Interview mit Peter Klusen
Peter Klusen, geboren 1951 in Mönchengladbach. Studium der Germanistik, Sozialwissenschaften und Publizistik in Mainz und Aachen. Seit 1980 wohnhaft in Viersen und Lehrtätigkeit an einem Gymnasium in Mönchengladbach. Zahlreiche Stücke für das Kinder- und Jugendtheater (Deutscher Theaterverlag Weinheim), Bearbeitungen von Kinderbuch-klassikern und neue Nacherzählungen der Märchen aus 1001 Nacht (ARENA-Verlag Würzburg). Zuletzt erschienen im Verlag éditions trèves der Gedichtband augenzwinkernd und der Roman Der lächerliche Ernst des Lebens.
Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?
Nein, überhaupt nicht. Ökonomisch gesehen ist Konkurrenz natürlich ein wesentliches Marktelement, und das Buch ist in diesem Sinne nur eine Ware, aber ein Buch ist eben kein Auto und kein Waschmittel und konkurriert am Markt auch nicht wirklich mit anderen Büchern; denn jedes Buch ist einzigartig, ein Unikat, dessen Wert sich, nach meinem Verständnis, nicht nur am kommerziellen Erfolg messen lässt. Es transportiert mein Thema, meine Gedanken, meine Sprache. Und jeder Autor muss seine Themen, seine Genres finden und auf seine Weise umsetzen.
Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?
In Seller-Rankings spiegelt sich eine messbare Nachfrage, die ihrerseits gewissermaßen als Trendsetter fungiert und weitere Nachfrage generiert. Verkaufsgestützten Rankings gegenüber bin ich, was deren Bedeutung für die literarische Wertung betrifft, eher skeptisch, insofern sie primär Auskunft über Quantitäten und nicht über Qualitäten geben. Literarisch anspruchsvolle Bücher, so fragwürdig dieser Begriff auch sein mag, gehen nicht unbedingt am häufigsten über den Ladentisch. Kafkas Titel haben sich zu dessen Lebzeiten beispielsweise kaum verkauft, auf einer Sellerliste sind sie nie aufgetaucht.
Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?
Oh, da gibt es der Rezepte viele, aber keins davon ist geheim! Bewegung und körperliche Aktivität stehen bei mir im Vordergrund, wenn es im Hirn klemmt, wenn ich keine Lust habe, am Schreibtisch zu sitzen oder mir nichts mehr einfällt. Das ist alles normal und passiert regelmäßig. Und verschwindet auch wieder. Z.B. nach einem langen Spaziergang durch den Grenzwald mit Polly, unserer Cairnterrierhündin – oder nach einer Yoga-Session unter Anleitung meiner Frau: nach gefühlten fünf Stunden Knochenmühle flüchte ich erleichtert und ideenschwanger an den Schreibtisch…!
Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?
Wenig, denn internetmäßig geht es bei mir sehr spartanisch zu. Ich habe eine kleine HP, bei facebook oder anderen sozialen Netzwerken bin ich aber nicht zu finden – mir reichen die analogen Freunde vollkommen und da ich weder sehr geschäftstüchtig noch ein „Indie“ bin, überlasse ich jenseits des Schreibens und rund ums Buch alles dem Verlag.
Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?
Besser als jedes Marketinginstrument ist ein gutes Produkt. „Gut“ ist immer relativ und bedeutet für mich, dass ich mit dem, was ich geschrieben habe, absolut zufrieden bin. Das bedeutet aber auch, dass ich bereit sein muss, einen Text so lange umzuschreiben, zu überarbeiten und zu ändern, bis diese Zufriedenheit erreicht ist. Sehr hilfreich in diesem Zusammenhang ist übrigens, wenn man einen „ersten Leser“ hat, dem man voll vertraut und der einem gegebenenfalls auch alles um die Ohren hauen darf.
Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?
Das kann ich an keinem Namen festmachen. Als Germanist liest man sich quer durch die literarischen Epochen und dann hört man ja nie auf zu lesen und holt sich immer neue Inspirationen. Deshalb sind auch die Kollegen, um noch mal auf Ihre allererste Frage zurückzukommen, ob tot oder lebendig, im literarischen Sinne keine Konkurrenz, sondern eine Bereicherung.
Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?
Nach meiner Wahrnehmung stimmt das so nicht: Fast täglich werden quer durch die Printmedien Neuveröffentlichungen und Erstlinge vorgestellt. Dass nicht alle 100.000 Neuerscheinungen berücksichtigt werden können, versteht sich – und an den bekannten Größen der Literaturszene kommt nun mal kein Rezensent und kein Feuilleton vorbei.
Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?
Ganz altmodisch: Sich darauf zu konzentrieren, ein inhaltlich und formal solides Stück Text abzuliefern. Saubere Handarbeit zu leisten. Anständig recherchieren, keine Anachronismen produzieren (es hat zu Goethes Zeiten in Frankfurt noch keinen Bahnhof gegeben…!). Und wenn ich für Kinder und Jugendliche schreibe, mich vorher schlau machen, wie die ticken – nicht an meiner Zielgruppe vorbeischreiben! Bereit sein, im Zweifelsfalle alles Geschriebene in die Tonne zu treten und noch mal ganz neu zu beginnen!
Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?
Da ich überwiegend Kinder- und Jugendtheaterstücke, Märchen und Gedichte schreibe, ist das für mich nie ein Problem gewesen. In meinen Kriminalerzählungen muss ich einen Fiesling natürlich fiese Dinge tun und reden lassen, um den Charakter dieser Figur herauszuarbeiten, das gehört dann einfach dazu.
Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?
Jeder Autor ist auch ein mehr oder weniger politisch denkender Mensch, der, wenn er schreibt, seinen politischen background nicht ausblendet. Ich kann von mir selbst beim Schreiben nie so ganz absehen, und mein Text, auch wenn es ein Märchen ist, hat eine Intention, die mein politisches Wollen transportiert. Meine Themen, gerade in der Kinder- und Jugendliteratur, aber auch in den Gedichten, sind sehr oft Vorurteilsbildung, Feindbilder und Außenseiterproblematik. In „Der lächerliche Ernst des Lebens“ ,meinem jüngsten Roman, setze ich mich u.a. kritisch mit der restaurativen Phase der jungen Bundesrepublik in den 50er Jahren auseinander.
Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?
Entscheidend für den Schreibprozess ist die Stimmung. Habe ich einmal mit dem Schreiben begonnen und einen guten „Lauf“, vergesse ich die Zeit und höre erst auf, wenn ein Kapitel oder eine Szene steht.
Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?
Im Herbst erscheint im Verlag editions trèves eine Anthologie mit Kriminalerzählungen, zu der ich zwei oder drei Geschichten beisteuern werde. Die sind gerade in Arbeit. Parallel dazu entsteht ein neues Kindertheaterstück.
Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Weitere Hintergründe zum Autor
Bad Wildbader Kinder- und Jugendliteraturpreis 1998, Frankfurter F&F Literaturpreis in der Sparte Nonsens und Satire 2007, Marburger Kurzdramenpreis 2010, Mitglied der Jury zum Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld.