscheint nicht beim Notar. Stattdessen findet man sie tot im Bett
Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.