Interview mit dem Frankfurter Schriftsteller Pete Smith

 

Pete Smith,  Foto Maria Harsa

Pete Smith,
Foto Maria Harsa

Pete Smith wurde 1960 als Sohn einer Spanierin und eines Engländers im westfälischen Soest geboren. An der Universität Münster studierte er Germanistik, Philosophie, Publizistik und Kunstgeschichte. Nach seinem Magister-Examen arbeitete er zunächst als Kulturredakteur an einer Zeitung, bevor er sich als freier Schriftsteller niederließ. Er schreibt Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten und Essays. Smith lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main. Für sein Romanprojekt „Endspiel“ wurde er 2012 mit dem Robert-Gernhardt-Preis des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Der Roman ist 2015 im Frankfurter Societätsverlag erschienen. Smith ist Mitglied im VS und im Bödeckerkreis.

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Nein. Mehr als die Konkurrenz beschäftigten mich die Umwälzungen im Literaturbetrieb. War die Werbung für das Buch früher ausschließlich Aufgabe des Marketings der Verlage, so wird diese Aufgabe inzwischen mehr und mehr auf die Autoren selbst übertragen. Der Schriftsteller als Marke – auch dafür braucht man Talent. Der Künstler schafft Kunst.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise  die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

An Bücherrankings an sich ist nichts auszusetzen, vorausgesetzt die Initiatoren machen deutlich, dass solchen Listen keine Qualität bewerten, sondern die Marktpräferenzen abbilden und steuern. Wünschenswert wäre hier eine größere Differenzierung und Vielfalt, die beispielsweise den einzelnen literarischen Sparten Rechnung trägt und dabei auch die kleinen Verlage berücksichtigt.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Was mir durch die Talsohlen hilft, ist Disziplin. Da ich zudem nicht nur schreibe, sondern daneben auch konzipiere, recherchiere, plotte, korrigiere und überarbeite, muss ich nicht jeden Tag gleich kreativ sein. Manchmal ist es auch gut, einen Text einige Wochen oder Monate lang liegen zu lassen und sich danach wieder mit ihm zu befassen.

Fabelhafte Bücher: Ob Indie- oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen, wie Sie das gerade schon beschrieben haben. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Schwer zu sagen. In den Schreibphasen blende ich das Internet weitgehend aus. Meine Homepage aktualisiere ich seltener, als ich wohl sollte, Facebook habe ich im Blick, poste jedoch nicht jeden Tag, sondern nur, wenn es Neues zu berichten gibt oder ich mich in aktuelle Debatten einmische.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Noch vertraue ich dabei der Marketingabteilung meines Verlags. Inwieweit die sozialen Netzwerke ihren Teil zum Erfolg beitragen, vermag ich nicht zu beurteilen. Wer bei Facebook viele Fans hat, wird gewiss mehr Bücher verkaufen als ein Autor mit nur drei Likes.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Meine frühen Lehrmeister waren Max Frisch, die Familie Mann, Handke, Johnson und die französischen Existenzialisten. Während meines Studiums kamen die Klassiker hinzu, allen voran Goethe, heute bringen mich großartige Kollegen wie John DeLillo, Julian Barnes, Thomas Pynchon, Hertha Müller oder Alice Munro weiter, um nur einige zu nennen.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Tatsächlich werden von den meisten Feuilletons dieselben Bücher besprochen, vor allem wenn irgendwelche Long- oder Shortlists erscheinen, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass manch ein Rezensent von seinem Kollegen oder seiner Kollegin abschreibt. Eine Ursache dafür sehe ich im zunehmenden Zeitdruck der Redakteure und in den Einsparungen der Zeitungsverlage. Darüber hinaus glaube ich, dass viele Kritiker das Wagnis, jenseits des Mainstreams nach aufregenden literarischen Stimmen zu suchen, aus einem weiteren Grund scheuen: weil sie in Zeiten des Internets ihre eigene Marginalisierung fürchten – denn geklickt werden ja vor allem die bekannten Autoren und mit ihnen jene, die ihr Bücher rezensieren. Zum Glück gibt es weiterhin Nischen ernsthafter Kritik. Newcomer haben heutzutage die größten Chancen, von einem jener Rezensenten wahrgenommen zu werden, die für ambitionierte Literaturzeitschriften oder Blogs schreiben und sich dabei leider in der Regel selbst ausbeuten.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Da sich der Literaturmarkt so rasant ändert, fällt es mir schwer, jungen Kollegen Ratschläge zu erteilen. Sicher ist es wichtig, beharrlich zu sein. Auch die kritische Distanz, die Fähigkeit zur Selbstkritik, kommt der eigenen Arbeit zugute. Meinen ersten Roman würde ich heute nicht mehr veröffentlichen, andererseits glaube ich, dass sein Erscheinen damals wichtig für mich war, gerade für mein Selbstverständnis als Autor.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Die größte Schwierigkeit sehe ich nach wie vor darin, nicht alles zu erzählen, was ich erzählen könnte.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren  insgesamt zu dem Thema?

Wir haben das große Glück, in einer demokratisch geprägten Gesellschaft zu leben, in der die Menschenwürde garantiert und die Menschenrechte geachtet werden. Die Freiheitswerte zu verteidigen, ist nicht allein Aufgabe der Staatsorgane, sondern jedes einzelnen Bürgers. Als Schriftsteller, der es gewohnt ist, seine Gegenwart zu vermessen, bin ich geradezu prädestiniert, die Problemfelder einer Gesellschaft zu benennen oder Fehlentwicklungen aufzuzeigen, egal in welcher Form. Meiner Meinung nach mischen sich Künstler in Deutschland viel zu selten ein in den politischen Diskurs – oder werden sie zu selten gehört?

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich schreibe jeden Tag zwischen 9 und 16 Uhr, manchmal etwas länger, die Wochenenden und Urlaube ausgenommen.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

In meinem nächsten Roman geht es um einen jungen Mann, der als Ergotherapeut in einer Neurologischen Rehaklinik arbeitet und seinen Patienten Episoden aus den Biographien berühmter Persönlichkeiten erzählt, wobei er sie ermuntert, vorübergehend in deren Leben zu schlüpfen. Indem sie sich auf diese Weise in Edgar Wallace, Albert Einstein, Coco Chanel oder James Dean verwandeln, sollen sie, die durch Unfall oder Krankheit den Bezug zu ihrer eigentlichen Persönlichkeit verloren haben, neuen Lebensmut schöpfen. Eines Tages bekommt er eine neue Patientin, die sich aufgrund ihrer Amnesie weder an ihren Namen noch ihre Herkunft erinnert. Der junge Mann glaubt in ihr jenes Mädchen zu erkennen, in die er als Kind unsterblich verliebt war, und unternimmt alles, damit aus der Frau ohne Gedächtnis das Mädchen von damals wird…

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


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