Rezension von Matthias Hagedorn
In seinem ersten Roman »Abgeschlossenes Sammelgebiet« blickt A.J. Weigoni zurück auf den Zeitraum zwischen dem 9. November 1989 und dem 18. März 1990. Es gehört zu den Paradoxien der Gesellschaftskritik, daß sie in spürbarer Retromanie jener vorglobalisierten Bundesrepublik hinterhertrauert, die sich doch selbst mit derselben Betroffenheitsrhetorik ‘soziale Kälte’, ‘Waldsterben’ und ‘kapitalistischen Wildwuchs’ vorwarf.
Wer Geschichte zur Schärfung politischer Urteilskraft betreiben will, sollte sich klarmachen, daß konsequente Historisierung eine Vorbedingung dafür ist, die Verführungskraft von Ideologien richtig einzuschätzen. Die DDR war ein Vakuum, eine Seifenblase, die schwebte und irgendwann platzte. Wo auch die Liebe in die Krise gerät, gerät die ganze Welt an den Rand des Abgrunds. Und umkehrt. Weigoni hat eine Sprache für etwas gefunden hat, was seither sprachlos macht.
Dieser Romancier arbeitet in »Abgeschlossenes Sammelgebiet« einen Katalog von Sinnesdaten ab, achtet dabei jedoch auf die Balance zwischen einer packenden Geschichte und dem Respekt für die Figuren, die darin vorkommen. Er erzählt nicht nur, er deutet die Welt und ist dabei mit allen Wassern aktueller Theorie gewaschen. In diesem Roman ist alles literarische Erfindung, aber eine der glaubwürdigsten, schrecklichsten und wundervollsten. Weigoni weiß genau, wie er verzögert oder beschleunigt und wovon er schweigt. Sein Humor ist urteilslose Vollstreckung, mit knappen Wendungen stößt er Assoziationsketten an und erzählt fast süffig von Identität und Liebe, Vergeblichkeit und Verwandlung.
Die Wahrheiten in diesem Buch sind unendlich viel zahlreicher als die Irrtümer, der Mut ist viel größer, als es die Dummheiten und Fehler sind. Aber die Verbindung von beidem macht es zu einem wahrhaftigen, beeindruckenden Dokument über die Kämpfe in der Zeit der so genannten Wende. Literatur wird zu einem Passierschein in eine Möglichkeitswelt. Dieser Roman ist die Geschichte einer Erlösung durch das Erzählen.
Der Roman »Abgeschlossenes Sammelgebiet« erscheint am 13. August.
Matthias Hagedorn
»Abgeschlossenes Sammelgebiet«, Roman von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2014 – Limitierte und handsignierte Ausgabe des Buches als Hardcover
In der Neuen Rheinischen Zeitung würdigt Karl Feldkamp wie A.J. Weigoni in seinem ersten Roman den Leser intellektuellen Hochgenuss verführt: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21327